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1962 Nr. 3

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Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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215 Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 3 216

Artusroman nicht zum Kreuzritter, sondern zum Gralsritter3
führte, einer Schwestergestalt des Kreuzritters, einer vom Wirklich
-Funktionellen des Ritterstandes noch weiter abgerückten
pseudochristlichen idealen Übersteigerung4. Bei Rolandslied und
Willehalm geht W.-E. mit seiner Interpretation besonders in die
Breite und in die Tiefe. Er analysiert die Reden des Rolandsliedes
, beleuchtet die Gestalten in Denken und Handeln, erkennt
die Spiegelung zumal der nova devotio im Geiste Bernhards
und der in ihrem Gefolge entwickelten christlich-ritterlichen
Gemeinschaftsgesinnung wie des überhöhten Lohngedankens.
Bei Wolfram erscheint dies alles auf einer erhöhten Ebene. Ausdrücklich
wird hier der Kreuzzug als Heidenkampf zum Gesetz
für die Ritterschaft erhoben. Das Typische des Kreuzritters wird
auf Vivianz, Rennewart und Willehalm aufgefaltet, der Letzte
zum Märtyrer und Heiligen emporgesteigert, obwohl er alle
Stufen von der persönlichen Fehde über Kampf für Minne, Lehnsherrn
und Reich bis zum hl. Krieg für Taufe und Glauben durchläuft
, durch den die andern Stufen überformt werden. Was aber
Wolframs besondere Stellung ausmacht, ist, daß er, wie andere
wohl den tragischen Konflikt zwischen der traditionellen Kreuzzugsidee
und der furchtbaren Wirklichkeit der Kreuzzüge tief
empfindend, nun den neu erkannten Menschheitswerten der
Toleranz und Humanität Ausdruck verleiht und damit auch
weiterwirkte. Der heidnische Gegner wird als ebenso vorbildlicher
Ritter, den die gleichen Motive der Lehnspflicht, der Minne
und der Verteidigung des Glaubens in den Kampf treiben, gewertet
und damit die Tragik der Kämpfe vertieft. Nur die Taufe
stellt den Christen über den Heiden, die ihm den schließlichen
Sieg sichert, der aber in christlicher humanitas erfochten werden
muß. Schon immer hat man die Toleranzrede der Gyburc als
Höhepunkt der Dichtung empfunden. Diese dritte Schicht läßt
deutlich werden, warum gerade ein Germanist die Behandlung
der „Kreuzzugsdichtung des Mittelalters" auf sich nahm.

Bemerkenswert ist, daß W.-E. sich unter dem allgemeinen
Titel „Kreuzzugsdichtung des Mittelalters" auf Zeugnisse in
lateinischer, französischer, italienischer und deutscher Sprache
beschränken konnte. Dichteten doch die englischen Gebildeten
damals gewöhnlich französisch, so z. B. auch Richard Löwenherz.
Schade aber, daß das Niederländische, wie so oft, übergangen
wurde. Maerlants 19-strophige Sirventes Van den Lande van
Oversee von 1291 hätte man gern erwähnt gefunden wie die
46-6trophige Disputacie van Onser Vrouwen ende van den
Heilighen Cruce5. Ob nicht anderseits mit dem breiten Einbezug
der Kreuzdeutungen aus frühmittelhochdeutscher Zeit vor
Einsetzen der Kreuzzugsdichtung des Guten etwas zuviel getan
ist? Eine „Kreuzeskultur" gab es das ganze Mittelalter hindurch,
wenn auch mit sich wandelnden Vorzeichen, beginnend z. B.
schon mit den angelsächsischen Versen in Runenschrift auf den
Kreuzen von Ruthwell und Brüssel oder den Schlußversen des
althochdeutschen Muspilli. Auch Pilgerlieder ohne unmittelbaren
Kreuzzugsbezug sollte man lieber beiseitelassen, also wohl auch
das Bußfahrtlied des Stricker (S. 316 ff.).

Reichen Gewinn zieht man aus den Anmerkungen S. 329 — 370.
Die biographischen und bibliographischen Hinweise S. 372—402 befriedigen
weniger. Sie greifen weiter aus, als das Thema verlangte, lassen
aber manches, zumal in den letzten Jahren Erschienene vermissen, sowohl
bei den Ausgaben wie der Literatur. S. 372 f. ist völlig unbegründet
das Annolied einbezogen. An irreführenden Druckfehlern seien
nur herausgegriffen S. 374 unten: Brück st. Brüch, S. 387 oben: Druhe
st. Drube, S. 387 Mitte: Levense st. Leuvense.

Leipzig Gabriele Schieb

3) Hierzu vgl. E. Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfischen
Epik. Tübingen 1956, besonders Kap. VI. Perceval und der Gral. Die
eschatologische Vollendung der ritterlichen Selbstauslegung.

4) Vor der Chanson de Geste konnte entsprechend das aus der
Geschichte erwachsene Heldenlied als Ansatzpunkt zu einer ähnlichen
Stilisierung zum Gotteskämpfer dienen, s. oben Sp. 211, wie sich überhaupt
die Ideale des germanischen Bauern- und Kriegeradels und die
Ideale des Ritterstandes in manchem berühren.

5) Vgl. jetzt auch Leopold Zatocil, Prager Bruchstück einer
Pergamenthandschrift eines neuen mittelniederländischen Kreuzzugsromans
aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, Philologica Pra-
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