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Ausgabe:

1962 Nr. 3

Spalte:

207-209

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Zahrnt, Heinz

Titel/Untertitel:

Es begann mit Jesus von Nazareth 1962

Rezensent:

Grundmann, Walter

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207

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 3

208

Freedma n, David N.: The Chronicler's Purpose.

The Catholic Biblical Quarterly XXIII, 1961 S. 436—442.
Gemser, B.: Vertraagde openbaringsbewustheid — Onderzoek naar

de afstand tussen het openbaringsgebeuren en — woord en zijn

bewustwording en weergave.

Nederlands Theologisch Tijdschrift 15, 1961 S. 241—263.
Hartman, Louis F.: Sirach in Hebrew and in Greek.

The Catholic Biblical Quarterly XXIII, 1961 S. 443—451.
Hesse, Franz: Das Alte Testament als Kanon.

Neue Zeitschrift für Systematische Theologie 3, 1961 S. 315—327.
Jepsen, Alfred: Gnade und Barmherzigkeit im Alten Testament.

Kerygma und Dogma 7, 1961 S. 261—271.
Lifshitz, B.: La vie de l'au-delä dans les coneeptions juives.

Inscriptions grecques de Beth-Shearim.

Revue Biblique 68, 1961 S. 401—411.
N e h e r, Andre: Jeremias. Deutsch von K. Rauch. Köln: Bachem

[1961]. 248 S. 8°. Lw. DM 14.80.
T o u r n a y, R.: A propos des babylonismes d'Ezechiel.

Revue Biblique 68, 1961 S. 388—393.

NEUES TESTAMENT

Zahrnt, Heinz: Es begann mit Jesus von Nazareth. Die Frage nach
dem historischen Jesus. Stuttgart: Kreuz-Verlag [i960]. 174 S. 8°.
Kart. DM 7.80; Lw. DM 9.80.

Zahrnt gibt mit journalistischer Eleganz und theologischer
Kenntnis eine Einführung in die Frage nach dem historischen
Jesu6, ihre Entfaltung und ihren Verlauf in der Forschung und
ihren gegenwärtigen Stand. Er will die „Frommen und Rechtgläubigen
" zur Prüfung veranlassen, ob sie tatsächlich recht
glauben, und er will den Fragenden falsche Anstöße am christlichen
Glauben nehmen und ihnen helfen, mit gutem Gewissen zu
glauben, denn er sieht die Gefahr einer verstockten Gläubigkeit,
die im Festhalten am „Unwahrscheinlichsten und Unmöglichsten
" nur sich selbst, „ihre eigene Leistung", „das eigene selbstgefällige
Verstandsopfer feiert" (so S. 17); in ihr ist Jesus Christus
„zu einer historischen Abnormität gemacht" (S. 20), die moderne
Form des Doketismus. Die Frage, die Zahrnt stellt, lautet:
„Hat der Glaube Anhalt an Jesus selbst, oder geht er nur auf
den Glauben und das Zeugnis der ersten Gemeinde zurück?"
(S. 10 f.).

In knapper Weise wird die Geschichte der Leben-Jesu-
Forschung seit ihren Anfängen in der Zeit der Aufklärung im
Zusammenhang mit der geistigen Bewegung der Zeit in scharfen
Umrißlinien dargestellt, so daß sich ein geschlossenes Bild geistiger
Bewegung ergibt. Dabei wird ihre erste Phase bis in die
Zeit des ersten Weltkriegs als imposanter Versuch dargestellt,
sich vom Christusdogma der Kirche zu befreien und dennoch
gleichzeitig an der Einzigartigkeit Jesu festzuhalten. Albert
Schweitzer hat ihre Geschichte geschrieben — von Reimarus bis
Wrede. Sie ist geistig bestimmt durch den neuhumanistischen
Mythos des 19. Jahrhunderts mit einem verschwommenen idealistischen
Geschichtspantheismus (S. 50). Der Gegenschlag setzt
ein mit der Theologie Barths, die in der neutestamentlichen Forschung
von der formgeschichtlichen Methode begleitet wird.
Rudolf Bultmann verbindet die beiden Neuansätze, bestätigt die
Identität zwischen dem irdischen Jesus und dem gepredigten
Christus, beschränkt sie jedoch auf das Daß des Gekommenseins
Jesu und hat darüber hinaus an dem irdischen Jesus kein Interesse
, weil er allein in der Predigt gegenwärtig ist. Zahrnt zeigt
die theologische Interesselosigkeit am historischen Jesus als im
Zusammenhang stehend mit einer umfassenden geistigen Bewegung
, die sich ebenso in der abstrakten Kunst, der atonalen Musik
, der Entstofflichung des Bühnenbildes, der Unanschaulichkeit
naturwissenschaftlicher Aussagen, dem Existentialismus in der
Philosophie bemerkbar macht, der große „Sog der Abstraktion",
eine Bewegung „von der Leiblichkeit weg zur Chiffre", wie das
Heinrich Vogel genannt hat. Die Wiederentdeckung des historischen
Jesus hat vor allem in der Schule Rudolf Bultmanns selbst
eingesetzt. Das wird ebenfalls knapp dargestellt, wobei deutlich
wird, daß die Frage nach dem historischen Jesus als „eine unauf-
gebbare theologische Notwendigkeit" und als „ein Lebensinteresse
des christlichen Glaubens" selbst begriffen wird, denn er

würde, hätte Jesus nicht gelebt, gegenstandslos werden (S. Iii).
Dabei werden die Grenzen der historischen Forschung — sie kann
zur Reinigung des Glaubens beitragen, aber nicht erreichen, daß
geglaubt wird —, ihre Kriterien und die Aufgabe der christolo-
gischen Lehrbildung in der interpretierenden Weitergabe dessen,
„was im historischen Jesus selbst, in 6einer Botschaft und in
seinem Geschick begründet ist" (S. 116), umrissen. Eine weitgehende
Übereinstimmung der Forschung hat sich darin ergeben,
daß Jesus und seine Verkündigung, sein Reden und sein Verhalten
als unauflösliche Einheit begriffen werden, nicht aber aus
einem vorgegebenen Glaubens- und Vorstellungsgefüge, wie
Messianität oder Gottessohnschaft, entwickelt werden; entscheidend
ist vielmehr seine ihn von seiner Umwelt unterscheidende
Art und Weise, Autorität geltend zu machen, die in
der absoluten Zusage des Heils, die an seine Person gebunden
ist, ihre Begründung findet. So wird die Nachfolge Jesu zum
„Ort der Unmittelbarkeit zu Gott" (S. 127). Wir würden an
dieser Stelle lieber von der Begegnung mit Jesus reden, da ja nicht
alle, denen er in seiner Begegnung das Heil zuwendet, indem er
sie in seiner Person mit Gott konfrontiert und ihnen ein neues
Verhältnis zu Gott eröffnet, auch in seine Nachfolge eintreten.
Dieses Geschehen wird nicht in messianischen Titeln ausgedrückt,
sondern ist „Christologie im Vollzug" (S. 131), eine Formulierung
, die Überlegungen von H. Braun und W. Marxsen nahekommt
. Die Einheit von Person und Botschaft in der geschichtlichen
Erscheinung Jesu führt dazu, daß sein Tod es unmöglich
macht, daß seine Botschaft von seiner Person abgelöst weiter
wirksam ist, vielmehr widerlegt sein Tod seine Botschaft. Darum
entscheidet sich zu Ostern die Frage, ob Gott wirklich in Jesus
Christus sein „letztes, entscheidendes, endgültiges Wort an die
Welt" spricht. Die Erscheinungen des Auferstandenen setzen
nicht den Osterglauben voraus, sondern sie schaffen ihn und begründen
damit das urchristliche Bekenntnis, daß Jesus „das wahrhafte
Zeichen der Wirklichkeit Gottes in der Welt" ist; ,,in ihm
hat Gott sich selbst ausgelegt" (S. 153). Damit wird die eingangs
gestellte Frage beantwortet: „Der nachösterliche Glaube an
Jesus bedeutet nichts anderes als das rechte Verstehen des vor-
österlichen Jesus.. . Was aber heißt dies wiederum anderes, als
daß der Glaube an Jesus Anhalt an Jesus selbst hat?" (S. 156).
Im Vollzug des existentiellen Verhältnisses von Vater und Sohn,
in dem zugleich unsere verlorene Sohnschaft wiederhergestellt
wird, kommt dieser Sachverhalt zur Sprache.

Daß der nachösterliche Glaube das rechte Verstehen des
vorösterlichen Jesus ist, darin steckt das entscheidende Problem.
Denn gerade wenn man mit Zahrnt der Überzeugung ist, daß
der Glaube an Jesus Anhalt an Jesus selbst hat, wird dieser Anhalt
an Jesus selbst zum diakritischen Prinzip, ob denn der nachösterliche
Glaube an Jesus in allen seinen Formen und Aussagen
„das rechte Verstehen des vorösterlichen Jesus" bedeutet.
Wir möchten in diesem Zusammenhang auf einen wesentlichen
Sachverhalt hinweisen. H. Zahrnt kommt auf das Werk Rudolf
Ottos zu sprechen und sieht in der Synthese von deuterojesaja-
nischem Gottesknecht und himmlischem Menschensohn in bezug
auf Jesus, die er selbst vollzogen habe, Ottos wesentlichen Beitrag
zur Erforschung der Geschichte Jesu; er sei vor allem in England
wirksam geworden, lasse sich aber bei kritischer Prüfung der
Quellen nicht halten. Nun ist schon vor dem Erscheinen von
R. Ottos grundlegendem Werk diese Aussage z. B. von Gerhard
Kittel gemacht worden (vgl. z.B. RGG2 III Sp. 2118-2121); die
entscheidende Aussage Rudolf Ottos scheint mir vielmehr an der
Stelle zu liegen, wo er die geschichtliche Erscheinung Jesu mit
der Kategorie des Urcharismatikers erfaßt und gerade mit ihr
jene innere Einheit von Person und Botschaft, Reden und Verhalten
begreiflich machen kann, die weithin in formgeschichtliche
Elemente aufgelöst wird. Ich habe in meiner „Geschichte Jesu
Christi" diesen Gedanken Rudolf Ottos aufzunehmen und weiter
auszubauen versucht; ich finde ihn bei Gerhard Gloege in seiner
Jesusdarstellung „Aller Tage Tag" wieder. Er ist geeignet, die
innere Einheit der Urchristenheit als einer charismatischen Bewegung
sichtbar zu machen und zugleich jenes diakritische Prinzip
zu geben, das wir erwähnten; denn gerade in einer charismatischen
Bewegung liegen das Durchhalten des vom Geist gewirkten
Glaubens, der in der Liebe tätig ist, und das Abweichen