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1962

Kategorie:

Religionswissenschaft

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Neuerscheinungen

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205 Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 3

handelten Gerichtsworte gegen das Volk erscheinen als Weiterbildungen
der Ankündigung an den Einzelnen (vgl. die Tabelle
S. 124 f.), natürlich mit einzelnen Abwandlungen und Erweiterungen
(Umstellungen von Anklage und Ankündigung, Entfaltung
der Anklage usw.). Eine Parallele zum Gerichtswort stellt
der WVhcruf dar, für den eine knappe Statistik geboten und auf
die Verwandtschaft mit dem Fluch verwiesen wird. Geliehene
Formen sind die Rcchtsvcrhandlung, das Streitgespräch, das
Gleichnis, die Klage und die prophetisch törä. Die Gerichtsankündigung
gegen Israels Feinde und die schließliche Auflösung
der Form werden nur skizziert.

Es ist ein in sich geschlossenes und in dieser Einheitlichkeit
impressives Bild des Prophetenpruches, das hier entfaltet wird.
Gleichwohl kann ich gewisse Bedenken nicht unterdrücken:

1. ) So sehr ich selbst die Beziehung zwischen Prophetenspruch
und Botenspruch betont habe und so gern ich bereit bin,
die Termini „Scheit-" und ,,Drohwort" auf ihre Stichhaltigkeit
zu überprüfen, so wenig kann ich die Zurückführung auf den
Botenspruch in der von W. geübten Weise nahezu verabsolutieren
, zumal ja, wie schon gesagt, der Terminus „Bote" bei der
gesamten älteren Prophetie selbst da fehlt, wo das Verbum
„senden" gebraucht wird. Es ist vielmehr bedeutsam, welche
andere Verben auftreten, etwa qüm Am 2« oder nätan Jer 1»,
also Ausdrücke, die nicht minder vom Priester (qüm 1. Sam 2:0
und vom König (qüm 1 Reg 14u nätan Ps 89™) gebraucht
werden, also allgemein die charismatische Begabung herausstellen.
Der 6ich von da aus ergebende Zusammenhang zwischen dem
priesterlichen Orakel, auf den ich in meinen von W. nicht berücksichtigten
„Worten der Propheten" (1948) S. 25 ff. verwiesen
habe, darf m. E. nicht übersehen werden.

2. ) Mir scheint die Unterscheidung von Worten an Einzelne
und Worten an das Volk zu formal zu sein. Woher kommt es,
daß die erstgenannte Gruppe in den prophetischen Schriften
„fast alle in berichte;,den Texten begegnen" (S. 99) und nach
Jeremia nicht mehr auftauchen (dafür aber immer wieder Heilsworte
, z. B. an Kyros)? Es genügt nicht, zu sagen, die Gerichtsdrohung
gegen Einzelne sei eben älter als die wider das Volk.
Man hat vielmehr zu beobachten, daß die Gerichtsdrohung in Sam.

— Kön. wesentlich gegen den König gerichtet ist, wie ja auch in
der Umwelt der König der bevorzugte Empfänger 6owohl des
Orakels als des Traumes ist. In dem Sichdurchsetzen des Gerichtswortes
gegen das Volk spiegelt sich vielmehr ein großer sozialer
Prozeß: An die Stelle des Wortes an den König als den Repräsentanten
des Volkes tritt die Drohung gegen das Volk selbst.
Die ältere Prophetenlegende ist revolutionär, die Schriftprophe-
tie ist „demokratisch" in dem Sinne, daß für sie der „Gegenspieler
" Jahves die Bundesgemeinde und nicht ihr (geschichtlich
angesehen sekundärer Repräsentant) ist. In diesem Sinne kann
man geradezu sagen, daß das Gcrichtswort in Israel an das Volk
typologisch „älter" ist eis das Wort an den König!

3. ) Ich vermisse bei W. ein Eindringen in die psychologische
Struktur der Sprüche. Ich sehe für jetzt ab von den Problemen,
die durch die „poetische" Ausformung der Sprüche gegeben sind,
die sie mit dem Orakel, aber nicht mit dem Prosaspruch des
Boten zusammenbinden. Das Problem Prophet und Dichter muß
•» anderem Zusammenhang behandelt werden. Es läßt sich aber
to. E. nicht verkennen, daß das auch von W. nicht unbeachtet gebliebene
Nebeneinander von Gotteswort in der Ichform und
Prophetenwort in der Er-Form im selben Spruchganzen auf einen
Psychologischen Prozeß hindeutet, in dem ich eine „Rationalisierung
" des „Gehörten" durch den Propheten sehen möchte,
und zwar von ganz bestimmten seelischen Vorgcbenheitcnher,
von denen jetzt nur der Grundsatz der „spiegelnden Strafe" genannt
sei. Der Adressat, gegen den sich die Vision zerstörter
Häuser und Felder in Jes 59 richtet, ergibt sich dem Propheten

— die Deutung wird von der „Raunung" ausdrücklich unterschieden
! — eben von dem genannten Grundsatz aus. Sie sinken
dahin, weil an ihnen ein Frevel klebt (5s).

Westermann wird sagen, das sei eben Psychologie und nicht
Theologie, auch etwas vergleichende Literatur- und Kultgeschichte
ohne zentrale theologische Ausrichtung. Wir kommen
aber zur Theologie auf gar keinem anderen Wege als dem der
6chr geduldigen und alle Möglichkeiten abwägenden Analyse,

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aber nicht dadurch, daß wir eine Möglichkeit, die theologisch
fruchtbar erscheint, zu stark in den Vordergrund schieben. Doch
sei noch einmal betont, daß die Analyse des Botenspruches nach
seinen verschiedenen Formen hin eine Bereicherung der Forschung
darstellt.

Güttingen Johannes Hempel

Rad, Gerhard von: Gesammelte Studien zum Alten Testament. München
: Kaiser 1958. 312 S. 8° = Theologische Bücherei. Neudrucke u.
Berichte a. d. 20. Jahrhundert, Bd. 8. Kart. DM 12.—.

Daß Gerhard von Rad dem Drängen H. W. Wolffs nachgegeben
und sich zur Herausgabe dieses Sammelbandes seiner
verstreut erschienenen Aufsätze entschlossen hat, ist dankbar zu
begrüßen. Nicht nur, weil dem Suchenden die einzelnen Studien
nunmehr rasch bei der Hand 6ind, sondern vor allem deshalb,
weil uns der Sammelband etwas widerspiegelt von der dreißigjährigen
Forschungsarbeit eines Alttestamentlers, die für weite,
namentlich auch kirchliche Kreise als Wegbahnung heraus aus der
Not um das Alte Testament begriffen wird, in die die historischkritische
Wissenschaft geführt hat. Freilich diese Aufsatzsammlung
stellt sich nicht dar als ein in sich inhaltlich geschlossenes
Ganze — wie sollte das sein, da die einzelnen Abhandlungen
unter einem einheitlichen Zielpunkt ja nicht gesdirieben worden
sind. Aber 6ie sind doch insofern in einem gewissen inneren
Zusammenhang untereinander, als in ihnen sich das anbahnt,
was nunmehr in des Verfassers umfassendem zweibändigem Werk
über die „Theologie des Alten Testaments" als Ausdruck der
Gesamtauffassung von Rad's vor uns ausgebreitet ist. Die Themen
der Studien und deren Durchführung geben einen (wenn
auch naturgemäß begrenzten) Einblick in die weit ausgreifenden
Vorarbeiten, die von Rad geleistet hat, um die Grundlage für
seine in der „Theologie des Alten Testaments" entfaltete These
zu schaffen: der neue Weg zum theologischen Verständnis des
Alten Testaments kann nur gefunden werden in der „Überschneidung
von Einleitungswisscnschaft und biblischer Theologie"
(Theologie des AT, Band I, S. 7). Von dem heute vorliegenden
großen Gesamtwerk her gesehen ist verständlicherweise so manches
in diesen Abhandlungen — zumindest in der damals niedergelegten
Form — überholt. Es wird deshalb immer richtig sein,
diese Einzeluntersuchungen jeweils mit der „Theologie des Alten
Testaments" vergleichend zusammen zu nehmen. Es ist aber gut,
daß der Verfasser die Bedenken hinsichtlich des unveränderten
Abdrucks der zeitlich zurückliegenden Arbeiten, die er nach dem
Vorwort selbst stark empfunden hat, zurückgestellt hat. Dem
Benutzer der „Theologie des Alten Testaments" wird gerade
auch der Rückblick auf die früheren Auffassungen von Rad's eine
Hilfe sein, die Genese des mit der „Theologie" sichtbaren heutigen
Standes der von Rad'schen Position und damit diese selbst
sicherer zu erfassen. Diese Hilfe ist um so mehr gewährleistet,
als drei dem Sammelband beigegebene Register (Bibelstellen,
Namen und Sachen, hebräisdie Wörter) denjenigen rasch zum
Ziele führen, der von der „Theologie" her nach einer bestimmten
Einzelsache oder nach einer bestimmten Stelle des Bibeltextes
sucht.

Erlangen Friedrich Ba u m g I r tel

A u d e t, J.-P.: Qumrän et la notice de Pline sur les Esseniens.

Revue Biblique 68, 1961 S. 346—387.
Calderone, Philip J.: HDL-1I in Poctic Texts.

The Catholic Biblical Quarterly XXIII, 1961 S. 451-460.
Couroyer, B.: Amenope, 1,9; 111,13: Egypte ou Israel?

Revue Biblique 68, 1961 S. 394—400.
Dahood, Mitchell J.: Two Textual Notes on Jeremia.

The Catholic Biblical Quarterly XXIII, 1961 S. 465-474.
D o e v e, J. W.: Lamech's achterdocht in lQ Genesis Apocryphon.

Nederlands Theologisch Tijdschrift 15, 1961 S. 401—415.
Edel, Reiner-Friedemann: Hebräisdi-Deutsche Vokabel - Lern- und

Repctitionshefte der 830 wichtigsten Wörter des Alten Testaments,

geordnet nach der Häufigkeit ihres Vorkommens. 2., verbess. Aufl.

Heft 1: Hebräischer Teil. Heft 2: Deutsche Übersetzung. Marburg/

Lahn: Edel [1961]. Je 16 S. 8°. DM 2.80.
Eitzmyer, Joseph A.: A Note on Ez 16,30.

The Catholic Biblical Quarterly XXIII, 1961 S. 460-462.