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Ausgabe:

1962 Nr. 3

Spalte:

201-203

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Koch, Carl

Titel/Untertitel:

Religio 1962

Rezensent:

Doer, Bruno

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 3

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nung von Heilig und Profan erst „esprimo una delle individuazioni for-
mali del sacro" ist, betont B. ausdrücklich (113). Um die religiöse Haltung
und ihre „Intention" zu beschreiben, übernimmt B. den etwas unglücklichen
Begriff Eliades „rupture de niveau ontologique"": „rottura
di livello" (116 ff.). II Le circostanze psicologiche e sociali (120
— 131) liefert die Auseiandersctzung mit E. Dürkheim und Levy-Bruhl
sowie mit dem ital. ,,Historizismus" (E. de Martino). Interessant sind
dabei die Ausführungen über den Zusammenhang zwischen der aus der
rationalistischen und positivistischen Tradition stammenden „prälogischen
Theorie" L.-Bruhls und der ,,irrationali6tischen Gefühlswelt" Van der
Leenwf (124 f.). Ferner macht B. gegenüber allen psychologischen Theorien
die Objektbezogenheit der religiösen Beziehung und „la concre-
tezza 6torico-reIigiosa del fatto" geltend (128 ff.). III II „supra" e il
„prius" (132—138). B. versucht das Wesen des Religiösen in seiner Beziehung
zu einem „Darüber" (supra) und einem „Vorher" (oder
„Früher": prius) zu erfassen (116 f.). Jede Religion vereinigt beide Beziehungen
: die zu den „übermenschlichen, mächtigen" (transzendenten?)
Wesen und die zu den „Urzeitwesen", die die Ordnung der Welt und
Menschen 6chufen. Von hier aus kritisiert B. auch die etwas einseitigen
Auffassungen von Frobenius und A. E. Jensen (133 f.). „Ma solitamentc
il mondo della religione si radica in un supra die e nello stesso tempo
il prius" (134). — In einem Appendix legt B. schließlich seine Auffassung
vom (existentiellen, lebensmäßigen Bezug des) Mytho6 dar
(139—144).

Ein sinnentstellender Druckfehler im Inhaltsverzeichnis S. 151:
lies monistico-evolutivi statt monoteistico-evolutivi.

Der Leser wird B. uneingeschränkt Dank zollen für die in
diesem kleinen Buch behandelten und anvisierten „Probleme",
die vielfach zum Nachdenken anregen. Hoffen wir, daß es bald
auch einmal in einer deutschen Übersetzung bei uns zur Verfügung
steht.

Leipzig Kurt R udolph

Wisj. Leipzig erscheinende Schrift „Die Religionsgeschichte an der Leipziger
Universität und die Entwicklung der Religionswissenschaft".
*) Die Religionen und das Heilige (dt.), Salzburg 1954, S. 40.

Ü' Koch, Carl: Religio. Studien zu Kult und Glauben der Römer. Hrsg.
v. Otto Seel. Nürnberg: Carl 1960. XV, 271 S., 1 Titelb. gr. 8" =
Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft, Bd. VII. Kart.
DM 26.— ; Lw. 29.50.

Der vorgelegte Band VII der Erlanger Beiträge setzt gut und
glücklich seine Vorgänger fort. Und man darf dem Herausgeber
O. Seel Dank dafür wissen, daß er sich in dem vorliegenden Fall
die gewiß nicht geringe Mühe gemacht hat, die bereits erschienenen
Aufsätze des zu früh verstorbenen C. Koch der Forschung
noch einmal so wohl geordnet und handlich, gewissermaßen als
„Gesammelte kleine Schriften" zur Verfügung zu stellen. Er hat
dem Mitforscher dadurch das lästige Suchen nach den Einzelarbeiten
in den zum Teil recht entlegenen Veröffentlichungsorten
abgenommen.

Diese Zweitausgabe der Arbeiten des Vcrfs. in einem straffen
Buch bringt es unabweislich mit sich, daß der Band in zwei deutlich
getrennte Teile auscinanderfällt, von denen das Vorwort, die
biographische Notiz und die Kapitel der Seiten 253-261 nicht
aus seiner Feder stammen. Sie sind vielmehr der Anteil des
Herausgebers und seiner Helfer. Aber auch die unter den drei
Obertiteln: Götter — Rom — Glaube zusammengefaßten Koch-
schen Aufsätze (S. 1—205) waren naturgemäß niemals zu einer
derartigen Ordnung zusammengeschlossen. Und doch will es
scheinen, als wenn sie durch diesen auf den Herausgeber zurückgehenden
Zusammenschluß entschieden an Eindrücklichkeit gewonnen
haben. Daß dabei „die Aufsätze unverändert und originalgetreu
wiedergegeben" wurden, dürfte trotz der ausdrücklichen
Versicherung des Herausgebers (S. XIII) doch wohl eine Selbstverständlichkeit
sein.

Wenn „es auch der geheime und nur im intimen Vertrauen
eingestandene Wunsch C. Kochs war, sein Bild von römischer
leligio einmal im größeren Zusammenhang formulieren zu können
", so kann man doch nicht leise Bedenken darüber unterdrücken
, daß der Herausgeber sich entschloß, dem Sammelwerk
«en Wunschtitel „religio" zu geben. Denn eines der gewichtigsten
Sr"cke der Sammlung: Vom Wirkungsgeheimnis des menschen-
pestaltigcn Gottes (S. 205-252) gibt wenig oder gar nichts über
dei> Glauben Roms an den göttlichen Menschen her. Bestenfalls

kann die Darstellung der Wirkung des „gottähnlichen" oder des
„gottgleichen" Mannes, welche der Verf. vorgetragen hat, als die
maßgebliche Vorstufe angesehen werden, die Griechenland und
der hellenistische Osten mindestens seit der Zeit Alexanders des
Großen dem auch glaubensmäßig von ihnen abhängigen Rom
übermittelt haben.

Macht man diese Einschränkung, dann ist allerdings die
Ausgangsbasis für den bedeutsamsten römischen Glaubenswandel
gefunden, der je in der nationalrömischen und -italischen Welt
vor sich gegangen ist. Leider hat der Verf. das Wirkungsgeheimnis
des menschengestaltigen Gottes unter den Hellenen nur unter
dem Gesichtspunkt untersucht, den das griechische Denken zu
diesem religionsgeschichtlichen Phänomen bietet. Aber auch hierbei
hat er es bedauerlicherweise außer Acht gelassen, in größerem
Umfang die sehr gute und große epigraphische Überlieferung mit
heranzuziehen, die uns die Diadochen und ihre Reiche hinterlassen
haben. Jeder dieser Könige sah sich als Gottherrscher an
und wurde von seinen Untertanen als Gottkönig verehrt. Dabei
stellte der hellenische Glaube an den gottgleichen König nicht
einmal die Herrscherinnen in den Schatten, sondern ließ sie ungeschmälert
an den Kultehrungen teilhaben.

Um diesen ganzen Vorgang in der Religion der Griechen des
Mutterlandes und Kleinasiens voll zu begreifen, wäre es sehr
nützlich gewesen, darauf hinzuweisen, daß die Quellen einer derartigen
Gottesvorstellung nicht allein aus dem griechischen
Glauben geflossen sind, sondern daß das Gottherrschertum in
Asien und Ägypten seit Jahrtausenden in vollster Blüte stand.
Der religionspolitische Einfluß dieser Landschaften hat unbedingt
das Seinige dazu beigetragen, den einheimischen Glauben der
Griechen an die Gottgleichheit des Menschen, besonders des
regierenden Menschen, von Jahrhundert zu Jahrhundert zu steigern
. Mit der Einführung der absoluten Monarchie in Gesamtgriechenland
war dann der Zeitpunkt gegeben, den Gottherrscher
auf den profanen wie auf den religiösen Thron in der Ökumene
zu erheben. Der Theos Alexander, Ptolemaios, Seleukos, Antio-
chos, oder wie die Könige sonst heißen mochten, beschirmten,
beschützten und quälten die gläubig zu ihnen betende Menschheit
, die auch über den Gebeten nicht die übrigen Kulthandlungen
vergaß, welche für gewöhnlich und herkömmlich nur den
echten Göttern dargebracht wurden.

Diesen letzten Schritt zur Erkenntnis des Glaubens der
Hellenen hat der Verf. offenbar nicht mehr tun können. Und
deswegen darf es auch nicht weiter überraschen, wenn in dem
an sich gediegenen Aufsatz „Gottheit und Mensch im Wandel der
römischen Staatsform" die geschilderte Entwicklung der römischen
„religio" nicht bis zu ihrer letzten Glaubensstufe verfolgt
wird, sondern mit Beginn des Principats abbricht. Gern würde
man von ihm erfahren haben, wie er sich den Gedanken an den
Kaisergott auf dem Thron des Imperiums vorgestellt hat. Doch
wie gesagt, alles wird gewissermaßen im Vorhof des templum
divi Caesaris, des divus Augustus unvollendet stehengelassen.

Daran mag es liegen, wenn die Göttlichkeit des ersten
Princeps Augustus an den verschiedensten Stellen des Buches so
unterschiedlich betrachtet wird (S. 111, 122, 127, 133/4). Gern
hätte man auch in „Der Zyklus der Römeroden" (S. 133/4), wo
die „Praesentia divi Augusti" ausgelegt wird, und zwar im wesentlichen
richtig, einen Hinweis darauf gefunden, wie sehr
Horaz, der Kaiser und die Masse der Rcichsbewohncr sich der
Tatsache bewußt waren, in diesen Glaubensdingen zu fühlen nach
dem Vorbild des Hellenismus. Er besaß seit längerem eine breite
Spekulation über die Allgegenwärtigkeit des Gottes in Menschengestalt
, sowie über die Ferne der alten Götter. Diese Empfindungen
riefen unter den Griechen das Verlangen nach der „Epi-
phanie des sichtbaren Gottes, als der sich dann der Gottkönig in
Szene setzt oder setzen läßt", hervor (S. 227).

Da der Verf. nicht mehr dazu kam, die Kaisertheologie
Roms zu studieren, findet sich in seinen Arbeiten auch nichts
über das Hauptproblem der römischen Kaiserzeit in dieser Hinsicht
: Der regierende „divus Caesar", der „dominus" und der
„dominus et deus" wird ebenso wenig einer Untersuchung gewürdigt
, wie die Verdammung des schlechten Kaisers oder die
Apotheose des guten Kaisers nach seinem Tode beobachtet
werden.