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Ausgabe:

1962 Nr. 3

Spalte:

198-199

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Biblical studies in memory of H. C. Alleman 1962

Rezensent:

Hertzberg, Hans Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 3

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lieh?" Auf die Ausführungen von P. Brunner sei besonders hingewiesen
. Er versucht die in der evangelischen Kirche immer noch
ungeklärte und umstrittene Lehre vom geistlichen Amt dogmatisch
zu begründen. Für ihn resultiert die Lehre vom Amt aus
der Beantwortung zweier Fragen: 1) Wie urteilt Gott über den
unter die Macht der Sünde geratenen Menschen? 2) Wie rettet
Gott in Jesus Christus den Sünder? (S. 261). Damit sind hinsichtlich
des theologischen Ortes einer Lehre vom Amt schon
wichtige Vorentscheidungen gefallen. Das Amt ist nicht nur eine
Frage der äußeren Ordnung. Welche Antworten gibt Brunner
selber? Sünde ist als Bruch des mit der Erschaffung des Menschen
von Gott gesetzten Urbundesverhältnisses eine die Existenz bestimmende
und prägende Tat des Menschen. Diese Tat fordert
Gottes Zorn heraus und hat den ewigen Tod als Gottes Zornesurteil
zur Folge. Die Frage nach dem „Wie" der Rettung beantwortet
B. folgendermaßen: Gott rettet den Sünder so, daß er
seinen ewigen Sohn in unser Fleisch sendet, den fleischgewordenen
Sohn für uns in das Gericht des Kreuzes hingibt und den
gestorbenen und begrabenen Jesus aus Tod und Grab auferweckt
(S. 263). „Aber dadurch, daß Jesus Christus unter Pontius Pilatus
am Kreuz auch für mich gestorben ist zur Vergebung der
Sünden, habe ich, diese Person mit diesem ganz bestimmten
Geburtsdatum, die Vergebung meiner Sünden noch nicht empfangen
" (S. 264). Die Frage nach dem „Wie" der Rettung des
Menschen durch Gott ist noch nicht ganz beantwortet. Zur Antwort
mit hinzu gehört: Der in jenem Geschehen ergangene Freispruch
muß mir so zugesprochen werden, daß „ich jetzt — jetzt
erst — für meine Person konkret von ihm betroffen bin" (S. 265).
Zum „Wie" der Rettung gehören nach Brunner darum die vier
Grundgestalten des Evangeliums: das mündliche Wort der Verkündigung
, die Taufe, die Absolution und das Abendmahl hinzu
(S. 265). Unter diesem „apostolischen Sendungsbefehl des Herrn"
(S. 271) steht die ganze Kirche, alle Glieder der Kirche haben
nach Maßgabe ihrer Gaben und ihrer Pflichten an dem Predigtamt
teil. „Das hebt aber nidit auf, daß die Kirche einzelne als Träger
des Predigtamtes auswählen, berufen, bevollmächtigen und aussenden
muß, wenn sie dem apostolischen Sendungsbefehl des
Herrn, der über ihr liegt bis zum jüngsten Tag, gerecht werden
will" (S. 271). Das entspricht der Auscrwählung und Aussendung
, die der Auferstandene ebenfalls mit einzelnen vorgenommen
hat, und ist — so Brunners These — ein konstitutiver Bestandteil
der Heilsgeschichte, d. h. der Veranstaltungen, die Gott
getroffen hat zur Erlösung der Menschen aus dem Todesverhängnis
, es geschieht darum de jure divino (S. 272). Von seinem
dogmatischen Ansatz aus äußert sich B. auch über den apostolischen
Charakter des Amtes (Einordnung in die Kette der Zeugen
) und über den Sinn der Ordination und Visitation
(S. 273 ff.).

Um die Mannigfaltigkeit der weiter behandelten Themen wenigstens
anzudeuten, seien die übrigen Arbeiten zum Schluß noch kurz
genannt:

Leipoldt Johannes, Der Homcrdetiter Hcraklcitos.
Lauch Erhard, Nichts gegen Tisdicndorf.

Herz Johannes, Die Gleichnisse der Evangelien Matthäus, Markus

und Lukas in ihrer geschichtlidien Überlieferung und ihrem

religiös-sittlichen Inhalt.
Tiilila Osmo, Über den pietistischen Sündenbegriff.
Echternach Helmut, Zum Problem des Tertius usus legis.
Wicsncr Kurt, Zur Psychologie der Sektenbildung.
Nygrcn Anders, Die Gegenwart Jesu Christi in Wort und Sakrament.
Stählin Wilhelm, Über die lutherische „Spendeformel".
Rendtorff Heinrich f, Auferstehung des Fleisches.
Kinder Ernst, Luthers Auffassung von der Ehe.
Fuchs Emil, Zu Römer XII und XIII. Fragen des Religionssoziologen

an die Exegcten, Theologen und Kirchen.
Wagner Heinz, Seelsorge an Kindern und Katecheten.
Haufe Friedrich, Sprache als meditative Hilfe im Katechumenat der

Kirche.

Zum Ganzen kann gesagt werden: Eine inhaltsreiche Aufsatzsammlung
, die jedem Leser — auch wenn er nicht allem in der
Sache zustimmen sollte — viele Anregungen vermitteln kann.

NcucndcttelsDu Wilhelm Andersen

[Alleman, H. C.:] Biblical Studies in Memory of H. C. Alleman.

, Ed. by J. M. M y e r s, O. Reimherr u. H. N. B r e a m. Locust
Valley/N.Y.: J. J. Augustin 1960. VIII, 224 S., 1 Porträt, gr. 8° =
Gettysburg Theological Studies. Lw. $ 6—.

Der Mann, für den — 7 Jahre nach seinem Tode — diese
Gedächtnisschrift herausgebracht worden ist, hat mehr als zehn
Generationen von Studenten im Theologischen Seminar zu
Gettysburg in die Heilige Schrift eingeführt, und zwar als ein
Lehrer, von dem S. 1 gesagt werden kann „not so much
teaching a subject as teaching men", was die große Verehrung
und Beliebtheit verstehen läßt, die ihm zuteil geworden ist und
die sich ja auch in diesem Buch niedergeschlagen hat. Er muß die
Fähigkeit gehabt haben, den Gegenstand, den er behandelte, so
zu interpretieren, daß er in Predigt und Lehre umsetzbar war. Als
ein Beispiel dafür wird eine Psalmenauslegung von seiner eigenen
Hand (S. 4—62) den übrigen Beiträgen vorangestellt. Schon der
Titel „Devotional studies based on psalms" läßt erkennen, was
diese Darbietung will: jeweils den Skopus herausfinden und in
seiner Anwendbarkeit darstellen. So wird Ps. 91 ein „oratorio of
security" genannt; Ps. 104 zeigt Gott als „den guten Haushalter
", Ps. 87 ,,a world family of nations".

Den ersten (und einzigen nicht-englischen) der eigentlichen
Beiträge hat Joh. Hempel, der vor Jahren einmal Gast in
Gettysburg war, geliefert: „Die Faktizität der Geschichte im
biblischen Denken". Es ist eine geistvolle Darlegung der Fakten,
die den biblischen Erzähler beschäftigt haben und zu denen das
Versagen der Menschen, aber auch das „Versagen" Gottes gehört,
und dann die „gottgewirkte Wende" als Gegenstück dazu und
das „Wort" als Faktum, was bis hin zu der Grundstruktur der
hebräischen Sprache (das „Perfekt"!) verfolgt wird. Der zweite
Aufsatz, von G. E. Mendenhall, geht ebenfalls in die geistesgeschichtliche
Phänomenologie des AT: „The relation of the indi-
vidual to political society in ancient Israel". Hier wird die Bedeutung
des Individuums in seinem Zusammenhang sowohl mit
der kleineren Gruppe wie mit der größeren, übergeordneten, dem
Staate, gesehen, mit dem sich „das Individuum im Orient nie
identifiziert" habe (97), und in seiner theologischen Bestimmtheit
aufgezeigt. Dabei wird eindrucksvoll die Stellung der charismatischen
Führer erörtert; diese Linie geht von den Richtern zu
den Propheten- ja, zu den Pharisäern und endlich zu Jesus und
den Aposteln. Noch mehr greift in die theologischen Tatbestände
der Aufsatz von H. S. G e h m a n „Natural law and the OT".
Die Vokabel lex naturae findet sich im AT nicht, die Sache aber
immer wieder, von der Urgeschichte an zum Dekalog und den
Propheten, und dann natürlich in der Weisheit und Hiob; „if this
were not in the Bible, we should call it natural law" (115).
Aber seinen besonderen Charakter erhält es eben durch die Einordnung
in die biblisch-theologischen Sachverhalte; „the law of
God as expressed in the OT includes natural law, but it also
transcends it" (122). Einem spezielleren Gegenstand wendet sich
H. L. Creagerzu: „The grace of God in Second Isaiah", dem
Buch mit der stärksten Bezeugung des Monotheismus im AT
(123). Der Aufsatz enthält nicht, wie man vermuten könnte, eine
philologisch oder begrifflich unterbaute Behandlung des Wortes
„Gnade", sondern sucht, unter der Überschrift vom gnädigen
Gott, den geistlichen Gehalt des deuterojesajanischen Buches zu
entfalten, im Blick auf das Ziel des Schöpfers: „Since he is the
God of all, he is the God for all" (135). Der Artikel von
E. E. F la c k „The coneept of grace in biblical thought" liefert
die begriffliche Untersuchung sozusagen nach, und zwar nun das
ganze AT betreffend, indem von den Worten hen und häsed ausgegangen
wird: „hen is an expression of favor and graciousness,
while hesed is persistent loyalty and fidelity" (143). Weiter wird
deutlich gemacht, daß LXX für hesed tvUoc bevorzugt, was aber
das Moment der „stedfastness" nicht enthält. Paulus folgt darum
nicht der LXX, sondern gebraucht, im Unterschied zu den Synoptikern
, das Wort %ngi<;, worin für ihn das Evangelium beschlossen
liegt; außerdem benutzt er den Begriff der dtxmoovvt]
rov fteov, um „the unity of judgment and grace", ja, „God's free
act of grace" klarzumachen (149). Dem Verhältnis von MT und
LXX zueinander gilt der interessante Aufsatz von CT. F r i t s c h
„The coneept of God in the Greek translation of Isaiah". Die
Unterschiede liegen hier nicht in der Unfähigkeit der Uberset-