Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1962 Nr. 3

Spalte:

195-197

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Bekenntnis zur Kirche 1962

Rezensent:

Andersen, Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

195

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 3

196

und Aussprache dieser Offenbarung andererseits. Die Offenbarung
des inspirierten Kanons „geschieht einfach dadurch, daß
die betreffende Schrift als echter Wescnsvollzug der Urkirche entsteht
" (35). Erst später wurde dann satzhaft ausgesprochen,
welche Schriften kanonisch sind, welche nicht. Ein Vergleich mit
der Kählerschen These vom Kanon als der Urkunde der kirchengründenden
Predigt wäre lohnend. — R. Schnackenburg erkennt
richtig, daß die Aufforderung Jesu an den reichen Jüngling, seinen
Besitz hinzugeben, nicht als bloßer Rat verstanden werden
kann, will aber dann doch die katholische Unterscheidung zwischen
Geboten und Räten aufrecht erhalten. Hier ist wohl doch
der reformatorische Einwand nicht ernst genug genommen. —
M. D. Koster wendet sich entschieden gegen den Satz „Nunquam
satis de Maria", vielmehr müsse es heißen: ,,Nunc-jam satis de
Maria sine ratione sufficienti" (121). Der Titel Corredemptrix
kommt Maria nicht zu, „weil dieser Name geschraubt und unwahr
ist . . . xmd zudem Christus in seiner ihm eigentümlichen
Erlöserfunktion Abbruch tut" (120). Ob sich solche Stimmen
gegenüber der marianischen Hochflut werden behaupten können?
— O. Semmelroth sieht gerade in den Mariendogmen den Beweis
dafür, daß wir in einem Zeitalter des Heiligen Geistes leben;
denn „nirgendwo läßt sich im ausdrücklich Geoffenbarten eine
Aussage angeben, aus der diese beiden Wahrheiten durch geistige
Analyse des Gesagten oder durch folgerndes Schließen überzeugend
gewonnen werden könnten" (150). Folglich muß hier
eine besondere Erleuchtung durch den Heiligen Geist wirksam
sein! Mit dieser Argumentation wird freilich aus der Not eine
Tugend gemacht und eine Schleuse für weitere unbiblische Dogmen
geöffnet. Je weiter sich das Lehramt von der Schrift entfernt
, um so mehr leben wir demnach in einem Zeitalter des
Heiligen Geistes. —

Druckfehler: S. 147 lies Hagiografo statt Pagiografo. — S. 172,
Z. 1 1. etwa st. ewa. — S. 195, Z. 24 1. Man st. Mann. — S. 3 53° 1.
separatas st. separata. — S. 363 die Zeilen 3 und 4 sind vertauscht. —
S. 150, Z. 23 1. folgerndes st. folgendes.

Halle/Saale Erdmann Schott

1 [S o m m e r I a t h, E.:] Bekenntnis zur Kirche. Festgabe für Ernst
Sommerlath zum 70. Geburtstag. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
[i960]. 403 S. gr. 8°. Kart. DM 24.-.

Der Titel der Festschrift „Bekenntnis zur Kirche" ist mit
Bedacht gewählt. Die beiden Herausgeber E.-H. Amberg und
U. Kühn sehen darin einen Hinweis „auf die Mitte der Lebensarbeit
des Jubilars, der seine Theologie stets als Dienst an der
lutherischen Kirche aufgefaßt hat" (s. Vorwort).

Die Beiträge unter dem Thema: „Systematische Theologie"
nehmen den breitesten Raum in der Sammlung ein, zusammen
mit den Arbeiten aus „der Kirchen-, Dogmen- und Theologiegeschichte
" sind es 25 Abhandlungen. Außerdem enthält die
Festgabe unter dem Sammelthema: „Bibelwissenschaft und Grenzgebiete
" fünf und unter „Praktischer Theologie" vier Aufsätze.
Es ist in einer kurzen Besprechung nicht möglich, alle Einzelbeiträge
zu skizzieren und zu würdigen. Wir beschränken uns
deshalb darauf, auf einige Arbeiten aus der Kirchen- und
Dogmengeschichte und der systematischen Theologie hinzuweisen
, — den Hauptarbeits- und Interessengebieten des Jubilars.
Aus dem ersten Abschnitt seien nur genannt die einzige alttesta-
mentliche Untersuchung von W. Tannert: „Zum Begriff ,thora'
bei Jeremia und Deuteroiesaja" (auch systematisch-theologisch
wichtig wegen der Herausarbeitung des Zusammenhanges: Bund-
Thora, Neuer Bund - die durch den Geist ins Herz geschriebene
Thora), und die eine der beiden neutestamentlichen Arbeiten,
die von E. Stauffer, „Historische Elemente im vierten Evangelium
" — (trotz der im Johannesevangelium wie nirgends sonst
sich (nach St.) häufenden qumranischen und gemeindetheologischen
Motive glaubt St. im Evangelium, das er auf den Apostel
oder seine Anregungen zurückführt, besonders zahlreiche historische
Elemente aufzeigen zu können, — u. a. geographische, zeitgeschichtliche
und juristische Notizen und vor allem chronologische
Angaben). Aus dem Gebiet der praktischen Theologie
möchten wir W. Schanze: „Freiheit und Bindung in der gottesdienstlichen
Gestaltung. Bemerkungen zum reformatorischen Neuansatz
der Gottesdienstordnung" und A. D. Müllers eigenwillige
Erwägungen über „Die Musik und die Trinität" besonders erwähnen
.

Die Untersuchungen aus der Kirchen-, Dogmen- und Theologiegeschichte
haben zum Teil unmittelbar persönliche Beziehung
zum Jubilar. N. Beste berichtet über „Das Lutherische Einigungswerk
[dessen langjähriger Präsident E. Sommerlath ist] und die
evangelisch-lutherische Kirche in Mecklenburg". Und die beiden
missionstheologischen Untersuchungen (V. Vajta: „Die Frage des
Bekenntnisses in der südindischen Kirche" und A. Lehmann:
„Die Bibel beim Werden und im Leben der Jüngeren Kirchen")
sind ein Hinweis auf die enge Verbindung des Jubilars mit der
Leipziger Mission. Beide nehmen Anliegen auf, die für Sommerlath
gleichermaßen charakteristisch sind: Die Bibel ist die Grundlage
und der allein gültige Maßstab für alle Arbeit der Kirche.
Aber das Ja zur Schrift darf nicht im Sinne eines konfessionslosen
bzw. in bekenntnismäßiger Hinsicht gleichgültigen Bibli-
zismus gemeint sein. Deshalb ist das rechte Bekenntnis ein
integrierender Bestandteil der Existenz und des Wesens der
Kirche und Einheit im Bekennen und Bekenntnis die Voraussetzung
für Kircheneinheit. V. Vajta erörtert — wohl im Sinne
des Jubilars — die Fragen, vor die die lutherischen Kirchen und
die ganze Ökumene durch das Faktum der südindischen Kirche
gestellt sind. Sie werden in zunehmendem Maße dringend.
Vielleicht kann man Vajtas Position als ökumenisch verantwortliches
Luthertum charakterisieren, das sich weder in das
Ghetto eines selbstgerechten Konfessionalismus abdrängen, noch
in einer konfessionslosen „Ökumene" auflösen lassen möchte.
Drei Spezialuntersuchungen aus der Kirchen- und Theologiegeschichte
— alle direkt oder indirekt die lutherische Reformation
betreffend — wurden von F. Lau, E. Koch und M. Schmidt
beigesteuert (F. Lau: „Pere Reinoud und Luther. Bemerkungen zu
Reinhold Weijenborgs Lutherstudien" — W. ist Professor an der
Franziskaner-Universität in Rom und durch eine Reihe von
Lutherstudien z.T. fragwürdigen Inhalts hervorgetreten; E.Koch:
„Michael Neander (1 525—1595) als Theologe. Zur Vorgeschichte
der Konkordienformel" — Neanders Lehre von Gesetz und Evangelium
, speziell seine Lehre vom Gesetz wird eingehend erörtert;
M. Schmidt: „Die spiritualistische Kritik Christian Hoburgs an
der lutherischen Abendmahlslehre und ihre orthodoxe Abwehr").
Schließlich wäre aus dieser Thematik noch S. Wagner: „Albrecht
Ritsehl und der Essenismus" zu nennen. Verf. gibt — im Blick
auf die seit den Handschriftenfunden am Toten Meer (ab 1947)
einsetzende neue Epoche der Essenerforschung — einen Bericht
über das vorhergehende Essenerverständnis und die Bedeutung,
die A. Ritsehl dafür gehabt hat.

Die Themen aus der Systematik sind sehr mannigfaltig. Sie
umspannen das Ganze des christlichen Glaubens. G. Noth eröffnet
den Reigen mit einer kritischen Randbemerkung zur Schrift
„Credo Ecclesiam" (herausgegeben von der Evangelischen
Michaelsbruderschaft): „Lex orandi — lex credendi". Dieser
Grundsatz „ist auf keinen Fall eine einfache Gleichung und darf
auf keinen Fall nur in einer Richtung gelesen werden" (S. 179).
„Zum Problem der Schriftautorität" äußert sich E.-H. Amberg,
während I. Ludolphy und G. Voigt über den Schöpfungsglauben
schreiben. L. fragt nach dem Verhältnis von Schöpfungsglaube
und Entwicklungslehre und gibt einen Einblick in die seit etwa
drei Jahren sehr heftig, besonders in Ostdeutschland geführte
Diskussion (Jacob/Flügge). V. konfrontiert den Schöpfungsglauben
mit dem Erlösungsglauben und warnt — hinweisend auf den
trinitarischen Charakter rechter christlicher Theologie — vor
jeder einseitigen Akzentuierung. Die ökumenische und kontroverstheologische
Fragestellung nehmen E. Schlink („Die Chri6to-
Iogie von Chalcedon im ökumenischen Gespräch") und U. Kühn
(„Zum Gespräch mit der römisch-katholischen Theologie über
die Rechtfertigungslehre") auf.

Zum Thema: „Geistliches Amt" enthält die Festschrift
— auch hier wieder einem Anliegen des Jubilars Rechnung tragend
— nicht weniger als vier Beiträge. J. Heubach: „Das Verständnis
des Schlüssclamtes bei Löhe, Kliefoth und Vilmar";
P. Brunner: „Das Heil und das Amt. Elemente einer dogmatischen
Lehre vom Predigt- und Hirtenamt"; A. Köberle: „Amt und
Person"; A. Kimme: „Ist die bischöfliche Sukzession unentbehr-