Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1962 Nr. 3

Spalte:

193-195

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Theologisches Jahrbuch ; 1961 1962

Rezensent:

Schott, Erdmann

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

193

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 3

194

Prinzipien gearbeitet wurde, der winterliche Geburtstermin und das
entsprechende Fest hierzu wurden indessen erst dann entwickelt, al6 der
alte Kalcndergeist an Bedeutsamkeit verloren hatte. Die Herausbildung
des Festkalenders der Kirche, in dem das Ceburt6fest teils auf den
25. Dez. (vom 25. März her), teils auf den 6. Jan. (vom 7. April her),
gelegt wurde, setzt einen grundlegenden inneren Strukturwandel voraus
, def auf die Jahrzehnte 180 bis 250 anzusetzen ist. Es ist derselbe
Zeitraum, in dem sich das Sonntagsostern durchzusetzen beginnt und in
dem eine neue weltchronologisdie Orientierung vorgenommen wurde.
Hing vorher alles an dem Todestermin, der dem 6000. Jahr, dem Telos
dieser Welt, gleichgesetzt wurde, so entschloß man sich jetzt, die Geschichte
der Kirche nach vorne aufzuschließen, indem man die Geburt
Christi auf das 5500. Jahr datierte. Das theologische Schwergewicht
verlagerte sich von der Erwartung der zweiten Parusie auf die erfahrbare
soteriologischc Bedeutsamkeit der ersten, somit zugleich auch auf
das Zentraldatum der Geburt. Natürlicherweise setzte die Entwicklung
dort zuerst ein, wo die Hochspannung der Naherwartung am wenigsten
mehr gegeben war, eben bei den gnostischen Gruppen. Dessen ungeachtet
können die spätere Inkarnationstheologie und Geschichtsdeutung
der Kirche mit deren Konzeption selbstverständlich nicht auf eine Ebene
gestellt werden.

Aus dieser Schau folgert sich, daß wir in den heidnischen
Festen nicht den primären Anstoß zur Feier des Geburtsfestes
Christi sehen können. Offensichtlich bemühte man sich schon früh
in der Kirche selbst um die wichtigsten Daten der Chronologie
des Lebens Jesu. Für die Ausgestaltung eines christlichen Geburts-
festes ist indessen das antithetische Moment als Faktor sehr
wohl in Rechnung zu stellen. Vielleicht — und hier geben wir
W. Hartke recht — macht es überhaupt erst einsichtig, warum man
vom Datumsgedenken zur Jahresfeier fortschritt.

f) Die älteste Geschichte des Weihnachtsfestes.

W. Hartke verfolgt von Hippolyt ausgehend über den nova-
tianischen Computus von 243 die Geschichte des Weihnachtsfestes
vom 25. Dez. weiter (S. 75—102), und zwar konsequent im Sinne
des einmal eingeschlagenen Weges. Der Traktat De solstitiis, in
dem die Jahrpunkt-Spekulation auf die Spitze getrieben ist, wird
gleichfalls einem novatinnischen Verfasser zugeschrieben. Er entstamme
überdies der Zeit ,der akuten Auseinandersetzung mit
dem Kulte des Sol', also etwa der Regierungsperiode Aurelians.
In ihm wird (u.E. aber erstmals!) die Empfängnis auf den 25. März
und die Geburt auf den 25. Dez. datiert.

Die zeitliche Einordnung der Schrift bereitet bekanntlich
einige Mühe. Daß das 3./4. Jhdt. allein hierfür in Frage kommen,
dürfte feststehen. Darf man dann aber soweit zurückgehen, wie
W. Hartke es anstrebt? Die im Traktat zu besonderer Geltung
erhobene Spekulation um das Leben des Täufers (Empfängnis =
Herbstäquinoktium; Geburt = Sommersolstitium) gibt doch zu
denken, denn sie begegnet später erst wieder bei Chrysostomus
und im Briefwechsel zwischen Cyrill von Jcr. und Papst Julius von
Rom, also um 350 und darnach'11.

Dennoch ist für W. Hartke, der sich nun einmal auf die
schismatisch-oppositionelle Weihnachtsfesttradition festgelegt hat,
alles ziemlich klar. Schließlich dürfte der 25. Dez. auch schon vor
312 bei den Donatisten gefeiert worden sein, was mit Lietzmann
aus der bekannten Predigtbemerkung Augustins (Sermo 202, 2)
gefolgert wird. W. Hartke kann darauf hinweisen, daß diese
Kirche im gewissen Sinn das Erbe der rigoristischen oppositionel-

M) Vgl. H. Engberding O. S. B., a. a. O. S. 27 f.

len Novatianer antrat und fortführte. Deren Kalendergut sieht et
endlich auch im Chronographen von 354 gegeben. Der 29. Juni
und 22. Febr. der Depositio martirum werden als Protestfeiern der
Novatianer gegen den heidnischen Romulus-Quirinus-Kult zu
erweisen gesucht. Da dessen Aktualität besonders für 258 n. Chr.,
dem Jahr der Milleniumsfeier der Stadt Rom, gesichert ist, ergeben
sich für Hartke weitreichende Schlußfolgerungen bezüglich
eines .novatianischen Grundstocks' der Depositio (S. 85—95).
Vor allem Bischof Damasus, der ,von der Masse' gewählt war
(S. 96) und eine Unionspolitik betrieb, um die Novatianer für
die Kirche zu gewinnen, hätte später zur Verbreitung des 25. Dez.
aus taktischen Gründen beigetragen. ,Der sture Epiphanios ging
aber nur widerwillig und halbwegs mit' (S. 97). Er — der nun
einmal als Vertreter des Ostens am 6. Jan. hing — versuchte vielmehr
, den 25. Dez. als Festtag der Götzenanbeter in Mißkredit zu
bringen. Er bediente sich dabei .verzweifelter Rechenkünste'. Daß
schließlich doch der 25. Dez. im Osten in der 2. Hälfte des 4. Jhs.
heimisch wurde, führt Hartke wiederum auf ,die im Proletariat
verwurzelten Novatianer zurück', die auch vor allem im Osten
.Träger der Propaganda des Weihnachtsfestes' gewesen seien.

•Das von den Novatianern gepflegte Fest der Geburt des Gottessohnes
in einem Stalle ist ein Ausdruck der Hoffnung der „Niedrigen''
auf das von den Engeln verheißene Heil für Gott wohlgefällige Menschen
geworden, aber auch des Protestes gegen die Unterdrücker, zumal
gegen den Kaiser und die schon reich gewordene christliche Hierarchie'
(S. 99).

Die an neuen Gesichtspunkten wahrlich nicht arme Schrift
schließt mit einer spontanen Sympathiekundgebung für diese
christliche Schismatikerkirche (S. 102), die sich als .Bekennende
Kirche des Altertums' erweist und deren Bedeutung nicht unterschätzt
werden sollte. Eine .plutokratisdh' gewordene Hierarchie
habe sie zur Illegalität verurteilt. Ihr Vermächtnis für die Gegenwart
laute: (S. 102):

„Über dem Weihnachtsfest sollte das Wort 6eines Mitbegründers
Novatianus stehen, der seinen Protest gegen die damals entartete
Papstkirche mit dem Schisma und den Protest gegen die kaiserliche
Religionspolitik mit dem Märtyrertod bekräftigt (für A. v. Harnack ist
das mindestens zweifelhaft) und immer zu der arbeitenden und ausgebeuteten
Masse der Sklaven und Armen gehalten hat: ,Wer einmal
in Christus freigelassen ist. duldet nicht tyrannische Knechtschaft, denn
nichts kann fürchten christliche Freiheit'."

So versöhnlich und programmatisch dieser Ausgang der gelehrten
Untersuchung gehalten ist, der wir zugute halten wollen,
daß sie eigenen Bedingungen entstammt, ihre Grundkonzeption
können wir uns nicht aneignen. Es geht nicht an, die Entstehungsgeschichte
der beiden Geburtsfeste der alten Kirche, des 25. Dez.
und 6. Jan., auf proletarische Novatianer und plutokratische Groß-
kirchler aufzuteilen. Religiöser Rigorismus — oder sagen wir Entschiedenheit
und Bekenntnisfreudigkeit — waren Gott sei Dank
noch nie das Vorrecht eines besonderen sozialen Standes. Nicht
die soziale Schichtung gewisser kirchlicher Gruppen und Strömungen
, von der wir wissen, daß sie sehr komplex war, sollte
also für die Erfassung der Ursprünge des Weihnachtsfestes befragt
werden, sondern die jeweilige (weniger oder stärker) judenchristliche
Kalendertradition der einzelnen christlichen Kirchengebiete.
Das Gewirr und die Logik der mannigfachen in Umlauf befindlichen
Komputationen prädisponierte in verschiedenem Maße für
die später — sicher im Gegenüber zum Heidentum — zu Festen erhobenen
kalendarischen Primär- und Sekundärdaten der Chronologie
des Lebens Jesu.

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

Theologisches Jahrbuch 1961, hrsg. v. Albert Dänhardt. Leipzig
: St. Benno-Verlag 1961. 419 S. gr. 8°. Lw. DM 10.—.

Das von A. Dänhardt herausgegebene Theologische Jahrbuch
erscheint 1961 bereits zum vierten Mal. Es enthält diesmal 25
Aufsätze von 24 Autoren. Während alttestamentliche Themen
fehlen, werden neutestamentliche Fragen in vier Beiträgen behandelt
. Außerdem sind folgende Gebiete berücksichtigt: Dog-
£«ik, Patristik, Moraltheologic, Aszetik, Liturgik, Kanonistik,
Klrchcn- und Dogmengeschichte, ökumenik. Nur einiges kann
aus der Fülle des Gebotenen hier hervorgehoben werden.

K. Rahner kommt in einer Untersuchung „Über die Schriftinspiration
" auf die Frage, wie man sich die Offenbarung des
Dogmas von der Schriftinspiration denken soll. Die Schwierigkeit
liegt darin, daß die Offenbarung mit dem Tode des letzten
Apostels abgeschlossen war, der (inspirierte) Kanon aber erst im
zweiten Jahrhundert annähernd, abschließend sogar sehr viel später
, festgestellt wurde. Wenn die Apostel bereits den Kanon festlegten
, ist das nachherige lange Schwanken schwer erklärbar;
wenn nicht, ist die These von der Abgeschlossenheit der Offenbarung
in Frage gestellt. Den Ausweg sieht Rahner in der Unterscheidung
zwischen der grundsätzlichen Offenbarung als solcher
(als Vorgang) einerseits und der satzhaften, reflexen Erfassung