Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1961 Nr. 2

Spalte:

138-139

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Blanke, Fritz

Titel/Untertitel:

Johann Georg Hamann Sokratische Denkwürdigkeiten 1961

Rezensent:

Koepp, Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

137

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 2

138

und er dann einer Zukunft von Arbeitslosigkeit entgegensieht,
auf Jahre hinaus" (S. 96).

Eine der Methoden, die Nachteile der Zersplitterung zu
überwinden, ist der Zusammenschluß der kleineren Gruppen zu
größeren Verbänden. Die drei großen Gruppen, in denen sich das
Luthertum zusammenfindet, sind 1) die „liberale" Gruppe — United
Lutheran Church of America, 2) die Mittelgruppe — American
Lutheran Church, und 3) die „strenge" Gruppe — The Lutheran
Church — Missouri Synod (S. 26). Gruppe 1 und 2 streben
derzeit eine organisatorische Einigung an.

Unsere besondere Aufmerksamkeit verdient die Beschreibung
der liturgischen und hochkirchlichen Bewegung. Saybolds
Beschreibung der Herbst-Retraite in Brooklyn 1956 (S. 70 ff.)
verdient sorgsamste Würdigung im Zusammenhang mit anderen
ähnlichen Bewegungen in Europa. Was Saybold über das
„Minderwertigkeitsgefühl vieler hochkirchlicher Lutheraner gegenüber
den Episkopalen (Anglikaner)" sagt, ist gut beobachtet.
Emmy Anders unterstreicht diese Gedanken auf Grund persönlichen
Erlebens in der Protestant Episcopal Church.

Ein anderes schwieriges Kapitel im Leben amerikanischer
Kirchen behandeln mit Geschick und wohl abgewogen Berthold
von Schenk und Erika Stoevesandt: Erziehung und Religionsunterricht
. Es wird hier viel experimentiert, und die Entwicklung
in den letzten Jahren war erfreulich. Ein günstiges Bild von der
kirchenmusikalischen Erneuerung im amerikanischen Luthertum
wird von Walter E. Buszin entworfen.

Eberhard Amelung weist im Schlußaufsatz auf tiefe Erschütterungen
im amerikanischen Leben hin, die sicherlich zu
neuen noch unvorsehbaren Entwicklungen fuhren werden: die
Schwierigkeit, die Desegregation - Frage innerhalb des
Rahmens von Ordnung und Toleranz zu lösen, und Bedrohung
amerikanischer Alleinherrschaft im Reiche der Technik. Beide
berühren die Kirchen aufs tiefste. Und hoffentlich nicht in einer
Weise wie der Bürgerkrieg, der zu Spaltung und innerem Zerfall
führte.

New York Marianne B e t h

Bartz, Wilhelm: Das Abendmahl in Leben und Lehre bekannter
Sekten.

Liturgie und Mönditum Heft XXVI, S. 126—134.

B a u m a n n, Richard: Der Plan Gottes? Eine Konzeption für die Wiedervereinigung
der katholischen und evangelischen Christenheit in evangelischer
Sicht.

Theologie und Glaube 50, 1960 S. 262—279.
Behrends, Ernst: Diasporaprobleme der Mennoniten in Südamerika.

Die evangelische Diaspora 31, 1960 S. 27—50.
Chrysostomus, Johannes: Russisches Mönditum und Staatskirche.

Erbe und Auftrag 36, 1960 S. 360—364.

Grünewald, H.: „Erneuerung" als Antwort auf die Frage nach der
Einheit?

Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts 11, 1960 S. 87—91.
Guggisberg, Kurt: Zum Gespräch zwischen den Konfessionen.

Freies Christentum 12, 1960 S. 46—48.
1 s s 1 e r, Erwin: Querschnitt durch den europäischen Katholizismus.

Deutsches Pfarrerblatt 60, 1960 S. 441—445.

Klaus, Bernhard: Die Eucharistische Bewegung im Lichte des Evangeliums
.

Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts 11, 1960 S. 41—51.
Kopp, Bernhard: Die Arbeiterpriester.

Die Zeichen der Zeit 14, 1960 S. 264—270.
K r o n h o 1 z, Thomas: Das geheime Bekenntnis.

Deutsches Pfarrerblatt 60, 1960 S. 313—317.

Rose, Karl: Eine vernachlässigte Frage: Die Heidenmission der Russischen
Orthodoxen Kirche.
Die Zeichen der Zeit 14, 1960 S. 373—377.

S p u I e r, Bertold: Die orthodoxen Kirchen. XLII.

Internationale Kirchliche Zeitschrift 75, 1960 S. 1 58—183.

Steck, Karl Gerhard: Zur katholisch-protestantischen Kontroverse.
Evangelisohe Theologie 20, 1960 S. 337—363.

LITERATURGESCHICHTE
UND CHRISTLICHE DICHTUNG

[Hamann, J. G.:] Johann Georg Hamanns Hauptschriften erklärt von
F. Blanke, E. Büchsei, K. Gründer, O. Marquard, W. Oelmüller, E. J.
Schoonhoven, L. Schreiner, M. Seils, hrsg. v. Fritz Blanke und
Karlfried Gründer. Bd. 2: Sokratische Denkwürdigkeiten, erklärt
v. F. Blanke. Gütersloh: Mohn 1959. 191 S. gr. 8° Lw. DM 23.—.

Dieser Band des bereits von mir für Band 1 und 7 angezeigten
Kommentarwerkes (ThLZ 1957, Sp. 781 ff.) stammt vom
Hauptherausgeber. Er kommt dem gesetzlichen Ideal nahe. Diese
Sokratischen Denkwürdigkeiten sind ja die für eine kritischpopuläre
Herausgabe geeignetste Schrift H.s. Wenngleich er selbst
sie in seinem Alter nicht mehr in allem verstanden hat, ist die
Allgemeinverständlichkeit des Kommentars in der Paraphrase
meist bewundernswert. Überall ist die „missionarische" (keryg-
matische) Geheimabzielung des Ganzen mit Kraft herausgearbeitet
. Die wissenschaftlichen Grundlagen sind exakt. Bei dem beibehaltenen
Nadlertext sind alle Abweidlungen von der Urausgabe
in Anmerkungen notiert, so daß auch hier alles in Ordnung ist.

Es mag infolgedessen zur Ehrung dieses Bandes noch in
einigen Punkten eine Sachdebatte begonnen sein.

Erstlich zur Typologie Hamanns. Blanke notiert einmal,
daß Paulus bei H. in rückwärtiger Richtung auf Sokrates zurück
weissage (S. 147 m). Das scheint mir auch bei der Typologie möglich
; auch sie weist nicht nur „auf einen erst in der Zukunft geschehenden
Vorgang" hin (S. 14). Sie meint immer etwas, was
immerwährend bei Gott geschah, geschieht und geschehen
wird. Die Öffnung der Augen der Jünger von Emmaus ist
ein Typus, wie Gott sich schon zur Blindheit des Adam heruntergelassen
hat (Na I, 19/7—20). Im Grunde gibt es für H. nur den
Urtypus des einen ewigen gleichen unbegreiflichen Handelns
Gottes, nämlich seiner wunderbaren ewigen Herablassung zur
Welt bis in die letzten Tiefen der Sünde nach allen drei Artikeln.
„Der Geist der Prophezeiung ist das Zeugnis Jesu" (I, 39/5; vgl.
40/36 ff.); „die Schöpfung selbst" ist ein „Vorbild der ewigen
Schöpfung" (I, 67/22). Zumeist natürlich wirkt die Typologie in
die Zukunft hinein, indem „einzelne Begebenheiten sowohl prophetisch
als moralisch ... als Vorbilder künftiger Handlungen
und Lehren seines allgemeinen Willens" wirken (I, 3 3/15 ff.).

Zweitens zum Sinn der Behandlung der Möglichkeit einer
„Geschichte der Philosophie" in der „Einleitung".
Ich würde noch weiter gehen als es heute und auch im Kommentar
geschieht und von einer ganz radikalen Ablehnung solcher Möglichkeit
reden. Es muß überhaupt unsere „Historie Mythologie
werden" (II, 62/13; vgl. 62/18; 65/lO f.)f Die „philosophische
Geschichte" (= Philosophiegeschichte) ist in dem Tempel der
Gelehrsamkeit ein Götze (II, 62/20)! Die ganze Historie ist „ein
Rätsel, das sich nicht auflösen läßt..." (65/12). Dies sind die
wegweisenden Thesen zu Beginn und am Ende. Die ganze Einleitung
ist demgemäß eine einzige Ironie über die Bemühungen der
Vernunft, eine „Historie" — auch der Philosophie — zu schreiben,
womöglich an Hand der Bibel, (jede heutige Anstrengung, etwas
derartiges bei H. finden und als H.s „Geschichtsphilosophie" ernst
nehmen zu wollen, scheitert sofort schon hieran!). Unverkennbar
führt übrigens auch H.s typologische Methode auf Mythologie
und nicht auf Geschichtsphilosophie (offenbar rubriziert er
auch die Grundglaubensgedanken des Christentums unter diesen
Titel der Mythologie als einer höheren Wirklichkeit; es ist in
der Thesis eine völlige Vorwegnahme der blühendsten Hochromantik
!). Die „Biblischen Betrachtungen" des Londoner H.
praktizieren auch eben genau dies und nichts anderes. Ihr Beginn
kennt keinerlei Geschichte als Zusammenhang und keine Philosophie
darüber (I, ll/6ff.); es sind da immer nur einzelne „Erzählungen
" (I, 11/34 f.; 14/7; 17/17), einzelne „Geschichten"
(I, 18/11), die „prophetische Wahrheiten" 6ind (I, 28/37; 32/14),
„viele einzelne Begebenheiten" (I, 33/15 etc.). Je radikaler dies
alles gesehen wird, desto mehr tritt auch die eine reine Ironie als
Grundzug der ganzen Einleitung hervor; die schwierigen Stellen
in der Paraphrase verschwinden. Die tote Statue der zünftigen
Historie wollte Peter der Große (II, 62/5) aus ihrer Leblosigkeit
mit Recht zu lebendiger Wirklichkeit erwecken, in lebenswarme