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Ausgabe:

1961

Spalte:

81-94

Autor/Hrsg.:

Hertzsch, Erich

Titel/Untertitel:

Exercitia spiritualia in der evangelischen Kirche 1961

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Portatefdinft für Das gefamte ©einet öer CJjeologie unö KeligfonisäJtffenfdjaft

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
HERAUSGEBER: PROFESSOR D.ERNST SOMMERLATH, LEIPZIG

NUMMER 2 86. JAHRGANG FEBRUAR 1961

Spalte

Exercitia spiritualia in der evangelischen
Kirche. Von Erich Hertzsch......81

Der gegenwärtige Stand der Erforschung
der in Palästina neu gefundenen hebräischen
Handschriften.

44. Die Rechtsstellung der Qumran-

Gemeinde. Von Hans Bardtke. . . . 93

Armbruster, L.: Objekt und Transzendenz
bei Jaspers (W. Lohff)........... 139

Arnim, H. v.: Das Disziplinargesetz der Evangelischen
Kirchein Deutschland (H. Brunotte) 147

Baden, H. J.: Neugier und Olaube (U.Mann) 143
Barnikol, E : Das Leben Jesu der Heilsgeschichte
(W. Grundmann)........ 120

Blanke, F., s. Hamann, J. G......... 133

Bratsiotis, P. [Hrsg.]: Die orthodoxe Kirche

in griechischer Sicht. !. u. II. (B. Spuler). . 134

Frings. H. J.: Medizin und Arzt bei den
griechischen Kirchenvätern bis Chrysostomos
(C Schneider)............... 124

O a b r i e 1 i, F. [Hrsg ]: L'Antica Societä Beduina
(O. Eißleldt)................ 111

Glasenapp, H. v.: Buddhismus und Gottesidee
(P. Horsch)................. 109

Spalte

Goudoever, J. van: Biblical Calendars

(E. L. Ehrlich)............... 113

G rü nd er, K., s. Hamann, J. G........ 138

[Hamann, J. O.J: Johann Georg Hamanns
Hauptschriften, hrsg. v. F. Blanke u. K. Gründer
, Bd. 2: Sokratische Denkwürdigkeiten
(W. Koepp)................. 138

Harl, M : Origene et la fonetion revelatrice
du verbe incarne (A. Adam)........ 125

Hausenstein, W. t, s- Picard, M...... 105

H ei I er, F [Hrsg.]: Kirchliches Leben in U.S.A.
(M. Beth).................. 136

Heinemann, F. [Hrsg.]: Die Philosophie im
XX. Jahrhundert (J. Hessen)........ 141

Hollenbach, J M.: Der Mensch der Zukunft
(H.-R. Müller-Schwefe)........... 142

The Holy Land (H. Bardtke)........ 115

Huppenbauer, H. W.: Der Mensch zwischen
zwei Welten (M. Burrows)......... 118

Kinder, E.: Die Erbsünde (E.Schott) ... 144

Maurer, H.: Die Verwaltungsgerichtsbarkeit
der evangelischen Kirche (E. Ruppei).... 145

Meuthen, E.: Kirche und Heilsgeschichte bei
Oerhoh von Reichersberg (G. Haendler) . . 128

[Picard, M ]: Max Picard zum 70. Geburtstag,
hrsg v. W. Hausenstein t und B. Reifenberg
(H. E. Eisenhuth).............. 105

Spalte

Reifenberg, B., s. Picard, M.......105

Schmökel, H.: Hammurabi von Babylon

(O. Molin)................. 108

Schoeps, H.-J.: Was ist und was will die

Geistesgeschichte? (W. Zeller)....... 103

Sendung. Die, der Kirche in die Welt der

Völker (G. Rosenkranz)........... 149

Senft. Chr.: Wahrhaftigkeit und Wahrheit

(W. Schneemelcher)............. 131

Stempvoort, A. van: Decorum, Orde en Mon-

digheid in het Nieuwe Testament

(G. Sevenster)............... 123

Vicedom, G. F.: Das Abendmahl in den

jungen Kirchen (A. Lehmann)....... 150

Berichte nnd Mitteilungen:

Zweiter Internationaler Kongreß für Lutherforschung
(A. Köberle).......... 151

Von den Theologischen Fakultäten ■ • • 153

Zeitsdirif tenschau:

Mitropolia Ardealului (P. Ziehe)....... 155

Neue Bücher ................ 157

Exercitia spiritualia in der evangelischen Kirche

Von Erich Hertzsch, Jena

Otto Haendler zum 70. Geburtstage

Exercitia spiritualia, geistliche Übungen, standen bisher,
im Unterschied zur römischen Kirche, in der evangelischen Kirche
nicht hoch im Kurs. Sie galten den meisten evangelischen Theologen
als überflüssig, als verdächtig, als gefährlich, ja als schädlich
. Sie wurden zu unevangelischer Gesetzlichkeit und Werkgerechtigkeit
in engste Beziehung gebracht. Man konnte sich dabei
auf Luther berufen, der das tägliche Breviergebet der Mönche
und Priester als .unnützes Geschwätz', als ,Eselsarbeit', als ,Lohren
und Dohnen'1 abgetan und die evangelischen Pfarrer von dieser
Last befreit habe; der sich energisch gegen Wallfahrten und Prozessionen
, gegen Rosenkränze und Weihwasserbecken gewandt,
gegen Mönchsgelübde und Fastengebote gewehrt und die Kirche
von heidnischem Aberglauben und jüdischer Heuchelei, aber auch
von überflüssigem Tand und Menschenwerk gereinigt habe.

Geringschätzung, ja Ablehnung geistlicher Übungen (im weitesten
Sinne des Worts) gilt heute noch bei vielen als Merkmal

der evangelischen Kirche: Die römische Kirche schreibt ihren | nicht nur die römische Messe als ein .monstrum impictatis'* an-

nidits von der Wohnung unkirchlicher, unchristlicher Menschen zu
untersdieiden pflegt. Evangelische Christen fasten nicht und beichten
nicht; sie bekreuzigen sich nicht und knien nicht beim Gebet;
nur sehr wenige beten regelmäßig am Morgen, am Abend oder vor
dem Essen2. Auch die treuen Kirchgänger wissen zum großen Teil
mit der ganzen Liturgie wenig oder nichts anzufangen und kommen
nur um der Predigt willen; viele Pastoren denken nicht anders
; sie lehnen die liturgische Reformbewegung als .Liturgismus'
ab und können sich dabei auf Theologieprofessoren berufen, die
in ihren Büchern und Vorlesungen jede Gelegenheit benutzen, um
vor einer Überschätzung und Überbetonung der Liturgie zu
warnen: unsere Kirche sei eine Predigtkirche, keine Kultkirche;
schon Luther habe mit Recht betont: „Wo nicht Gottes Wort gepredigt
wird, ist's besser, daß man weder singe, noch lese, noch
zusammenkomme"'.

Die Reformatoren hatten triftige Gründe dafür, daß sie

Gläubigen strikte vor: „Du sollst an allen Sonn- und Feiertagen
die heilige Messe mit Andacht hören"; viele evangelische Christen
vertreten die These, daß regelmäßiger Kirchgang nicht nötig 6ei,
weil ,Kirchengehen nicht selig mache'. Die Katholiken suchen häufig
und zahlreich auch an Wochentagen ihre Kirchen auf, um dort

6ahen (weil in ihr au6 dem gnadenreichen Vermächtnis Christi
ein Werk des Menschen und ein Opfer an Gott, aus dem benefi-
cium Dei ein 6acriticium hominis gemacht worden sei), sondern
daß sie mit der römischen Messe auch viele Bräuche der katholischen
Volks fromm igkeit verwarfen und beseitigten. Friedrich

niederzuknien und zu beten; evangelische Kirchen sind in der Heiler5 und Johannes Leipoldt6 haben aus neuerer Zeit eine Fülle
Regel die ganze Woche hindurch verschlossen; und wenn neuerdings
hie und da, vor allem in Städten, einzelne Kirchen auch an
Wochentagen geöffnet sind, so werden sie fast nur von Fremden
besucht, die kommen, um die Kunstwerke einer vergangenen Zeit
zu besichtigen. Die Wohnung der Katholiken ist erkennbar am
Weihwas«erbedcen und am .Herrgottswinkel' mit dem Crucifix,
die der orthodoxen Christen an der .schönen Ecke' mit den Ikonen
, während sich die Wohnung evangelischer Christen durch

J) Eine Katechetin berichtet, daß unter 700 ihr anvertrauten Kindern
, Großstadt-, Vorstadt- und Dorfkindern, eines ( = 0,14%) ist,
das von zu Haus ein regelmäßiges Tischgebet kennt („Der Sonntag",
Wochenzeitung, Dresden, 1947, Nr. 35).
') WA 12, 35.
*) WA 6, 512 ff.

5) Der Katholizismus, seine Idee und seine Erscheinung. München
1923, S. 163 ff.

') Katholische Volksfrömmigkeit, Dresden/Leipzig, 1939; ELKZ

') WA 12, ?7; 30 I. 125. | lahrg. 1951, Nr. 1 ff.; Von Epidauros bis Lourdes, Leipzig, 1957.

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