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1961 Nr. 1

Kategorie:

Praktische Theologie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 1

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Wagenaar, Lützen Gerrit: Over een Amerikaanse Wijze van Pa-
storaat. Besdirijving en beoordeling van het pastoral counseling.
An American Way of Pastoral Care (with a Summary in English and
German). Acad. Proefschrift. 's-Gravenhage: Boekencentrum 1959.
158 S. 8°.

Seit einigen Jahrzehnten reißen in Europa die Klagen über
die mangelhafte 6eeIsorgerliche Betreuung der Gemeindeglieder
nicht ab. Bei den mannigfachen Anstrengungen, die bisher unternommen
wurden, um diesem Übelstand abzuhelfen, kam man zu
dem Ergebnis, daß es sich hier um eine Aufgabe handelt, die
keineswegs nur durch den Appell an den guten Willen der
Pfarrer oder der Gemeindeglieder allein gelöst werden kann.
Vor allem in den Großstädten mit ihren Mammutgemeinden
zeigte sich, daß eine Neuordnung der Seelsorge nicht nur
methodisch-organisatorische Maßnahmen erfordert, sondern zugleich
die Frage nach dem Inhalt der seelsorgerlichen Betreuung
stellt.

In dieser Situation schien es angebracht, den Blick nach
Nordamerika zu richten. L. G. Wagenaar unternimmt den Versuch
in seinem Buch, jenes Material kritisch zu sichten, das in
den Kirchen der USA unter dem Begriff „Pastoral Counseling"
zur Schulung von Pfarrern und Gemeindegliedern benutzt wird.
Er zeigt, daß dieser Zweig der kirchlichen Aktivität auf dem
Hintergrund der amerikanischen Kultur zu verstehen ist und
6ich darauf konzentriert, dem Menschen in seinen verschiedenen
Lebensproblemen zu helfen. Dem Pastoral Counseling geht es
um das richtige Verhältnis des Menschen zu Gott, zum Nächsten
und zu sich selber. Doch fragt sich, was damit eigentlich gemeint
ist. Jedenfalls sind die Mittel, die hierzu empfohlen
werden: den Anderen geduldig anhören, ihn zu verstehen suchen,
seine Person bejahen, mit ihm schwierige Stücke seines Lebensweges
gehen und ihm dennoch seine Freiheit lassen. Dabei
nimmt der kommunikative Aspekt einen größeren Raum ein als
der verbale Aspekt, und Gefühlsmomente werden oft wichtiger
genommen als der intellektuelle Gesprächsinhalt.

Hinter dieser Methode verbirgt sich eine bestimmte Art von
Psychologie und Theologie. Man geht davon aus, daß jeder
Mensch hinlängliche Fähigkeiten besitzt, um sein eigenes Leben
zu ordnen. Diese Fähigkeiten sind allerdings gehemmt. Sie
können jedoch reorganisiert werden. Theologisch werden die
im Menschen schlummernden Fähigkeiten als ein Werk der
Gnade Gottes betrachtet. Aus dem Prinzip des allgemeinen
Priestertums wird der Gedanke einer priesterlichen Fähigkeit
und der persönlichen Verantwortlichkeit abgeleitet. Jeder Mensch
muß dem Bösen in der Welt und in seiner eigenen Person ins
Auge sehen und darf dieses nicht verdrängen.

Während Wagenaar diese psychologischen Grundsätze weithin
bejaht, geht er mit der Imago-Dei-Lehre und jeder Identität
zwischen dem Glauben und den natürlichen Fähigkeiten
6charf ins Gericht. Zwar versteht auch er den Glauben als einen
dynamischen Prozeß, aber dieser Prozeß gründet sich nicht auf die
Fähigkeiten des Menschen, sondern auf den Dialog zwischen Gott
und den Menschen. Deshalb darf die Betonung der Liebe in keinem
Fall das „Zeugnis am Wort" zurücksetzen.

In den abschließenden Kapiteln plädiert Wagenaar dafür,
die Worte „Seelsorge" und „Geistliche Sorge" zu ersetzen
durch den Begriff „Pastorale Sorge". Er sieht in ihr primär
die individuelle Betreuung der Gemeindeglieder durch die
Verkündigung, das heilende Helfen und das begleitende
Dabeisein. Das Ermahnen wird grundsätzlich als legitim
bezeichnet, und eine Methode in der pastoralen Sorge als
notwendig herausgearbeitet. Wagenaar hält den amerikanischen
Weg des Pastoral Counseling für gut geeignet und regt an, nach
Mitteln und Wegen zu suchen, um da6 pastorale Training und
die Anwendung von Gesprächsmaterial in der Ausbildung von
Pfarrern und Gemeindegliedern 6tärker auszubauen.

Bekanntlich ist einer der wesentlichen Gründe für die
Stagnation der europäischen Kirchen die Tatsache, daß zwischen
der Universitätstheologie und den volksmissionarischen Praktikern
eine tiefe Kluft besteht. Zwar wächst in den letzten Jahrzehnten
die Erkenntnis, daß beide Teile notwendig sind; aber zu
einem wirklich fruchtbaren und einander kritisch ergänzenden
Zusammenspiel ist es — so weit ich sehe — fast nirgends gekommen
. Die Schrift von Wagenaar ist geeignet, bessere Voraussetzungen
für einen Brückenschlag zu schaffen. Leider wird ihre
Wirksamkeit durch die nicht immer ganz durchsichtige Zuordnung
von Psychologie und Theologie etwas eingeschränkt. In Anbetracht
der verbreiteten Unkenntnis des amerikanischen Trainingsmaterials
wäre es außerdem gut, wenn der Verfasser seine Studie
über das Pastoral Counseling durch eine Materialsammlung ergänzen
würde.

Kassel HansStorck

Bourbeck, Christine, u. Heinz -Dietrich Wendland: Diakonie
zwischen Kirche und Welt. Studien zur diakonischen Arbeit und Verantwortung
in unserer Zeit. Mit Beiträgen von O. Dibelius, H.-D.
Wendland, D. v. Oppen, Chr. Bourbeck, V. Herntrich f, O. Ohl,
O. Söhngen, F.Trost u. W. Stählin hrsg. Hamburg: Furche - Verlag
[1958]. 152 S. 8° = Studien zur evang. Sozialethik, hrsg. v. H.-D.
Wendland, Bd. III. Lw. DM 13.80.

Der Band vereinigt Beiträge zum einhundertjährigen Bestehen
des Johannesstiftes in Spandau, das Wichern 18 58 gründete.
Sein Grundtenor ist eine Standortbestimmung der Diakonie. Dazu
geben die einzelnen Autoren charakteristische Beiträge.

Otto Dibelius beschreibt, wie die Diakonie vor 100 Jahren
ihre Arbeit getrennt von der Kirche begonnen hat und in welchen
Schritten sie einander näher kamen, bis sie sich 1945 vereinigten
.

Heinz-Dietrich Wendland umschreibt den Begriff Diakonie.
Urgesetz der Kirche ist das Dienen; es geht um die Bruder- und
Nächstenliebe; sie realisiert sich in Ämtern und Institutionen;
heute ist die Stunde der gesellschaftlichen Diakonie. Diesem
letzteren gibt dann von Oppen den Akzent: „Der Ort der Kirche
ist zuerst bei den Grundlagen eines Zeitalters", lautet 6eine
These. Die Kirche ist also heute gefragt, wie sie dem Menschen
helfen will, Person in der Familie, in der gesellschaftlichen Situation
und dem anderen gegenüber zu sein. — Die Frage spitzt sich
für Ohl und Herntrich auf den Wohlfahrtsstaat zu. Jener beschreibt
, wie der Wohlfahrtsstaat mit durch die Herausforderung
der Kirche an den Staat entstanden ist. Er wurde im 19. Jahrhundert
von ihr nicht nur für das Recht, sondern auch für das
Wohl verantwortlich gemacht. Dieser sieht die Tendenz zur Perfektion
und setzt — gut lutherisch —: der Staat braucht die Kirche
mit einer lebendigen diakonischen Aktion als Gegenüber.

Am grundsätzlichsten redet Frau Bourbeck. Sie sieht in den
technischen Apparaten und der Konsumwirtschaft „Mächte", um
deren Unterstellung unter Gottes Regiment wir heute beten (wie
man früher um Gottes Herrschaft über die Naturmächte betete).
Askese und Durchbruch zur Menschlichkeit, die den Einzelnen als
Person nimmt, sind nur als Geschenk von Gott her und im Blick
auf die neue Welt zu realisieren. Hier kann denn auch Söhngens
Aufsatz sich einordnen, der Liturgie von der Epiphanie her definiert
und den Gläubigen vorbehält. Trost zeigt, wie in der Erziehung
sich die Sorge um den anderen verwirklicht. Wilhelm
Stählin schließlich bricht eine Lanze für die Wohltat der Stille,
für stille Häuser und stille Zeiten. Der Lärm ist eine Art von
Terror.

Der ganze Band ist nicht besonders stark. Neu sind höchstens
die Töne von Frau Bourbeck. Aber die Festgabe kann doch zeigen
, wie die Diakonie der Kirche sich in den 100 Jahren gewandelt
hat und daß sie jetzt zu ihrer Vollgestalt heranreifen kann
als gesellschaftliche Diakonie.

Hamburg Hans-Rudolf Müller-Schwefe

Bovet, Theodor: Lebenshilfe in der MisAehe.

Wege zum Menschen 12, 1960 S. 257—262.
Buri, Fritz: Gebot und Gebet. Ein Lesebuch zu den zehn Geboten und

zum Unser-Vater. Zollikon: Evang. Verlag [i960]. 123 S. 8°. Kart.

DM 6.80.

E u 1 e r, Karl Friedrich: Krankenhauspfarrer oder Krankenhausseelsorger?

Deutsches Pfarrerblatt 60, 1960 S. 393—395.
Held, Heinz-Joachim: Volksmission in England.

Kirche in der Zeit 15, 1960 S. 267—270.
Jungheinrich, Hansjörg: Um die Neuordnung der Konfirmation.

Freies Christentum 12, 1960 Sp. 121—124.