Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1961 Nr. 12

Spalte:

944

Kategorie:

Kirchenfragen der Gegenwart

Autor/Hrsg.:

Thieme, Karl

Titel/Untertitel:

Biblische Religion heute 1961

Rezensent:

Voigt, Gottfried

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

943

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 12

944

Schweitzer. Wolfgang: Glaube und Etho« im Neuen und Alten
Testament. Ein Beitrag zum Problem der biblischen Begründung der
christlichen Ethik.

Zeitschrift für evangelische Ethik 1961 S. 129—149.
Teichtweier: Die Familie in der industriellen Gesellschaft.

Theologie und Glaube 51, 1961 S. 241—258.
Till ich, Paul: Ist eine Wissenschaft von den Werten möglich?

Zeitschrift für evangelische Ethik 1961 S. 171—176.

GEGENWARTSPROBLEME

Symanowski, Horst: Gegen die Weltfremdheit. Sechs Beiträge.
Mit einem Vorwort v. Klaus von Bismarck. München: Kaiser [i960],
47 S. 8° = Theologische Existenz heute, hrsg. v. K. G. Steck u.
G. Eichholz, N. F. Nr. 79. DM 2.50.

Das schmale Heft ist wichtiger und gewichtiger als es aussieht
. Der durch seinen Mut, neue Wege zu gehen, bekannte Verf.
berichtet aus seinen Erfahrungen in der Industriearbeit, beschreibt
nüchtern die Wandlungen, die die Indusrriearbeit im
Lebensrhythmus des Menschen hervorbringt, und wie der „normale
" Arbeiter völlig jenseits der Kirche existiert. Daraus ergibt
sich von selbst die Kritik an der Weltfremdheit der Kirche und
die Einsicht, daß diese noch nicht gelernt hat, mit der modernen
Welt der Arbeit wirklich zu rechnen. Es geht dabei, wie S. mit
Recht betont, nicht um Methoden der kirchlichen Arbeit im
Sinne von Praktiken und Kniffen, wie man's macht, sondern um
die Grundhaltung, ja, wie v. Bismarck im Vorwort treffend sagt,
um das Leben der Kirche selbst. S. sieht diese als in die W e 11
und zu den säkularen Menschen gesendete Kirche; er geht aus
von „Gottes Leidenschaft für den Menschen", der es nicht bloß
mit den „Religiösen" zu tun hat (hier werden Gedanken Bon-
hoeffers aufgenommen, und, was wichtiger ist, praktiziert). Eine
Gemeinde „ohne Kanzel" und „ohne Mauern" tut not, um auf
neuen Wegen, im Gespräch, in der Tischgemeinschaft zu verkündigen
und vor allem, damit dies echt geschehe, dem Arbeiter ein
Nächster zu werden. In der „Frage nach dem gnädigen Nächsten"
sieht er das eigentliche Problem der Industriegesellschaft. Dabei
weiß S. durchaus um die doppelte Lebensform der Kirche
als Versammlung und in der Zerstreuung in der Welt des alltäglichen
Tuns; die Gemeinde als Versammlung um Wort und
Sakrament aber soll ihre Glieder rüsten für das aktiv zu vollziehende
Priestertum aller Gläubigen in der Welt der Arbeit (hier
berührt sich S. mit dem, was der Rez. öfters über die „weltliche
Christenheit" ausgeführt hat). Die Aufgabe des Theologen in der
zweiten Lebensform der Gemeinde wird sehr gut als die eines
„Hilfsarbeiters" für die sog. Laien beschrieben, welche dort den
eigentlichen Dienst haben, auf die Fragen der Welt zu antworten
, dafür aber erst lernen müssen, den Mund und das Wort zu
gebrauchen.

Die bisherige Diskussion hat schon gezeigt, daß hier eine
Fülle von theologischen und praktischen Fragen entspringe, nach
der Sprache der Verkündigung, nach dem zugrundeliegenden
Kirchenbegriff u. v. a. Entscheidend ist aber, daß hier ein Mann
einen Weg geht, außerhalb der Mauern und Formen des überlieferten
Kirchentums, aber als Pionier einer zukünftigen Kirche.
Das schließt Gefahr und Risiko in sich ein, aber die ersten
Missionare in Afrika und Asien mußten auch Experimente machen
und neue Sprachen lernen. Ein Schwärmer ist S. nicht, er
redet eine bescheidene und realistische Sprache. Wer der Kirche
in der industriellen Gesellschaft von heute dienen will, kommt
um die Tatsachen, von denen S. spricht, ebensowenig herum wie
um die Prüfung seiner Forderungen.

Münster/W. Heinz-Dietrich Wendland

Leclercq, Jacques: Bekehrung zur Welt. Christlich leben in dieser
Zeit. Aus dem Franz. übers, v. Maria Ritz. Ölten - Freiburg/Br.:
Walter-Verlag [1959]. 193 S. 8°. Lw. DM 11.50.

Dieses Buch stammt von einem Mann, der Kanonikus und
Professor für Sozial- und Moralgeschichte an der katholischen
Universität von Löwen ist und als Seelsorger der studentischen
Jugend die geistigen Probleme unserer Zeit wohl kennt. Das Buch
zeigt, daß es unter der gleichförmigen Decke der römischen
Kirche Leben, Bewegung und Fragen gibt. Besonders zwei Fragen:

ob außer den Ordensleuten nicht auch Laien Heilige werden können
, und ob es nicht außer den Priestern, die das Amt der Sakramentsverwaltung
haben, noch andere Priester geben müßte, die
sich ganz dem Leben mit ihren Gläubigen und der Seelsorge widmen
können. Dem Verfasser ist auch klar bewußt, welch ein
weiter Abstand die heutige Kirche von dem schlichten Evangelium
des Neuen Testaments trennt. Er weiß, daß es Sakrament
ohne Gnade gibt, er kennt die Gefahren des Sakramentalismus
und des traditionellen Christentums und fragt ernstlich, ob es
nicht auch Gnade ohne Sakrament gäbe. Der Verfasser bemüht
sich also um eine Verinnerlichung des christlichen Lebens und
Geistes innerhalb der Institution der römischen Kirche; er
möchte die Laien lebendig und tätig machen: „Der Priester soll
die Laien formen, der Laie aber die Welt umformen." Da der
Verfasser sich auch der Mängel des kirchlichen Christentums bewußt
ist und 6ie offen zugesteht, würde der protestantische
Leser reine Freude haben, und sich an seiner kirchlichen Denkweise
nicht stoßen, wenn er nicht auf Seite 175 f. und auch sonst
gelegentlich von protestantischer Frömmigkeit ein Zerrbild
zeichnete, das nach Büchern von Lortz und Johannes Hessen
nicht mehr zu erwarten sein sollte.

HannoTer-Kleefeld Hermann Schuster

T h i e m e, Karl: Biblische Religion heute. Hinweise und Ausblicke
auf ihre geschichtliche und endgeschichtliche Entfaltung. Heidelberg:
L. Schneider 1960. 189 S. 8°. Lw. DM 12.50.

Verf., Historiker, theologisch bestens beschlagen, Konvertit,
stellt sich den uns bedrängenden Gegenwartsfragen der Christenheit
, indem er nach dem Grundbestand biblischer Religion und
nach dem „praekontrovers Gemeinsamen" fragt, das nicht nur
alle Konfessionen, sondern erstaunlicherweise auch den Islam und,
ob auch in scharf kritischer Sicht, den Marxismus mit umschließt.
Es geht um die ökumenische Fragestellung; um des Kapitels
„Wiedervereinigung" (VII) willen dürfte das Büchlein überhaupt
geschrieben sein. Die große Sammlung der Christenheit in der
Endzeit wird sich nach Meinung des Verfs. nicht einfach durch
Anschluß aller an die Petruskirche vollziehen, sondern, unter dem
Druck endzeitlicher Not, im Zurückgehen hinter das „UrSchisma
", das sich nicht erst 1517 oder 1054, sondern 6chon im
neutestamentlichen Zeitalter vollzogen hat. Der gemeinsame Boden
ist die biblische Religion, wie Verf. sie versteht und in interessanten
Durchblicken darlegt. Ein bißchen viel Typologie, darum
wohl auch zu wenig Blick für das neutestamentliche „Ich aber
sage euch", das alttestamentliche Religion im Doppelsinn des
Wortes aufhebt (neben dem die Kontinuität bezeichnenden Wort
„Reifung", das Verf. bevorzugt, müßte auch eines für die Diskontinuität
6tehen), demzufolge dann z. B. eine Neigung zu theo-
kratischem Denken, die wir uns nicht zu eigen machen können.
Aber doch auch vieles, was man dankbar aufnimmt: so etwa das
klare Wissen darum, daß die Bibel kein widerspruchsloses Lehrsystem
enthält (weshalb die Frage nach den konfessionellen
„Akzentsetzungen" ihr unbestreitbares, wenn auch begrenztes,
Recht hat) und vor allem die mutige Betonung einer echt futurischen
und realistisch verstandenen Eschatologie. Daß Verf. mit
seinen Darlegungen zum Thema Marxismus und zur Atomwaffenfrage
mit 6<harfem Widerstand zu rechnen hat, weiß er
selbst; es soll darum hier nur vermerkt sein.

Leipzig Gottfried Voigt

Heinemann, Gustav: Eigenständige Kirche?
Kirche in der Zeit 16, 1961 S. 234—237.

P a b s t, Otto: Finanzprobleme in der Volkskirche von heute.
Kirche in der Zeit 16, 1961 S. 240—241.

S c h a p i t z, Eberhard: Gewissensverwirrung um Physik und Technik.
Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung 15, 1961 S. 237—241.

Schrey, Heinz-Horst: Kirche und Koexistenz in katholischer Sicht.
Kirche in der Zeit 16, 1961 S. 111—115.

T o y n b e e, Arnold J.: Die heutige Weltlage und ihre Konsequenzen.
Universitas 16, 1961 S. 353—362.

Wünsch, Georg: Der moderne Atheismus im Urteil des christlichen
Glaubens. Hanau/M. (Huttenstr. 1): Deutscher Bund für Freies Christentum
1960. 17 S. 8° = Schriftenreihe „Freies Christentum". Beihefte
zur Monatsschrift „Freies Christentum", H. 43. DM —.75.