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Ausgabe:

1961 Nr. 12

Spalte:

934

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Gigon, Olof

Titel/Untertitel:

Grundprobleme der antiken Philosophie 1961

Rezensent:

Wenzl, Aloys

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Seite 1

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933

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 12

934

G 1 o e d e, Günter: Das Doberaner Münster. Geschichte, Baugeschichte,
Kunstwerke. Mit 130 Aufnahmen von Wolfhard Eschenburg. Berlin:
Evang. Verlagsanstalt [i960]. 2., unveränd. Aufl. 1961. 240 S. m.
4 5 Abb. i. Text u. 130 Abb. a. Taf. 8°. Lw. DM 11.50.

Die Doberaner Klosterkirche, ein Wanderziel vieler Urlauber
in jedem Jahr, wird aufs neue in einem ansprechenden Buch gewürdigt
, nachdem erst kürzlich A. Fr. Lorenz sachverständig und
zuverlässig von ihr gehandelt hat (A. F. Lorenz, Doberan, Berlin
1958; ders., Zisterzienser-Kloster Doberan, Berlin 1955 = Das
christliche Denkmal, Heft 12). Bei der ersten Orientierung über
das neue Buch fällt sofort der ungewöhnlich reiche und schöne
Bildteil auf, der wohl noch nie Gezeigtes enthält. Wolfhard
Eschenburg, sein Schöpfer, hat beste Arbeit geleistet, gewiß unter
ständiger Beratung und Kritik des auch hier sachkundigen Gloede.
Der Textteil bietet einen Abriß der Zeitgeschichte, aus der die
Klostergründung Doberans zu verstehen ist, dann die Klostergeschichte
selbst, in ihr als wichtigsten Teil die Baugeschichte,
der eine detaillierte historische und ästhetische Würdigung der
reichen Ausstattung sich anschließt. Gloede ist in der Literatur
wohlbewandert, darum mit den geschichtlichen Fragen vertraut,
außerdem von großer Liebe zut Sache erfüllt, — gute Voraussetzungen
für ein Werk, das sich dem von der Schönheit der
Kirche gefesselten Besucher empfiehlt.

Doch es bleiben Fragen und Wünsche für sicher notwendig werdende
Neuauflagen. Die Ausdrucksweise Gloedes ist gelegentlich unscharf
, so daß der geschiditlidi Gebildete stutzt. Was soll es z. B. heißen
, daß Beino in Demmin von einigen dort anwesenden Fürsten „zum
Bischof von Schwerin gekürt" wurde? (S. 9) Auf derselben Seite ist von
den „triumphalen" Missionsreisen Ottos von Bamberg die Rede, —
eine Ausdrucksweise, die dem schwierigen Missionswerk des großen
Bischofs schwerlich gerecht wird. Möglichkeiten werden gelegentlich zu
schnell in Tatsachen verwandelt. Der abgebildete Granitstein von
Althof (S. 12 f.) ist möglicherweise ein heidnischer Opferstein, aber es
geht zu weit, ihn „das grausam stumme Denkmal" der Abschlachtungen im
Mordrausch vom 10. 11. 1179 zu nennen. Daß die Geschichte des Zisterzienserordens
auf nordeuropäischem Boden nach anderen Gesetzen verläuft
als denen des strengen asketischen Anfangs, tritt wohl nicht
kräftig genug hervor, obwohl Gloede einigemale die Fragen anrührt, so
schon als er von dem Zisterzienser Berno als Bischof von Schwerin
redet. Ist nicht von dem, was wir heute an der Doberaner Kirche bewundern
, viel mehr, als wir uns eingestehen, für den eigentlichen
Zisterziensergeist bereits untypisch und Zeichen des Verfalls? Auch die
Förderung der bäuerlichen Besiedlung und die Übernahme von Pfarrämtern
durch Mönche, die eigentlich der Seelsorge fern bleiben sollten,
sind regelwidrig, wenn man von den Prinzipien des Ordensursprungß
her denkt; dabei sind sie geschichtlich höchst wirksam geworden. Gloede
verspürt es, weiß die Erscheinungen aber nicht recht einzuordnen. Im
kunstgeschiditlichen Teil werden häufig entlegene Parallelen gezogen
(Reims. Amiens, Soisson u. a.). Da der normale Leser sie nicht nachprüfen
und auch beim Mangel an vergleichenden Abbildungen kein
begründetes Urteil gewinnen kann, sollte man sie in einem Buch wie
diesem stark reduzieren, sdion um den Männern vom Fach ihr eigenstes
Gebiet zu belassen. Als etwas ganz Neues empfindet Gloede seine
Thesen vom Wirken Meister Bertrams in Doberan. Dabei scheinen uns
die Aussagen über Bertrams Anteil am Sakramentshäuschen, so wie
Gl. sie niedergeschrieben hat, Unsicherheit zu verraten; Bertram wird
der „Inspirator" der Arbeit genannt, und wenig später heißt es, daß
man das ganze Werk „Meister Bertrams .Gesellenstück' nennen
mödite" (S. 77). Mit größerer Sicherheit kann man die Mitarbeit des
jungen Bertram am Lettncraltar behaupten, was nicht gar so neu ist.
wie Gl. dem Leser dartun möchte. Er spricht auf S. 78 von „zwei bislang
unbekannt gebliebenen Werken Meisters Bertram". In einer späteren
Anmerkung heißt es aber (S. 111/92): „Die mir später bekannt
gewordene Dissertation von Friedrich Adolf Martens hat meinen Eindruck
bestätigt", — es handelt sich um die Schrift von Martens „Meister
Bertram: Herkunft. Werk und Wirken", 1936, in der die Grundlagen
der Bertramforschung, soweit sie Doberan betreffen, gelegt sind.
Die zitierte Aussage Gloede6 kann also nicht bestehen, denn tatsächlich
weiß die wissenschaftliche Welt 6eit einem knappen Vierteljahrhundert,
daß mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit mit Werken des jungen Bertram
in Doberan zu rechnen ist. Wer wie der Rezensent an der Universität
Rostock wirken kann, kennt auch mindestens eine aus dem Institut für
Kunstgeschichte hervorgegangene Diplomarbeit, welche das Problem
„Bertram und Doberan" weiter geklärt hat. Wenn Gl. erst nachträglich
die Arbeit von Martens bekannt wurde, konnte er im Text die Worte
„zwei bislang unbekannt gebliebene Werke" nicht stehen lassen. Gelegentlich
wird bei Darstellungen Gregors d. Gr. verweilt. Gl. möchte
sie mit der Bedeutung des Kirchenvaters für die sakrale Musik in
Beziehung setzen. Das ist unwahrscheinlich, näher dürfte liegen, an

Gregors Bedeutung für die Heidenmission oder an die „Gregorsmesse"
zu denken. Wir begrüßen es, daß auf S. 9 5 auf ein Bild des Thomas
Becket aufmerksam gemacht wird. Darf man ihn aber einen „Sozialreformer
" nennen? Wichtig wäre ein Hinweis darauf, daß im Ostseebecken
das Thomaspatrozinium häufig vorkommt, am meisten für Altäre
, gelegentlich auch für Kirchen, so die in Tribsees. Die Zisterzienser
mochten manchen Grund zur besonderen Verehrung des Märtyrers haben
, auch den, daß er im Exil zwei Jahre lang bei ihren Ordensbrüdern
in Pontigny Zuflucht gefunden hatte.

Das schöne Buch, das viele Beschauer und Leser finden
möge, bedarf in einer weiteren Auflage noch der nachbessernden
Hand.

Rostock Gottfried Holtz

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

G i g o n, Olof: Grundprobleme der antiken Philosophie. Bern-München
: Francke [1959]. 336 S. kl. 8° = Sammlung Dalp, Bd. 66. Lw.
DM 12.80.

Der Verfasser geht von der Überzeugung aus, „daß die
Philosophie dem Worte wie der Sache nach bei den Griechen entstanden
ist und daß es Philosophie im echten Sinne dieses Begriffes
ausschließlich innerhalb der von den Griechen ausgehenden
Tradition gibt". Er stellt sich die Aufgabe, in einer jedermann
zugänglichen Form eine Orientierung über die von der antiken
Philosophie aufgeworfenen und formulierten und bis heute den
Weg der Philosophie mitbestimmenden Grundprobleme zu geben,
eine Übersicht und zugleich einen Versuch, einige meist etwas
vernachlässigte Fragen neu zu stellen. Demgemäß gliedert sich
das Buch in einen ersten Teil — Wesensbestimmung und Einteilung
der antiken Philosophie, geschichtliche Entstehung der
Naturphilosophie, der Ethik und der Logik und ihre Wirkung auf
die antike Kultur —, einen zweiten Teil über die Hauptbegriffe
der antiken Philosophie (wie Natur, Zweck, Ursache, Notwendigkeit
und Freiheit) und einen dritten Teil, der durch die vorausgehenden
vorbereitet ist und sich nun den inhaltlichen Grundproblemen
der Kosmologie und Kosmogonie, der Theologie,
Seelenlehre, Erkenntnislehre, Tugendlehre und Staatslehre zuwendet
. Nur für den dritten Hauptteil steht eine reiche, ja, überreiche
Literatur schon zur Verfügung, „auf die Anführung moderner
Literatur wurde daher bewußt verzichtet", es wäre „uferlos
geworden"; es ist daher sogar auf ein Verzeichnis der
Sekundärliteratur verzichtet. Einfach ersetzen kann und soll daher
das Buch die üblichen Darstellungen der Geschichte der griechischen
Philosophie nicht, aber es soll sie ergänzen und es ist
zweifellos sehr wertvoll und anregend als problemgeschichtliche
Betrachtung grundlegender Art, es gibt besonders unter kosmo-
logischcm und unter theologischem Gesichtspunkt neue in der
traditionellen Philosophiegeschichte nicht bewußt gewordene
oder doch nicht genügend beachtete Aspekte. Mag es daher auch
nicht nur dem Fachphilosophen zugedacht sein, so wird es doch
auch ihm manche neue Sicht eröffnen.

München AloysWenzl

Diem, Hermann: Gott und die Metaphysik. Vortrag vor der Evang.
Theol. Fachschaft der Universität Tübingen. Zollikon-Zürich: Evang.
Verlag 19 56. 19 S. 8° = Theol. Studien, hrsg. v. K.Barth, H. 47.
DM 1.90.

Diesen Vortrag hat Verf. in Tübingen gehalten, und zwar als
theologische Antwort auf einen Vortrag von Walter Schulz über
das Thema: „Der Gott der Philosophen in der neueren Metaphysik
". Verf. geht aus von der Frage Kants, ob die Philosophie
als Magd der Theologie dieser voranleuchtet oder ihr die Schleppe
nachträgt. Die römisch-katholische Theologie nimmt auch heute
noch die Philosophie in ihren Dienst. Sie ermöglicht dies mit
Hilfe der analogia entis in bezug auf das göttliche und das
menschliche Sein. Verf. fordert für die evangelische Theologie,
daß sie sich von diesem Bild vollständig löst. Von ihrer eigenen
Freiheit her eoll sie auch der Philosophie die Freiheit belassen;
denn seit Descartes hat sich diese von dem Gott der Offenbarung
entfernt und ist schließlich bei Heidegger zu einem letzten ambivalenten
Begriff des nicht objektivierbaren „Nichts oder des
Seins" gekommen. Die Existenz-Philosophie ist zwar nicht ag-