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Ausgabe:

1961 Nr. 12

Spalte:

932

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Aurenhammer, Hans

Titel/Untertitel:

Lexikon der christlichen Ikonographie 1961

Rezensent:

Onasch, Konrad

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931

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 12

932

Lutherforscher wie E. Wolf, die von de servo arbitrio her über die6e
Fragen anders denken, müssen sich von Löfgren den Vorwurf eines
manichäischen Dualismus gefallen lassen (S. 49, 17).

Aber auch die „Aktualisierung" von Luthers Erbsündenauffassung
sollte mit größerer Vorsicht betrieben werden, als das bei Löfgren
geschieht. Was er über die Erbsünde als Personsünde sagt, ist durchaus
richtig und wird nirgends Widerspruch finden. Aber abgesehen davon,
daß man auch etliche Belege dafür beibringen kann, daß Luther in der
Erbsünde sehr viel mehr als etwas nur „aktuell" Wirkendes sieht,
nämlich u. a. auch die geschichtliche Tat Adams samt ihren verhängnisvollen
Folgen', ist zu fragen, ob die „Aktualisierung" des Schöpfungsund
Sündengedankens, wie Löfgren sie vornimmt, nicht einerseits das
Gutsein der Schöpfung im Sinne von Gen. 1, andererseits die Realität
des Falles gefährdet.

Auch gegenüber der Deutung der Erlösung als „Creatio ex
nihilo" sind Bedenken anzumelden. Daß Luther die Erlösung gelegentlich
so ansieht, ist richtig — Löfgrens Belegstelle WA 4, 59 5—602 enthält
zwar nichts dergleichen, auch seine Datierung dieser frühen Predigt
ist falsch (S. 26, 18)8. Besser hätte Löfgren 6ich etwa auf WA 5,
544, 9 ff. berufen können". Aber es soll hier nicht um einzelne Lutherstellen
gestritten werden. Vielmehr wird die Auffassung der Erlösung
als einer creatio ex nihilo dann problematisch, wenn man sie des
eschatologischen Charakters, den sie in 2. Kor. 5, 17 und m. E. auch
bei Luther hat, entkleidet und sie statt dessen auf bestimmte Qualitäten
des neuen Menschen hin auslegt. Löfgren« Behauptung, daß nach
Luther die natürliche Vernunft durch die Offenbarung erst „geschaffen"
wird (S. 205 f.), ist m. E. sowohl hinsichtlich des Ausdrucks „geschaffen
" als auch sachlich ohne Anhalt in Luthers Werken. An dieser
Stelle zeigen sich wiederum die verhängnisvollen Folgen einer überbetonten
Aktualisierung sowie des Versuchs, den Begriff der Schöpfung
durch sämtliche Loci der Theologie zu verfolgen, ohne genaue
Differenzierungen vorzunehmen. Auch bei anderen Punkten treibt
Löfgren seine „aktualisierende" Deutung bis ins Extrem. So liest man
S. 305 über die Taufe: „Die Taufe ist nicht, wie die Novatianer meinten
, ein einmaliger Akt, sondern ständiger Empfang der Gnade
Gottes."

Es wäre notwendig gewesen, den Gedanken der Schöpfung
sorgfältig abzugrenzen gegen den Gedanken des göttlichen Handelns
sowohl in der Welt als auch in der Geschichte. Auch hätte
gefragt werden müssen, in welchem Sinne denn Rechtfertigung
und Erlösung als „Schaffen" bezeichnet werden können. Löfgrens
Begriff des „Schaffens" ist so weit, daß praktisch alles darunter
verstanden werden kann, was Gott tut. Daß Luther sich in einem
solchen Sinne äußern konnte, ist gar nicht zu bestreiten. Aber es
fragt sich, ob es einer systematischen Klärung der Theologie der
Schöpfung dienlich ist, wenn der Begriff des creare nicht vom
göttlichen agere unterschieden wird, und sei es nur, um die
Verschiedenheit des göttlichen Schöpfungshandelns in den einzelnen
Epochen der „Heilsgeschichte" präzise erfassen zu können.

Eine letzte kritische Bemerkung sei noch genannt. Wie manche
anderen neueren Lutherforscher, vornehmlich in Schweden, so sieht 6ich
auch Löfgren veranlaßt, gegen Augustin zu polemisieren und ihm vorzuwerfen
, daß er nicht wie Luther die Schöpfung „aktual" verstanden
habe (S. 108 u. c.). Bei aller Verschiedenheit in der Theologie der
Schöpfung, die sich zwischen Augustin und Luther beobachten läßt,
trifft doch gerade dieser Vorwurf Augustin nicht. Siehe z. B. die schönen
Sätze Enschir. 9, 30: „Tunc ergo effieimur vere liberi, cum deus
nos fingit, id est, format et creat, non ut homines, quod iam fecit, sed
ut boni homines simus, quod nunc gratia sua facit: ut simus in Christo
nova creatura, secundum quod dictum est: Cor mundum crea in me
Deus. Neque enim cor eius, quantum pertinet ad naturam cordis
humani, non iam creaverat Deus.

Doch sollen die kritischen Bemerkungen nicht den Dank für
die fleißige, gelehrte und anregende Arbeit Löfgrens mindern.

Hamburg Bernhard Löhse

*) Löfgren selbst zitiert S. 124, 43 eine Äußerung Luthers, die
schlecht zu seiner aktualisierenden Deutung paßt: die Erbsünde, „die
wir nit gethan haben, sonder unser eitern, die müssen wir auch mit
helffen tragen und zalen" (WA 17 II, 282, 26 ff.).

5) Löfgren datiert die Predigt WA 4, 595 ff. ohne Begründung auf
1516. Nach E. Vogelsang (ZKG 50, 1931, S. 112 ff., bes. S. 116) ist
diese Predigt jedoch spätestens auf 1512 anzusetzen. G. Kawerau hatte
die Predigt auf „1514?" angesetzt (WA 4,595, Anm. 2). Auf jeden
Fall wird man in dieser Predigt noch keine grundlegend neuen Ansichten
bei Luther finden können.

°) Quanquam revera nihil differat creatio et recreatio, cum utra-
que ex nihilo operetur, et omnis creatura Sit opus manuum dei praeter
impios, omnia enim alia non sibi serviunt, non agunt, sed aguntur et
soli deo sunt ad gloriam, ad quorum imaginem et nos fieri oportet.

Grin, Edmond: L'unite des deux Testaments Selon Calvin.

Theologische Zeitschrift 17, 1961 S. 175—186.
Hahn, Viktor: Schrift, Tradition und Primat bei Irenaus.

Trierer Theologische Zeitschrift 70, 1961 S. 233—243.
Peters, Albrecht: Luthers Turmerlebnis.

Neue Zeitschrift für Systematische Theologie 3, 1961 S. 203—236.

GESCHICHTE DER CHHISTLICHEN KUNST

Aurenhammer, Hans: Lexikon der christlichen Ikonographie.

2. Lfg.: Albert von Trapani (Schluß) bis Antonius Eremita. Wien:
Hollinek |1960]. VIII, S. 81—160. 8°. DM 17.60.

Auf die Bedeutung dieses Lexikons ist in dieser Zeitschrift
bereits hingewiesen worden (i960, Sp. 762—765). Auch die vorliegende
Lieferung zeigt die umfassende Kenntnis der Quellen-
und Sekundärliteratur des Verfs. Ich habe nur weniges zu ergänzen
bzw. zur Diskussion zu stellen:

Das Handbuch von O. Wimmer (S. VIII) ist inzwischen in einer zweiten,
vermehrten und verbesserten Auflage 1959 erschienen (vgl. ThLZ 86, 1961,
514).— Zu Alexanders Luftfahrt (S. 8 5—86) könnte noch Millet L'ascen-
sion d'AIexandre (Syria 1923) nachgetragen werden. — Der folgende hl.
Alexius (S. 86—87) ist kein anderer als „Alexius der Gottesmann" (russ.:
Aleksij celovek bozij). Statt der Arbeit von Ouspenski (es wäre zu
raten, die russ. Titel entweder in der wissenschaftl. Transkription oder
in dt. Übersetzung mit der Bemerkung „russ." zu bringen, wie es Verf.
mit Lichatschew |Lichacev] S. 94 getan hat), die längst überholt ist, muß
biet die gründliche, auch die Ikonographie des HI. berücksichtigende
Darstellung von V. P. Adrianova: 2itie Alekseja celoveka bozija v
drevnej russkoj literature i narodnoj slovesnosti, Petrograd 1917 ( =
Die Vita Aleksijs des Gottesmenschen in der altrussischen Literatur und
Folklore) genannt werden. Neben das Mosaik im Dom von Montreale
wäre noch eine Darstellung des HL, wie er in fürbittender Haltung vor
dem ohne Hand gemalten Gottesmutterbild von Edessa steht, in der
Neredica - Kirche bei Novgorod zu nennen (Fresko), die ebenfalls dem
12.Jhdt. angehört (V. N. Lazarev: Iskusstvo-Novgoroda, Moskau-Leningrad
1947, S. 33, 34 und derselbe in: Geschichte der russischen Kunst,
2. Bd., Dresden 1958, S. 76). Diese spezielle Wiedergabe des Hl. kann
man in Rußland bis ins 18. Jhdt. hinein verfolgen. Das hagiographische
Material für den russ. Raum ist jetzt leicht zugänglich bei N. K. Gudzij,
Geschichte der russischen Literatur. 1 I.— 17. Jahrhundert, Halle (Saale)
1959, S. 40 ff., 124, 364, 400. Für den Westen hat Verf. eine ausgezeichnete
Übersicht gegeben, die auch für den Literaturforscher von
Gewinn sein dürfte. Wir erhalten 60 einen Überblick der Wanderung
und vor allem der Weiterwirkung eines der ältesten „Novellen" christlicher
Dichtung bis hin in das Jesuitendrama. Nicht umsonst hat auch
Curtius auf die westliche Tradition dieser Vita in Gestalt einer Kunstform
aufmerksam gemacht. — Beim Artikel Allerheiligenbild (S. 89—94)
scheint es mir fraglich, ob man die Deesis der Ostkirche bereits als
Vorform desselben ansehen darf. Die Deesis i6t ein Gerichtsbild, das
der Meßliturgie der Ostkirche zuzuordnen ist (vgl. J. D. Jtefänescu
in: Annuaire de l'lnstitut de philologie et d'histoire orientales, Brüssel
1932, S. 51). Dieselbe Frage erhebt sich bei der Gottesmutter. Ich
glaube mit Feurstein (RDK I, 369), daß das A. zuerst in den Heiligenprozessionen
von S. Apollinare nuovo in Ravenna auftritt, auf die
auch Verf. hinweist. Im Osten ist das Fest erst unter dem Kaiser
Leo VI. (886—912) eingeführt worden (Nilles, Kalendarium manuale II.
424). Wahrscheinlich hat im Osten der Sieg der Bilderverehrung auch
die Ikonographie des A. veranlaßt (vgl. A. Grabar: L'iconoclasme by-
zantin, Paris 1957, S. 238 f.), wie auch Verf. auf das Nicaenum II von
787 richtig hinweist. Übrigens ist neben dem von ihm erwähnten Enko-
mion des Sophronios noch die Rede eines Diakons oder Chartophylax
Konstantin zu erwähnen, die als Lesung zum orthodoxen Allerheiligenfest
obligatorisch wurde (vgl. H.-G. Beck: Kirche und theologische Literatur
im byzantinischen Reich, München 1959, S. 399). Jedenfalls fehlt
dem ostkirchlichen A., schon von den Hymnen des 1. Sonntages nach
Pfingsten her gesehen, der Gerichtscharakter. — Zur Anbetung der Hirten
S. 108 ff., wie überhaupt zu den Geburtsszenen, wäre vielleicht für
die Prototypen der antiken Ikonographie heranzuziehen Kurt Weitz-
mann: Greek mythology in byzantine art, Princeton 1951. Im übrigen
ist die Aufgliederung durch den Verf. in die einzelnen Szenen sehr zu
begrüßen. — Zum Artikel Anbetung des Kindes könnte man noch den
ikonographischen Typus der „Synaxis der Gottesmutter" (vgl. Millet.
Recherches, S. 163—169) erwähnen, wenn man sie nicht als spezielles
Gottesmutterbild ansehen will. Audi dieser Artikel weitet sich zu einer
kleinen Monographie mit zahlreichen Hinweisen aus. — Zu Andreas
wäre noch nachzutragen F. Dvornik: The idea of apostolicity in
Byzantium and the legend of the Apostle Andrew, Cambridge, Mass.,
1958. — S. 132 muß es statt vsoo veog heißen.

Wir wünschen dem Fortgang der Arbeit an diesem Lexikon
weiterhin alles Gute.

Halle/Saale Konrad O n a s c h