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Ausgabe:

1961 Nr. 12

Spalte:

925-927

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Marius Victorinus, Gaius

Titel/Untertitel:

Traités théologiques sur la trinité 1961

Rezensent:

Ivánka, Endre

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 12

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Grenzen gesetzt sind. Um so achtenswerter ist es, daß Seppelt
(f 1956) und mit ihm und nach ihm sein Schüler G. Schwaiger
(dem vor allem die Neuauflage des vierten und fünften Bandes
verdankt wird) in der neuen Auflage der Bände 1,2, 4 und 5
doch verhältnismäßig sehr viel ergänzt, berichtigt, geändert
haben. Das zeigt ein Vergleich der beiden Auflagen (Band 1 erschien
zuerst 1931, Band 2 1934, Band 4 1941, Band 5 1936),
z.B. Band 1 S. 15 f. (Petrustradition), S. 85 (Christentum Kaiser
Konstantins); Band 2 S. 136 (Constitutum Constantini), S. 197 f.
(Karolingische Liturgiereform); Band 4 S. 259 (Beurteilung der
Wahl Martins V.), S. 278 f. (Concordantia Catholica des Nikolaus
von Cues); Band 5 S. 33 f. (Translation des Konzils von
Trient nach Bologna), S. 291 (päpstl. Subsidienversprechen 1631)
und an vielen anderen Stellen. (Durch die Wahl kleinerer Typen
bei Beibehaltung des Satzspiegels wurden Zusätze möglich, ohne
daß die Seitenzahl im Text der Bände wesentlich verändert worden
wäre.) Schon in der ersten Auflage war jedem Band ein ausführlicher
Anhang von Literaturangaben beigegeben, die den an
Einzelfragen Interessierten den Weg weisen sollten. Nach erheblicher
Vermehrung (und hier ist auch nicht an zusätzlichen Seiten
gespart worden) sind diese Literaturangaben jetzt in den fünf
Bänden auf insgesamt 176 engbedruckte Seiten angewachsen und
damit zu einer eigenen Bibliographie der Papstgeschichte geworden
, die nicht ihresgleichen hat. Sie wird noch lange Zeit unentbehrlich
sein, obwohl es nicht ganz leicht ist, sich darin schnell
zurechtzufinden.

Der dritte Band de6 Werkes, der mit der Absetzung dreier
Päpste auf den Synoden von Sutri und Rom 1046 beginnt und
mit der Abdankung (1294) und dem Tod (1296) des Engelpapstes
Coelestin V. endet, ist, anders als die übrigen vier Bände, jetzt
in erster Auflage erschienen. Diese 250 Jahre von 1046 bis 1296
sind die Zeit, in der das Papsttum unter Innozenz III. die höchste
Stellung in der Welt errungen hat, die Zeit des Aufstiegs zu dieser
Höhe und zugleich des so schnell begonnenen Niedergangs.
Nirgends in der Papstgeschichte gibt es so viele verschiedene Urteile
der modernen Historiker wie hier, an keiner Stelle seines
Werkes konnte Verf. besser zeigen, worauf es ihm ankam, „eine
für die Gebildeten aller Stände verständliche und gut lesbare
Darstellung zu bieten" (Bd. *l, 318). Frei von Apologetik oder
Polemik, ausgewogen im Urteil und gut geschrieben ist dieser
Band ebenso wie die vier anderen. Der Verf. war ein katholischer
Theologe und machte kein Hehl daraus, aber sein und seines
Schülers und Fortsetzers oberster Grundsatz scheint das Wort
Ciceros zu sein, das Papst Leo XIII. sich in einem bald nach der
Freigabe des Vatikanischen Archivs für die Forschung erlassenen
Schreiben (vom 18. 8. 1 883) zu eigen gemacht hat: primam es6e
historiae legem, ne quid falsi dicere audeat, ne quid veri non
audeat. . . Darum kann dieses Werk über seine eben erwähnte
Absicht hinaus auch den Spezialisten zur ersten Orientierung die
besten Dienste leisten. Von den wissenschaftlichen Darstellungen
der Papstgeschichte in deutscher Sprache ist es die vollständigste,
von den vollständigen bei weitem die beste.

Bonn Reinhard El 7.c

M o 1 1 a n d, Einar: Den kirkehisroriske forsknings sekularisering.
Norsk Teologisk Tidsskrift 62, 1961 65—73.

K1HCH EN GESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Marius Victorinus: Traites theologiqucs Sur la trinite. I. Texte,
etabli par Paul Henry. Introduction, traduction et notes par Pierre
Hadot. II. Commentaire. Par Pierre H a d o t. Paris: Les Editions
du Cerf 1960. 1160S. 8° = Sources Chretiennes, Collection dirigee
par H. deLubac et J. Danielou, N° 68 u. 69. NF 49.50.

Man kann mit Recht Marius Victorinus als den Bahnbrecher
auf dem Gebiete deT Ausgestaltung einer systematischen philosophischen
Terminologie und des systematischen philosophischen
Denkens im lateinischen Sprachraum betrachten — mit mehr Recht
als Cicero, dessen Wirksamkeit gerade auf terminologisch-systematischem
Gebiet nur als tastender Anfang bezeichnet werden
kann (wie unbehilflich ist die schulmäßige philosophische Terminologie
noch in Senecas' 58. Brief an Lucilius und bei Apu-

leius) und mit mehr Recht als Boethius, hinter dem er für unser
geschichtliches Bewußtsein ungebührlich zurücktritt, obwohl er
auch für ihn die entscheidende Vorarbeit geleistet hat, ohne die
es nie zur mittelalterlichen Scholastik und damit zur Entfaltung
schulmäßig-systematischen Philosophierens im Abendland gekommen
wäre. Aber nicht darin liegt die theologische Bedeutung des
Marius Victorinus. Sie besteht vielmehr darin, daß sein Denken,
wie H. (1026) treffend formuliert, „la tentative preaugustinienne
la plus hardie pour essayer de p e n s e r le mystere trinitaire"
ist. Bei aller Verschiedenheit des Ansatzes bei beiden Denkern,
die H. mit Recht betont (86), — vom Seinsbegriff her bei Victorinus
, vom Selbstbewußtsein des Geistwesens her bei Augustinus
— liegt doch die große Gemeinsamkeit beider darin, daß sie
aus der notwendigen Implikation gewisser „Entfaltungsmomente"
in der Einheit eines „subsistierenden Aktes" eine konsubstan-
tiale Dreiheit ableiten, die für Victorinus die Dreifaltigkeit erklärt
, für Augustinus sie wenigstens im geschöpflichen „vesti-
gium" abbildlich veranschaulicht. Was Victorinus als Vorläufer
Augustins bedeutet, das hat E. Benz in seinem Buche: Marius Victorinus
und die Entwicklung der abendländischen Willensmetaphysik
, Stuttgart 1932, schon vor längerer Zeit hervorgehoben.
Seine Trinitätslehre ist dadurch besonders bemerkenswert, stellt
H. (8 3) fest, daß sie, theologisch betrachtet, auf eine sehr „archaische
" Formel für den Logos (als „Kraft und Weisheit Gottes" in
seiner Selbstentfaltung) zurückgreift, und dabei diesen Gedanken
mit den für seine Zeit sehr „modernen" Mitteln des neuplatonischen
philosophischen Denkens entwickelt, wobei das
Auffallendste das ist, daß sie die Gefahr des Subordinatianismus,
die durch beide Ausgangspunkte, besonders aber durch die neuplatonische
Emanationsontologie, sehr nahegelegt wäre, durch
eine strenge Herausarbeitung des Konsubstantialitätsprinzips
völlig vermeidet (1026). Die Verteidigung des „Homousion" ist
ja eines der Hauptanliegen des victorinischen Werkes. Wenn man
auch vom rein spekulativen Standpunkt negativ über die Trinitätslehre
des Victorinus urteilen mag („Es war kein Verlust für
die Theologie des Abendlandes, wenn 60 Viktorins Trinitätslehre
sozusagen ganz unbeachtet blieb", heißt es bei Barden-
hewer, Gesch. der altkirchlichen Literatur III (1912) 463 — wobei
man sich fragen müßte, ob seine Anregungen nicht in einer ganz
anderen Linie Beachtung fanden, die über Scotus Eriugena bis zu
Hegel reicht), so sind diese Schriften doch sehr wichtig, weil sie
uns, wie H. (84) bemerkt, einen deutlichen Einblick in das
Milieu geben, in dem die großen theologischen Synthesen des
IV. Jahrhunderts entstanden sind.

Es war daher verständlich, daß gerade die verdienstvolle
Serie der „Sources Chretiennes" seine trinitätstheologischen
Schriften vorlegte — wie üblich im Urtext und in französischer
Übersetzung, wobei hier beides noch einen erhöhten Wert besitzt
: Die Textausgabe hilft endlich dem Übelstande ab, den
Bardenhewer (a. a. O. 464) mit den knappen Worten formuliert
: „Eine kritische Ausgabe fehlt", indem sie zum Zwecke der
Konstituierung eines verläßlichen Textes aus der bevorstehenden
Ausgabe im Wiener Corpus (CS EL), die P.Henry auf Grund
der Vorarbeiten J. Wöhners herstellt, alle wichtigen Varianten
heranzieht; die (dem Wesen der Sache entsprechend, oft stark
paraphrasierende) Übersetzung ist — wie es bei einem Werk gar
nicht anders sein kann, von dem der Hlg. Hieronymus gesagt
hat: ni6i a doctissimis non intelligitur — selbst schon eine Kommentierung
des Textes, und als solche eine große Leistung. Dazu
kommt aber, als eigener zweiter Band, ein Kommentar, der
nicht nur, wie in den meisten übrigen Bänden der „Sources
Chretiennes", wo es nötig ist, die Hinweise auf Quellen, Zeitumstände
und Parallelstellen gibt, sondern darüber hinaus von
Stelle zu Stelle mit einer Fülle von Erläuterungen und Exkursen
die einzelnen Motive des Werkes in ihren geiste6geschichtlichen
Zusammenhang stellt und in ihrer Entwicklung vorführt, so daß
hier wirklich, vom Werk des Marius Victorinus ausgehend, ein
Querschnitt durch das ganze Gedankengut des Zeitalters und
seine geistige Situation gegeben wird, in die uns, wie H. (84)
sagt, gerade dieses Werk einen so deutlichen Einblick gibt. Besonders
lehrreich ist dabei der Nachweis häufiger Parallelen mit
dem Corpus Hermeticum, das ja auch bei Laktanz eine so große
Rolle spielt. Freilich kann die Anführung von Parallelstellen