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Ausgabe:

1961 Nr. 12

Spalte:

921-922

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Cullmann, Oscar

Titel/Untertitel:

Petrus 1961

Rezensent:

Michaelis, Wilhelm

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Seite 1

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921

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 12

922

danke der Herausgeber, sie aus einer Arbeitsgemeinschaft des
Neutestamentlichen Seminars in Tübingen herauswachsen zu lassen
, was zugleich ein sehr ehrendes Zeichen für dieses Seminar
und die Art seiner Leitung bedeutet. Allerdings vermißt man,
sobald man dies sagt, sofort eine merkwürdige Tatsache: Warum
nennen die Herausgeber kaum den Mann, der hinter dem ganzen
Unternehmen im Geiste steht und dessen Einfluß man beinahe
auf jeder Seite der Übersetzung spürt, Adolf Schlatter? Wenn die
Verfasser sagen, daß sie „die Resultate der historischen Forschung
in den Bericht des Josephus" eingearbeitet hätten — was freilich
etwas plerophor ist —, so hätten sie 6agen müssen, daß sie die
Resultate der großartigen philologischen, theologischen und historischen
Josephus-Arbeiten Schlatters völlig eingearbeitet haben.
Das aber ist ohne Zweifel ein Lob für das Buch. Freilich i6t auch
nicht zu übersehen, daß nicht Philologen, sondern Theologen
diese Ausgabe gemacht haben, aber sie soll ja wohl auch in erster
Linie den Bedürfnissen der Theologen dienen, so daß es ungerecht
wäre, Forderungen zu stellen, die an eine streng philologische
Edition zu stellen wären.

Voraus geht eine kurze Einleitung, deren erster Teil nicht
immer ganz glücklich Josephus auch da zu entschuldigen sucht,
wo er 6icher nicht zu entschuldigen ist — auf die schon klassisch
gewordenen Thesen Corssens hätte mindestens hingewiesen werden
müssen, auch wenn sie die Verf. nicht teilen —, deren zweiter
einen für den gedachten größeren Leserkreis zu knappen Überblick
über die Textüberlieferung gibt. Ein bloßes Aufzählen der
Handschriften genügt in einem solchen Falle nicht, man muß sie
auch charakterisieren. Doch reichen die Angaben für den Gebrauch
des Apparates aus.

Der Text folgt selbstverständlich Niese, er ist, soweit ich
sehe, vorbildlich. Der Apparat ist knapp, aber völlig genügend;
alle6 Wesentliche ist aufgenommen, und zwar nicht nur aus Nic-
ses großem Apparat, sondern auch aus Naber, Thackeray, Reinach
und anderen; wo immer vom Text Nieses abgewichen wird, ist
es vermerkt. Auch berühmtere Konjekturen Nieses und einiger
anderer sind aufgenommen. Einige textkritische Hinweise enthalten
auch die Anmerkungen. Die Übersetzung bemüht sich,
genau und zugleich lesbar zu sein. Das kann natürlich bei Josephus
nicht immer gelingen. Bei sehr eingehender Lektüre, die die
Verspätung der Besprechung entschuldigen möge, habe ich keinen
Fehler gefunden. Allerdings muß man ehrlich sagen, daß das
Deutsch nicht immer vorbildlich ist, und daß die Übersetzung zuweilen
— was sich wohl aus dem Seminarbetrieb erklärt — schulmäßige
Formen annimmt, etwa bei der (in der Schule sicher bewährten
) Behandlung der Partikel (yovv als pathetisches Ja, ...)
u. dgl. Ein paar Kleinigkeiten: aiXoqwXos ist nicht ,.Fremdling
", sondern term. techn. für den Nichtgriechen und Nicht-
römer; daifidviov ahs „höhere Macht" ist zu allgemein; (pQovijjua
ist mehr als „Selbstbewußtsein". Wortspiele wie nnzgida und
nmgl (612) lassen sich auch im Deutschen wiedergeben und
geben dann eine bessere Vorstellung vom Stil des b. J.

Die zahlreichen und sorgfältigen Anmerkungen bringen vor
allem topographische und geographische, aber auch historische
Sacherklärungen; neuere Literatur ist reichlich benutzt. Der Verlag
würde sich Dank verdienen, wenn er sie bei der hoffentlich
bald erscheinenden nächsten Auflage unter die Seite setzen würde.

Speyer Rh. Carl Sch n ei d e r

Cullmann, Oscar, Prof. Dr. theol., D.D.: Petrus. Jünger — Apostel
— Märtyrer. Das historische und da« theologische Petrusproblem.
2., umgearb. u. ergänzte Aufl. Zürich - Stuttgart : Zwingli Verlag
11960] und Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1961], Nachdruck. 287 S.
gr. 8".

Cullmanns Petrusbuch hat gleich bei seinem 1. Erscheinen
1952 gToße Beachtung gefunden, und zwar sowohl auf protestantischer
wie auf katholischer Seite. Es ist allgemein als sehr verdienstlich
empfunden worden, daß der Verf. es unternommen hat,
das Petrusproblem in einer großangelegten Untersuchung neu
aufzurollen und den Kreis der möglichen Lösungen sorgfältig
abzustecken. Mit berechtigter Genugtuung kann der Verf. im
Vorwort zur neuen Auflage (S. 10—13) darauf hinweisen, in wie
hohem Maße ihm die erhoffte Neubelebung der Diskussion gelungen
ist, und kann dabei besonders hervorheben, daß die Erörterung
sich von Seiten der katholischen Gesprächspartner ausnahmslos
„auf der Ebene wissenschaftlicher Loyalität" vollzogen
hat. Die Ergänzungen in der 2. Auflage dienen dementsprechend
vor allem der weiterführenden Auseinandersetzung mit der seither
erschienenen Literatur 6owie mit den Besprechungen der
1. Auflage. Die Darstellung von Paul Gaechter, vor allem in seinem
Buch „Petrus und 6eine Zeit" (195 8), wird hierbei vom
Verf. eingehend geprüft (S. 46, Anm. 1, S. 47, Anm. 1, S. 48,
Anm. 1 f. u. ö.). Besondere Aufmerksamkeit hat der Verf. auch
den verschiedenen Veröffentlichungen von Karl Heussi gewidmet
(S. 8 5 f. 90. 96 u. ö.), wobei er sowohl Heussi wie auch Gaechter
gegenüber bei seinen bisherigen Positionen verharrt. Ferner hat
der Abschnitt über die Ausgrabungen unter der Peterskirche in
Rom beträchtliche Erweiterungen erfahren (S. 154 ff.). Mehrfach
verweist der Verf. darauf, daß er zwei Schriften „Petrus und der
Papst" und „Eschatologie des NT" vorbereite und diesen die Behandlung
einer Reihe von Fragen, die ebenfalls Aspekte des
Petrusproblems betreffen, vorbehalte. Dem Wunsch des Verf.,
daß sein Petrusbuch „auch im neuen Gewand weiterhin die Orientierung
erleichtern und die sachliche Diskussion fördern möge"
(S. 12 f.), wird der Leser sich gern anschließen und auf die genannten
in Aussicht gestellten Veröffentlichungen mit Spannung
warten.

Da der Verf. die Loyalität seiner katholischen Gesprächspartner
ausdrücklich rühmt, sei nicht unerwähnt gelassen, daß er andererseits
über die polemische Haltung von Karl Heussi sich mit deutlicher Enttäuschung
beklagt (schon im Vorwort S. 11). In der Tat wird man —
bei aller Hochachtung vor der sonstigen wissenschaftlichen Leistung des
seither verstorbenen Jenenser Gelehrten — es nur bedauern müssen,
wie wenig sachlich dieser auf wissenschaftliche Bedenken gegenüber
6einer These, daß Petrus nie in Rom gewesen sei, zu reagieren pflegte.
Eine Analogie zu seiner unbelehrbaren Haltung in dieser Frage stellte
seine in dieser Zeitschr. Jahrg. 1959, Sp. 361 geäußerte Meinung dar:
p52 Werde heute weit überschätzt; „seine Datierung richtet sich nach
der historisch-kritischen Einsicht in die Abfassungsverhältnisse des
Joh', nicht umgekehrt".

Da für die neue Auflage ein etwas größerer Satzspiegel und eine
andere Type gewählt worden sind, so daß die 282 Seiten der 1. Aufl.
etwa 244 gegenwärtigen Seiten entsprechen dürften, hat der Umfang
des Buches um etwa 40 Seiten zugenommen. Eine Reihe von Verbesserungen
wird der Leser als angenehm empfinden. So sind die Überschriften
der Teile und Kapitel jetzt auch als Seitenüberschriften verwandt.
Die Anm.-Ziffern werden jetzt auf jeder Seite neu gezählt. Die für
deutsches Sprachgefühl schreckliche Abkürzung Apogesch. ist nunmehr
durch Apg. ersetzt worden. Zu bedauern ist hingegen, daß der Buchstabe
ß jetzt überall durch ss abgelöst worden ist. S. 145, Anm. 2 ist
ein französisches „article cite" in den deutschen Text gelangt; die undeutsche
Wendung: „Vielleicht hält Markus hier mit Absicht daran,
daß ..." (S. 23, Anm. 1) ist stehengeblieben. Eine Umarbeitung größeren
Stils hat das Buch nicht erfahren, so daß „umgearbeitet" weithin
= „ergänzt" ist. Selten sind einzelne Sätze oder Anmerkungen gestrichen
worden. Die Erweiterungen betreffen in der Hauptsache die
Anmerkungen. Daß auf S. 9 der Anm. des wiederabgedruckten Vorworts
zur 1. Aufl. eine Literaturangabe angefügt worden ist, ist nicht
ganz korrekt. In den Registern finden sich leider einige Versehen.
Stellenregister: statt Sach. 11 muß es 4,11 heißen; Lk. 22,31 (S. 28)
ist unter die Matth.-Stellen geraten; statt Joh. 1,2 muß es 1,42, statt
22, 1 f. 22, 15f. heißen; statt Apg. 4, 25 f. (S. 75) wäre 4,27 (S. 70)
richtig gewesen; statt Gal. 14 muß es 2, 14 heißen. Autorenregistcr:
Itatt Bernhard muß es (auch auf S. 68) Bernard heißen, 6tatt Köster
Kösters; Voegtle und Vögtie sind identisch.

Bern Wilhelm M i c h a e I i s

Noetzel, Heinz: Christus und Dionysos. Bemerkungen zum reli-
gionsgcschichtlichen Hintergrund von Johannes 2, 1—11. Berlin: Evang.
Verlagsanstalt [i960]. 59 S. gr. 8° = Aufsätze und Vorträge zur
Theologie und Religionswi6sensdiaft, hrsg. v. E. Schott u. H. Urner,
H. 11, und Stuttgart: Calwer Verlag [i960]. = Arbeiten zur Theologie
, hrsg. m. A. Jepsen u. O.Michel v. Th. Schlatter, H. 1.

Der früh heimgegangene Verf. (f 1959) behandelt die Geschichte
von der Hochzeit zu Kana: er untersucht ihre etwaigen
Beziehungen zu Dionysos und tritt dafür ein, sie aus jüdischen
Voraussetzungen zu erklären: „daß Jesus durch das Weinwunder
als der Bringer eschatologischer Freude erscheint" (S. 5 5). Ich
halte diese Deutung für möglich. Sie wird mit großer Gelehrsam-