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Ausgabe:

1961 Nr. 1

Spalte:

70-72

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Allmen, Jean-Jacques von

Titel/Untertitel:

Diener sind wir 1961

Rezensent:

Hamel, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 1

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dung offenbar nicht offengehalten. Ist aber dann die vom Verf.
behauptete Geschichtlichkeit noch echte Geschichtlichkeit?
Oder tritt an ihre Stelle (und damit an die Stelle der Offenheit
) nicht vielmehr eine „Theorie der Geschichtlichkeit", deren
Übernahme eine Sache vernünftiger Einsicht ist? Die große
Zurückhaltung, welche Bultmann im Aufzeigen der bleibenden
Gebundenheit des christlichen Geschichtsverständnisses an den
Glauben übt, begründet das eigentümliche Schwanken seiner Darlegungen
zwischen sokratischer Dialektik (die auf die Erkenntnis
allgemeiner Wahrheit, hier: der Geschichtlichkeit des Menscheeins
sich richtet) und Appell des christlichen Glaubensverständnisses
(das auf die konkrete Öffentlichkeit des ,,geschichtlichen"
Handelns Gottes in Christus in der Kirche bezogen wäre).

Ist der Grund für diese Zurückhaltung vielleicht zu suchen
in der gebieterischen Abwendung vom objektiven Zusammenhang
der Geschichte überhaupt hin auf die Geschichtlichkeit der
Existenz? Es ist auffallend, daß Bultmanns Darlegung nur an
einer Stelle ausgesprochen polemisch wird: in der Darstellung
von Jaspers' Versuch eines Geschichtsentwurfes. Bultmann macht
ihm geradezu den Vorwurf der Verkennung des Historismus
<148). U. E. zu Unrecht, was sich daran erweist, daß die meisten
der an Jaspers getadelten Bestimmungen der geschichtlichen
Existenz wenig 6päter in Bultmanns eigenem Entwurf wiederkehren
(Einheit der Geschichte im existentiell gegründeten Entwurf
: 151, vgl. aber 172; Standpunkt der Existenz gleichsam jenseits
der Geschichte 149 ff.; vgl. aber 175, 183. Daß dieser
Standpunkt nur geschenkt werden kann, nicht verfügbar ist (175)
und daß Personalität der Existenz keine Substanz jenseits der
Geschichte besagt (ebd.), ist ja auch Jaspers' Meinung; Existenz
■verwirklicht sich in der Liebe und ist damit dem bloßen kausalen
Geschehen überlegen 151, vgl. aber 174). Bleibt ein wirklicher
Dissensus nur in der Entfaltung eines umgreifenden „Gesamtbildes
" der Geschichte, das unserem Begreifen jeweils den Horizont
gibt und das Jaspers bejaht, Bultmann verneint. Hier stellt
«ich nun die zweite Frage: geht nicht der Jasperssche Versuch,
ein umfassendes Geschichtsbild aus dem gegenwärtigen Selbstverständnis
geschichtlicher Existenz zu entwerfen, gerade in entscheidender
Weise über Buirmanns Ansatz hinaus, ohne gleichwohl
die Geschichtlichkeit der Existenz preiszugeben? Und wenn
Jaspers' Selbstverständnis nicht das christliche ist, muß nicht erst
recht dem christlichen Glauben, der sich nach Bultmann auf ein
„innerhalb der Geschichte anhebendes" eschatologisches Geschehen
bezieht, die Tendenz innewohnen, sein Selbstverständnis im
Blick auf dieses innergeschichtliche Geschehen konkret zu entfalten
? Ist nicht gerade dies (der Entwurf des Glaubensverständnisses
auf den geschichtlichen Zusammenhang des Heilsgesche-
hens) die Eigenart der biblischen Geschichtsschreibung in ihren
immer neuen Anläufen? Und kann das Selbstverständnis gegenwärtigen
Glaubens auf diese Vergewisserung verzichten, wenn
anders es durch Jesus Christus nun doch auch innergeschichtlich
begründetes, auf ihn innergeschichtlich konkret bezogenes Selbstverständnis
ist? Der Rückverweis von der Universalgeschichte
auf die Geschichte in der eigenen Brust, mit dem Buirmann
schließt, kann doch nun gerade christlich kein endgültiger, sondern
lediglich ein dialektischer sein, wenn anders christlicher
Glaube nicht sokratisch individuelle Repräsentation einer ge-
6chichtsgemäßen Haltung, sondern eben Sein in Christo in der
Gemeinde geschichtlichen Miteinanderseins darstellt.

München Wenzel Lohff

Bartels, Karl-Heinrich: Der theologische Quellort der „Sammlung"

und ihre Parole „Katholische Reformation".

Evangelische Theologie 20, 1960 S. 364—379.
Benckert, Heinrich: Schöpfung und Geschichte. Zum Verständnis

des ersten Artikels.

Evangelische Theologie 20, 1960 S. 433—455.

B e v e n o t, Maurice: Tradition, Church and Dogma.
The Heythrop Journal 1, 1960 S. 34—47.

Bock, Hartmut: Das Spiel beginnt. Wider die Theologie der Überhebung
.

Die Zeichen der Zeit 14, 1960 S. 277—281.
G e r r i s h, Brian A.: Atonement and „Saving Faith".
Theology Today 17, 1960 S. 181—191.

Gill, Jerry H.: Reinhold Niebuhr and Apologetics.

Theology Today 17, 1960 S. 200—212.
Gollwitzer, Helmut: Das Bild des Menschen im theologischen

Denken der Gegenwart.

Die Zeichen der Zeit 14, 1960 S. 241—252.
Grin, Edmond: Quelques aspects de la pensee de Dietrich Bonhoeffer.

Stüdes Theologiques et Religieuses 35, 1960 S. 47—71.
I w a n d, Hans Joachim: Die theologischen Aussagen der Arnolds-

hainer Thesen.

Kirche in der Zeit 15, 1960 S. 327—331.
Karnetzki, Manfred: Die Frage nach dem historischen Jesus in der
Existenz theologie.

Die Zeichen der Zeit 14, 1960 S. 361—367.
K n e v e 1 s, W.: Die Begegnung des Glaubens mit dem Zweifel, dem

Atheismus und dem Antitheismus.

Deutsches Pfarrerblatt 60, 1960 S. 298—300.
Philippi, Paul: Toleranz — oder Kompromiß? Diskussionsbeitrag

zur Klärung eines Begriffes.

Die evangelische Diaspora 31, 1960 S. 9—26.
Prent er, Regin: Der Auftrag der evangelischen Kirche gegenüber

dem Anspruch des römischen Katholizismus.

Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung 14, 1960 S. 305—310.
Rohden, Wilhelm von: Union und Lehre.

Die Zeichen der Zeit 14, 1960 S. 322—326.
Schönweiß, Hans: Gespräch des Pietismus mit Karl Barth.

Deutsches Pfarrerblatt 60, 1960 S. 351—354.
Schrey, Heinz-Horst: Kulturkritik und Kulturbejahung im Christentum
.

Universitas 15, 1960 S. 1087—1099.

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Allmen, Jean-Jacques von: Diener sind wir. Auftrag und Existenz
des Pfarrers. Stuttgart: Quell-Verlag d. evang. Gesellschaft [1958].
223 S. 8°. Lw. DM 8.80.

Das Buch ist eine Übersetzung aus dem Französischen. Das
Original — La Vie Pastorale — La Predication — erschien in der
Zeitschrift „Verbum Caro", die von der Communaute de Taize
redigiert wird. Der Verfasser ist Professor für Praktische Theologie
an der Universität in Neuchätel.

Nach der „Pastoraltheologie in Reden an Theologiestudierende
" von Claus Harms (18 30) und dem Büchlein „Der evangelische
Geistliche" von Wilhelm Löhe (1858) war es lange Zeit
still um die Bemühung, das Ganze des Pfarramtes im Rahmen
der Praktischen Theologie darzustellen. Erst 1916 gab Hermann
Bezzel das Buch heraus „Der Dienst des Pfarrers". Es folgten
193 5 die „Evangelische Predigtlehre" und 1950 „Der Dienst der
Kirche am Menschen" von Wolfgang Trillhaas. Ihnen stellt sich
nun die Veröffentlichung eines reformierten Autors an die Seite,
mit Trillhaas in der kräftigen Bejahung eins, mit der Sinn, Auftrag
und Wert des pfarramtlichen Wirkens beschrieben wird.

Das schöne Büchlein umfaßt zwei Kapitel: einmal „Das Leben
des Pfarrers" (S. 13—134), sodann „Die Predigt" (S. 135
— 222). Im Geleitwort von Helmut Gollwitzer heißt es: „Ich
habe manches nicht ohne Fragezeichen gelesen, aber nichts, was
nicht wert wäre, unter uns erwogen und besprochen zu werden,
und vieles, was wir nicht nur besprechen, sondern in die Tat
umsetzen sollten. . . . Kreise von Pfarrern, von Ältesten und von
Gemeindegliedern, die von Allmens Buch zum Besprechungsgegenstand
wählen, werden hier eine Hilfe bekommen, um vom
entmutigenden Schein zur freudigen Wirklichkeit des Pfarramts
vorzustoßen" (S. 7).

Im ersten Kapitel wird in fünf Teilen das Leben des Pfarrers
umschrieben, jeder dieser Teile ist durch fünf Thesen gegliedert
. Im ersten Teil („Der Pfarrer — ein Diener Jesu Christi"),
der theologischen Grundlegung, wird der Pfarrer und sein Amt
analog der Einsetzung, dem Auftrag und der Hoffnung des Apo-
stolats durch Jesus Christus umschrieben (christologische statt
ekklesiologische oder soziologische Begründung des Pfarramtes).
„Als Diener Jesu Christi hat der Pfarrer die Aufgabe, ein Echo
auf das erste Kommen Jesu Christi zu geben und das zweite Kommen
seines Herrn vorzubilden; durch seinen Dienst ereignet sich
Heilsgeschichte" (S. 18, These 2). Das Pfarramt umfaßt nicht nur
den pastoralcn Auftrag im eigentlichen Sinn des Wortes, sondern