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Ausgabe:

1961 Nr. 12

Spalte:

909-910

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Gottes ist der Orient 1961

Rezensent:

Zimmerli, Walther

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909

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 12

910

bejaht die These von der sich selbst auslegenden Schrift als gut
katholisch. „Aber so umfassend wir sie auch befragen, die
Schrift erteilt längst nicht immer eine klare Antwort". Darum
erscheint es als das Natürliche, „daß die Kirche die Schrift autoritativ
auslegte" (478). Daß dieses anscheinend Natürliche doch
auch sehr problematisch ist, werden wir ihm aus unserer evangelischen
Sicht heraus entgegenhalten müssen. — Eduard Stakemeier
, Ökumenische Bewegung und Probleme der evangelischen
Theologie, bringt eine Literaturübersicht. — Gottfried Hoffmann,
Die liturgische Erneuerung im Protestantismus aLs Problem und
Verheißung, lehnt zwar den Gedanken eines Hineinwachsens in
die katholische Kirche auf dem Wege der Liturgie ab (denn um
an der Fülle der Kirche teilhaben zu können, „bedarf es einer
sakramentalen und durch göttliches Recht gesetzten Inkorporation
" (534 f.)), hofft aber auf eine missionarische Wirkung der
römischen Messe bei den für die liturgische Erneuerung aufgeschlossenen
Kreisen.

Halle/Saale Erdmann Sch o 11

[Eißfeldt, Otto:] Gottes ist der Orient. Festschrift für Professor
D. Dr. Otto Eißfeldt, DD., zu seinem 70. Geburtstag am 1. September
1957. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1959]. 197 S., 1 Porträt,
6 Abb. 4°. Kart. DM 20.-.

Ihrem Mitherausgeber Otto Eißfeldt hat die Zeitschrift für
die alttestamenliche Wissenschaft als Beiheft 77 unter dem
Titel „Von Ugarit nach Qumran" 1958 eine von 22 Alttesta-
mentlern und einem Juristen aus 11 Ländern zusammengebrachte
Festschrift mit einer umfänglichen Tabula gratulatoria gewidmet.
An ihre Seite tritt hier aus dem unmittelbaren räumlichen
Arbeitskreis des Jubilars eine Sammlung von 19 Beiträgen. Zu
den 14 Beiträgen von Hallenser Kollegen, zu denen im weiteren
Sinne auch noch W. Kessler (Gnadau) und K. von Rabenau
(Naumburg) zu rechnen sind, tritt je ein Beitrag von J. M. Lochmann
(Prag) [er wird versehentlich im Inhaltsverzeichnis übergangen
], eine exegetisch-katechetische Gemeinschaftsarbeit von
H. Bardtke und H. Wagner (Leipzig) und ein solcher von E. Stauf-
fer (Erlangen). Einzelne Beiträge, wie etwa diejenigen von Kessler
und von Rabenau sind zunächst in der Wissenschaftlichen Zeitschrift
der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 1957 erschienen
, derjenige von Böhlig in der Zeitschrift für ägyptische
Sprache und Altertumskunde 8 3. Die Herausgabe der gesammelten
Festschrift hat die Evangelische Verlagsanstalt Berlin besorgt.

Den Einzelbeiträgen hat K. von Rabenau eine kurzgefaßte
Würdigung des großen wissenschaftlichen Werkes von O. Eißfeldt
, der für sein Arbeiten entscheidende Anstöße durch J. Wellhausen
, den er noch selber in Göttingen gehört, und W. Graf
Baudissin verdankt, vorangestellt (S. 7—8). Es ist ein reizvolles
Zusammentreffen, daß E. Barnikol in seiner Festgabe 7 Briefe
des jungen Wellhausen, die dieser in den Jahren 1872—1879 an
A. Dillmann gerichtet hat, veröffentlichen kann (S. 28—39). Das
Bild der Greifswalder Zeit Wellhausens, zu dem A. Jepsen in der
Festschrift zum 500-jährigen Jubiläum der Universität Greifswald
, 1956, wichtige Quellen beigebracht und ausgewertet hat,
erfährt dadurch eine dankenswerte Bereicherung. Man erkennt
in ihnen nicht nur die hohe Verehrung Wellhausens für 6einen
wie auch Dillmanns Lehrer H. Ewald („Ich glaube, hinsichtlich
der Auffassung einer Stelle im Großen, dem Ewald aufs Wort
mehr als dem Hitzig auf sieben mal siebenzig Gründe"), sondern
erfährt auch manches höchst Aufschlußreiche über Wcllhausens
Stellung zu Kirchenpolitik und Protestantenverein. Wellhausen
spricht dabei sein eigenes wissenschaftliches Ethos aus, wenn er
6agt: „Wenn ich mich gerade ausdrücken darf, so möchte ich
sagen, daß Ewalds metra carminum Arabicorum für die Wiedergeburt
der Kirche mehr getan haben als alles, was Pfleiderer und
Holtzmann mit der directen Beziehung der Wissenschaft auf
Religion geschrieben haben. Die Wissenschaft ist vor allen
Dingen Selbstverleugnung". — Das Fehlen einer repräsentativen
Wellhausen-Biographie, die sein wissenschaftliches Werk zuverlässig
darstellt und würdigt, wird einem bei diesem Anlaß
erneut schmerzlich bewußt. Ob wir eine solche, etwa zum
SO. Todestag Wellhausens, vielleicht aus der Hand von Rud.
Smend jun. werden erwarten dürfen?

Im weiteren kann es sich hier nur um knappe Andeutungen
über den weitgesteckten Rahmen der Beiträge der Festschrift
handeln. Einen Beitrag zut alttestamentlichen Textüberlieferung
liefert A. Böhlig in seiner Schilderung der Berliner achmimischen
Proverbienhandschrift (S. 40—41). K. von Rabenau
sucht Ez. 15 und 17 von der Gattung des Rätsels her zu verstehen
(S. 129—131), während W. Kessler das auffallende Phänomen
der Meidung der Gottesbezeichnung Jahwe Zebaoth im jüngeren
alttestamentlichen Schrifttum aus einer heimlichen Polemik
gegen die in diesem Namen noch mitschwingende Hindeutung
auf „Mächte" zu verstehen sucht (S. 79—8 3). Über den Dekalog
bei LutheT handelt E.Schott (S. 132—138), über den Psalter in
der byzantinisch-slavischen Orthodoxie K. Onasch (S. 106—128).
H. Bardtke und H. Wagner führen den methodischen Weg von
der Exegese eines Textes bis zum Unterrichtsentwurf an den Beispielen
Gen. 1, 1-9; 12, 1-8; Ex. 3, 1—15 und Am. 7, 10—17
vor (S. 13—27). Neutestamentliche Fragen kommen in E. Klostermanns
Behandlung der „Apologie des Paulus, Galater 1, 10—2,
21" (S. 84—87) wie auch in E. Stauffers ausführlichen Erwägungen
über „Neue Wege der Jesusforschung", deren Ertrag abschließend
in 47 Sätzen zusammengefaßt wird, zur Sprache (S. 161
—186). In den weiteren Umkreis der Arbeit am Neuen Testament
wird man auch W. Schubarts Ausführungen über die Schreiber
der griechischen Papyri, ihre Schreibweise und Schulung in
der Zeit von Alexander d. Gr. bis in die Zeit Augustins einstellen
können (S. 139—141), während die gründliche Untersuchung
von „Wunder-Allegorie-Mythus bei Philon von Alexan-
dreia" von G. Delling den Alttestamentler und den Neutesta-
mentler gleichermaßen anspricht (S. 42—68). In den Bereich der
germanischen Religionsgeschichte gehört der von W. Schulz vorgelegte
Versuch einer Deutung der Darstellungen auf den zwei
Goldhörnern von Gallehus mithilfe des vergleichsweise herangezogenen
Olifant von Jäsz-Bereny in Ungarn (S. 152—160). In
die neuere Geistesgeschichte führen die Beiträge von H. Ahrbeck
über die „Mosaiker", d.h. die Philosophen des 17. Jahrhunderts,
welche die Prinzipen der Wissenschaft aus Mose oder den übrigen
Schriften der Offenbarung entlehnen (S. 9—12), von G. Schubart-
Fikentscher über den Streit um des Thomasius Vorlesung de
decoro in den Jahren 1700—1702, der mit dem königlichen Verbot
dieser Vorlesung endet (S. 142—151, mit 2 Faksimilewiedergaben
) und von H. Haussherr über „Demokratie und
Rechtsstaat in der Revolution von 1848" (S. 69—78) — das
letzte eine Rede, die 1948 bei der Jahrhundertfeier unter dem
Rektorat von O. Eißfeldt in der Aula der Hallenser Universität
gehalten wurde. Über die Ästhetik des Hallenser Philosophen
G.F.Meier (1718—1777), des Schülers und Nachfolgers von
Alexander Baumgarten, handelt P. Menzer (S. 99—105). Eiß-
feldts Fakultätskollege A. Lehmann, der auch das Grußwort zu
Eingang der Festschrift verfaßt hat, bestimmt in einem besonderen
Beitrag den Standort und die Aufgabe der Religions- und
Missionswissenschaft im Theologiestudium (S. 88—93). — Zwei
letzte Beiträge führen schließlich ganz unmittelbar an das weltanschauliche
Fragen der Gegenwart heran. H. Urner fragt, welche
Aussage in der Gestaltung des Stoffes von „Iphigeniens
Heimkehr" in der Dichtung der Gegenwart (Hauptmann, Ilse
Langer, Günter Rutenborn) zu Gehör gebracht wird und in
welcher Beziehung diese zur Botschaft des Evangeliums steht
(S. 187—197). Von der Gegenseite her führt J. M. Lochmann in
einer Darstellung der Religionskritik von Feuerbach und Marx
an die Fragen heran, die der Atheismus heute an die Kirche richtet
und stellt fest, daß die Frage des ernsten Atheismus uns zur
Frage nach der treuen Kirche Jesu Christi wird (S. 94—98).

Im Stichwort „Gottes ist der Orient" möchte die Festschrift
den weiten Bogen der wissenschaftlichen Arbeit O. Eißfeldts
sichtbar machen. Als Dank für diese Arbeit versteht sich die
reiche Fülle dieser Festschrift, in deren beiden letzterwähnten
Beiträgen besonders deutlich hörbar wird, wa6 schon das Grußwort
zu Beginn feststellt, daß „Gottes auch der Okzident" ist.

Göttingen Walther Z i m m e rl i