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Ausgabe:

1961 Nr. 12

Spalte:

907-909

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Theologisches Jahrbuch 1960 1961

Rezensent:

Schott, Erdmann

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907

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 12

908

6tellen und er wird, in der Meinung, daß das ja das „legitimste
theologische Reden vom AT" ist, Gen. 50, 20 „nacherzählen".
Und dann geht er in einem gänzlich unerlaubten Kurzschlußverfahren
(einer Begründung bedarf er ja genau 60 wenig wie
sein Meister v. R.) mit Hilfe der „charismatischen" Interpretation
über zur Passion Christi als dem Antityp zu dem „etwas
wie"-Typus. „Eine solche Vergleichzeitigung von Alttestament-
lichem wird sich kein Prediger verdächtigen lassen" (II 399).

Mit diesem für die Verkündigung empfehlenden Beispiel
Gen. 50,20, destruiert v. R. die ganze theologische
Vorarbeit für die Predigt, wie sie oben
Sp. 904 als unerläßlich postuliert wurde. In Konsequenz seines
theologischen Aspekts muß ja wohl v. R., da es für ihn keinen
anderen Weg mehr gibt, verweisen auf das „Nacherzählen" und
auf das „Charisma" des Predigers. Diesen „milden", das Problem
niederhaltenden Begriff charisma aufnehmend, usurpiert der
Prediger das pneuma, nicht ahnend, daß mit seinem charismatischen
Eklektizismus sein eignes kleines pneuma am Werk ist.
Und nun spürt er nach den Analogien, er hat plein pouvoir. Er
kann sich tummeln, denn „die Zahl der alttestamentlichen Typen
ist unbegrenzt" (v. R., Ev. Theologie, 1952, S. 31). Die Historie
ist eliminiert, die systematisch-theologische Durchdenkung des
Textes wird mit dem Sprung in die Vergleichzeitigung des Typs
übersprungen. „Methode der heiligen Simplicität" (L. Fendt).

In diesem Endergebnis für die Verkündigung mündet das
mühevolle und große Werk v. R.s aus. Es ist ein großes Werk,
und es wird theologiegeschichtlich seinen Platz erhalten. Nicht
nur, daß es in vielen Einzelheiten eine neuartige Schau entwickelt
, daß es auch für größere Komplexe — mir scheint das insbesondere
für die Behandlung von Jesaja, Jeremia und Ezechiel
zu gelten — neue und eigenartige Perspektiven eröffnet: v. R. hat

vor allem der traditionsgeschichtlichen Forschung zweifellos den
Horizont erheblich erweitert und ihr bedeutsame Neueinsätze

I aufgezeigt. So wird die Einleitungswissenschaft sich
v. R. zu großem Danke verpflichtet fühlen, sie wird an ihm

[ nicht vorübergehen können. In seinem Hauptanliegen jedoch, in

| der theologischen Fragestellung gegenüber dem AT, hat das
Werk v. R.s eine Klärung nicht erbracht, im Gegenteil, es hat
die Lage nur noch verwirrter gemacht. Das Werk ist nach der
theologisch - begrifflichen Seite so unpräzis, und es versperrt
von daher 60 unglücklich für den Systematiker den Zugang
zur alttestamentlichen Theologie und es führt von daher so
gefährlich elegant über abgrundtiefe theologische Schwierigkeiten
hinweg und entbindet damit den Studenten und den Pfarrer so

I 6tark von der Selbstzucht theologischen, also logisch-methodischsystematischen
Denkens, daß man versucht ist, zu sagen: der Ersatz
der preisgegebenen methodisch-systematischen Behandlung
des Forschungsgegenstandes durch dessen pneumatische Erfassung
bedeutet ein bedenkliches Zurückgeworfenwerden unserer alttestamentlichen
Disziplin und eine Vermehrung der Verlegenheit
gegenüber der alttestamentlichen Wissenschaft für den Dogma-

I tiker und die Heraufführung einer chaotischen Situation für die
kirchliche Verkündigung. Auch mit diesem — nach der einen
(literarkritischen) Seite so eindrucksvollen und bedeutsamen —
Werk v. R.s ist für Theologie und Kirche noch keine feste Basis
hinsichtlich der Erfassung der Botschaft des Alten Bundes gewonnen
, wir sind auch mit diesem Werk noch lange nicht am Ziel.
Ehe wir das AT, das uns theologisch entglitten ist, wieder in
festen theologischen Griff bekommen, wird noch viel Wasser
den 6tolzen, durch seine Schönheit berauschenden Heidelberger
Neckar und die armselige, ach, so nüchterne Erlanger Regnitz
hinabfließen.

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

Theologisches lahrbuch 196 0, hrsg. v. Albert Dän-
hardt. Leipzig: St. Benno-Verlag 1960. V, 538 S. gr. 8°. Lw.
DM 8.35.

D. gibt 46 Autoren zu aktuellen Problemen der katholischen
Theologie das Wort. Das wissenschaftliche Niveau ist durchweg
hoch, die konfessionelle Polemik im allgemeinen vornehm und
um Verständnis der evangelischen Haltung bemüht. Folgende
Beiträge seien hervorgehoben:

O. Spülbeck, Kausalität und Atomphysik, versucht zu zeigen
, daß das metaphysische Kausalitätsprinzip ein apriorischer
Satz ist, der durch die Erkenntnisse der Atomphysik nicht tangiert
wird. An der Geltung des Kausalprinzips muß festgehalten
werden, um die Beweisbarkeit Gottes (via causalitatis) zu sichern.
Man halte dagegen, wie evangelische Apologetik manchmal umgekehrt
aus der Infragestellung des Kausalprinzips durch die
Atomphysik theologisches Kapital zu schlagen versucht; m. E. ist
das eine ebenso fragwürdig wie das andere. — R. Schnackenburg,
Der Weg der katholischen Exegese, erörtert das hermeneutische
Problem unter starker Betonung der historisch-kritischen Methode
. — J. Blinzler, Zum Problem der Brüder Jesu, macht in
gründlicher Analyse der Texte wahrscheinlich, daß die „Brüder"
Jesu in Wahrheit seine Vettern waren. — K. Rahner, Überlegungen
zur Dogmenentwicklung, geht dem besonders an den
Mariendogmen entstehenden Problem nach, wie solche Aussagen
, die sich rational nur mühsam aus Schrift und ursprünglicher
Tradition begründen lassen, dennoch als Entfaltung der
Offenbarung ausgegeben werden können. Er kommt nur dadurch
einigermaßen zum Ziel, daß er den Begriff des Wortes Gottes
in dem der Hierarchie verankert sieht: „Wort Gottes ist immer
das vom bevollmächtigten Träger der Lehre und Überlieferung
in der hierarchisch verfaßten Kirche ausgerichtete Wort" (129).
Wie soll dann aber das Wort Gottes noch seine kritische Funktion
auch gegenüber der Kirche und der Hierarchie ausüben? —
Dieselbe Frage ist auch an K. Hardt, Die unsichtbare Regierung
der Kirche, zu richten. Nach ihm kommt angesichts der Unfehlbarkeit
Roms „jegliche Häresie aus dem Ichgeist und Stolz" (177).

„Das aus der inneren Selbstbehauptung gegenüber der Kirche
aufbrechende Wort des Reformators .weder kann noch will ich
widerrufen'" (215), findet kein Verständnis. Die Frage, ob es
nicht die Bindung an die Wahrheit ist, die den Widerruf unmöglich
macht, wird nicht gestellt. — Sehr deutlich wird die Abschirmung
der Kirche gegen eine Kritik von der Schrift her bei Heinrich
Bacht, Tradition und Lehramt in der Diskussion um das
Assumpta-Dogma. Bacht verwahrt sich gegen die protestantische
These, „daß die Kirche nur durch die Schrift des Gottesgeistes
sicher ist und daß sie nicht als Kirche schon die Verheißung des
immerwährenden Geistbeistandes hat. Da es der gleiche Geist ist,
der auch die Schrift inspiriert hat, kann es die befürchtete
Gegensätzlichkeit zur Schrift nicht geben" (23278). Aber woher
weiß die römische Kirche, daß sie „die" Kirche ist, wenn nicht
aus der Schrift? Mit welchem Recht will sie 6ich dann aber einer
Kritik ihrer Dogmen von der Schrift her entziehen? Oder soll
die Schrift nur so weit zu Worte kommen dürfen, als es das
römische Lehramt auf Grund seiner unfehlbaren Auslegungsautorität
gestattet? Dann würde sich also die römische Kirche im
Grunde auf sich selber und ihre postulierte Autorität stützen. —
Recht instruktiv ist Johannes Wagner, Drei römische Dokumente.
Es handelt sich um die Instructio vom 3. 9. 58 und die beiden
Schreiben des Hl. Offiziums vom 23. 12. 58 und vom 11. 2. 59.
Die Instructio der Hl. Ritenkongregation verbietet den Gebrauch
der Muttersprache in der Messe so weitgehend, daß die historisch
gewordenen Formen der deutschen Gemeinschaftsmesse und
der Bet-Sing-Messe mit ihren Weisungen nicht in Einklang gebracht
werden können. Allerdings spricht Artikel 13c von excep-
tiones particulares . . . a Sancta Sede concessae, die auch nach
der Instructio in Kraft bleiben. Linter diese fallen nach der inzwischen
durch die Schreiben des Hl. Offiziums bestätigten
Rechtsauffassung der deutschen Oberhirten die gottesdienstlichen
Sonderformen der deutschen und österreichischen Bistümer. Allerdings
steht die Erfüllung weitergehender Wünsche noch aus, besonders
„nach einer unmittelbaren Verkündigung der Meßperi-
kopen in der Muttersprache, ohne daß 6ie vorher lateinisch gelesen
oder gesungen werden müßten" (402). — Joseph Lortz, Die
Einheit des Christentums in katholischer Sicht, erörtert den
Wahrheitsbegriff unter dem kontroverstheologischen Aspekt. Er