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Ausgabe:

1961 Nr. 11

Spalte:

844-845

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Testini, Pasquale

Titel/Untertitel:

Archeologia cristiana 1961

Rezensent:

Goldammer, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 11

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aufweist, den Leser fesselt und ein anschauliches Bild sowohl
über die Persönlichkeit Josafats wie auch über seine Zeit vermittelt
.

Das Buch ist offenbar auf eine größere Breitenwirkung angelegt
, es ist für den gewöhnlichen Leser gedacht, aber auch für
den Fachmann darf es nicht ohne Interesse sein: es will populär
sein und zugleich auch seinen wissenschaftlichen Wert dokumentieren
, denn die Anmerkungen, die ca. 75 Seiten umfassen, weisen
Zeile um Zeile nach, aus welcher Quelle die einzelnen Redewendungen
, Fakten und Daten entnommen worden sind. Die
Persönlichkeit Josafats ist in einen breiten historischen Rahmen
hineingestellt. Im Leben und Wirken und in dem tragischen
Schicksal des Bischofs soll da6 Schicksal und die Bedeutung der
unierten Kirche deutlich werden.

Diese Biographie Josafats, die vom erzbischöflichen Ordinariat
in Wien approbiert worden ist, zeigt in ihrem Untertitel
„Vorkämpfer und Märtyrer für die Einheit der Christen", worum
e6 in dieser Arbeit geht: der heilige Stuhl in Rom sieht in der
unierten Kirche ein Mittel, um die morgenländische orthodoxe
Kirche und vor allem die russische orthodoxe Kirche in den
Schoß der römischen Kirche zu führen. Die Florentinische Union
von 1439 fand nach ca. 150 Jahren in der Brester-Union von
1596 ihre bedeutendste Verwirklichung. In den von Littauen und
Polen beherrschten russischen Gebieten — Bjelorußland und
Ukraine — wurde mit Hilfe der Polnischen Krone auf der Synode
von Brest 1596 die Unionskirche gegründet. Diese Kirche war für
die russische orthodoxe Bevölkerung gedacht, sie sollte zunächst
die Rechtgläubigen auffangen, um sie dann in die Arme Roms
zu führen. Gegen die Unionskirche von Brest richtete sich die
Feindschaft sowohl konfessioneller als auch politischer Gegenkräfte
: die orthodoxen Russen im polnischen Königreich, das
damals die Ukraine und Bjelorußland beherrschte, sahen in der
Union ein Mittel zur Latinisierung und Polonisierung der
russischen Bevölkerung; die Mohammedaner bekämpften die
Union als eine Verschwörung der Christen gegen die islamitische
Welt; für die katholischen Polen erschien die Union als Ursache
des Krieges, der immer wieder durch die 6treng-rechtgläubigen
ukrainischen Kosaken und die islamitischen Türken gegen Polen
entfesselt wurde.

Das Schicksal der Union wurde dadurch bestimmt, daß diese
Kirche ein Leben zwischen zwei feindlichen Fronten führen mußte:
für Rom war sie nur eine Stieftochter, für Moskau — das trojanische
Pferd Roms. Die Träger und Glieder dieser Kirche mußten
daher ein Leben des Kampfes und des Martyriums auf sich
nehmen.

Das Werk von Unger-Dreiling führt uns in eine Zeit ein,
in der die Welt der Wunder ebenso selbstverständlich war wie
religiöser Fanatismus, bei dem alle menschlichen Leidenschaften
entfesselt und unmenschliche Grausamkeiten verübt wurden.

In den Mittelpunkt dieser kirchlichen und nationalen Auseinandersetzungen
stellt die Verfasserin die Gestalt des frommen
Asketen und Bischofs Josafat, der bei der Ausübung seines Amtes
in Witebk 1623 von einer fanatisierten Menge grausam ermordet
wurde. Die Verfasserin würdigt Josafat als einen echten Märtyrer
seines Glaubens und seiner Treue.

Der Verfasserin kann man den Vorwurf jedoch nicht ersparen
, daß sie mit zweierlei Maß mißt. Während sie die Vertreter
der Union als treue Glaubenszeugen und wahre christliche Märtyrer
würdigt, stellt sie die Rechtgläubigen, die ebenfalls um
ihren Glauben schwer zu kämpfen hatten, als grausame fanatische
und böse Verfolger hin. Die Basilianerorden und Klöster der
Unierten erscheinen in der Darstellung als Stätten der Frömmig-
keiet, dagegen die Klöster und Bruderschaften der Rechtgläubigen
als Brutstätten des Zwistes, der Intrigien und allen Streites.

Während Rom und die Jesuiten nach Glaubenseinheit strebten
und beide Kirchen zu vereinigen suchten, wirkte das rechtgläubige
Moskau als Störenfried. Die Tendenz ist offenbar!

Die Lebensbeschreibung gipfelt in dem Glauben, daß der
Geist Josafats, der treu zum römischen Papsttum stand und sich
eng mit den Jesuiten verbunden wußte, den Sieg behalten werde.
Am Ende, so wird am Schlüsse des Buches ausgeführt, erreicht der
suchende und umherirrende Christ nach einer längeren Wanderung
Rom, wo er auf die „Piazza San Pietro" zu der „Neuen

Peterskirche" hineilt. Dort ist schon eine unzählige Schar aus
allen Völkern und Stämmen, Ländern und Sprachen versammelt,
die mit einem Munde bekennen: „Habemus Papam!" — „Und sie
verbeugten sich vor ihm gleichwie vor einer Ikone, in welcher das
Bild der machtvollen Alleinherrschaft Gottes erstrahlte" . . . .
Das ist die Vision, das Wunschbild, mit dem das Buch schließt.

Alles, was im Dienste der Verwirklichung dieses Wunschbildes
steht, erscheint der Verfasserin frommer Gottesdienst zu
Ehren des Herrn, was dem aber entgegensteht, gilt als unchristlich
, feindselig und verwerflich. Da die russische orthodoxe
Kirche in Geschichte und Gegenwart im schärfsten Widerspruch
gegen die Ansprüche des Vatikans steht, werden ihre Vertreter
in dieser Schrift sehr negativ beurteilt. So z. B. 6tellt die Verfasserin
das Leben Josafats als ein Leben dar, das zwar einen Anfang
hat, aber ohne Ende sei, dagegen das Lebenswerk des russischen
orthodoxen Fürsten Konstantin von Ostrog, der zur selben Zeit
für die Erhaltung der orthodoxen Kirche kämpfte, vergleicht sie
mit vertrocknetem, fruchtlosen Samen. Kann man, darf man heute
60 einseitig konfessionell urteilen?

Berlin Karl Rose

CHRISTLICHE ARCHÄOLOGIE UND
GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST

Testini, P.: Ardieologia Cristiana. Nozioni generali dalle origini
alla fine del See. VI. Propedeutica-Topografia cimiteriale-Epigrafia-
Edifici di culto. Roma, Parigi, Tournai, New York: Desclee & Cie
[1958]. XIV, 774 S., 435 Abb., 3 Taf. gr. 8°.

Das Carlo Cecchelli und Antonio Ferrua gewidmete Buch,
vornehmlich gedacht als Hilfsbuch für Dozenten und Studenten,
will das alte Handbuch von Orazio Marucchi ersetzen und 6tellt
eine „christliche Archäologie" nach strengem traditionellem
Schema dar, die frei ist von kunsthi6torischen und kunstbetrachtenden
Ambitionen und sehr gegenstandsbezogen vorgeht. Das
interpretative Moment tritt noch stärker zurück als in den Handbüchern
älteren Datums, was z. T. damit zusammenhängt, daß
im vorliegenden Bande nur Objekte der Architektur und Epigra-
phik neben den Material- und Quellenfragen zur Darstellung
kommen, die ohnehin beschränkt nach Sinndeutung verlangen,
während die Werke der bildenden Kunst, des Kunsthandwerks
und die Fragen der Ikonographie fehlen. Die obere Grenze wird
im Anschluß an G. B. de Rossi durch den Pontifikat Gregors d. Gr.
bezeichnet, ein Datum, über das man kaum streiten kann, selbst
wenn man eine andere Einteilung bevorzugen würde. Die christliche
Archäologie wird als eine historische Wissenschaft verstanden
, die die „Erforschung der monumentalen Zeugnisse der
ersten Jahrhunderte der christlichen Antike" zum Gegenstand hat.

Buch I bringt Propädeutisches und untersucht vor allem ausführlich
die Frage der (literarischen bzw. schriftlichen) Quellen, kurz auch die
Geschichte der Wissenschaft. Buch II behandelt Grabanlagen und Totenkult
, vorwiegend in topographischer Anordnung. Breiter Raum ist dem
Petrusgrab und der alten Petersconfessio gewidmet. Jüdische Coemete-
rien sind eingeschlossen (darunter ein Rekonstruktionsversuch von
„la tomba di Gesü" in Anlehnung an Parrotl). Die Gräber von Tal-
piot werden als christlich angesehen (S. 297). Die altchristlichen Inschriften
sind in Buch III dagegen mehr systematisch nach der formgeschichtlichen
Seite mit einem topographischen Annex dargestellt. Auf
reichlich 20 Seiten tritt die häretische und jüdische Epigraphik in einer
kurzen Würdigung hinzu. Buch IV behandelt den Kirchenbau, wobei
zunächst sehr vorsichtig und zurückhaltend die Entwicklung in vor-
konstantinisdier Zeit gewürdigt wird, in der sich jener „Dynamismus",
der in der Vielfalt des einzigartigen Konzepts der frühchristlichen Basilika
hervortritt, bereits angebahnt habe. In den letzten Jahrzehnten
angewachsenes reiches Material stand dem Verf. gerade hier zur Verfügung
, der viele instruktive Grundrisse beifügt und eine Typologie
versucht, welche allerlei technische Einzelheiten bringt. Eine Topographie
der Kultgebäude (mit nicht immer ganz vollständiger Literatur)
schließt sich an.

Das Werk ist als kurzes Kompendium unentbehrlich, da es
in dieser Art vorerst nichts Neueres und Besseres gibt. Bei kritischer
Verwendung wird es schon wegen seiner klaren und angesichts
des knappen Raumes reichhaltigen Anlage von Nutzen
sein, insbesondere zur schnellen topographischen Orientierung.