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Ausgabe:

1961 Nr. 11

Spalte:

841-842

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Voll, Dieter

Titel/Untertitel:

Hochkirchlicher Pietismus 1961

Rezensent:

Delius, Walter

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841

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 11

842

Eben weil das 14. und 15. Jahrhundert weithin wieder über
die Hochscholastik hinweg auf den Lombarden und die Frühscholastik
zurückgreift, warten wir gespannt auf den zweiten
Band, der dann eine Arbeit zu Ende bringen wird, die zweifellos
ein wichtiger Fortschritt ist auf dem Wege zur Erhellung der
zentralen Schulmeinungen der mittelalterlichen Theologie.

Cambridge/Mass. Heiko A. Obe r m a n

Decker, Bruno: Die Sekretäre des hl. Thomas von Aquin.

Theologische Revue 57, 1961 Sp. 49—60.
G i 1 s, P.-M.: Textes inedits de S. Thomas: Les premieres redactions

du Scriptum super Tertio Sententiarum.

Revue des Sciences Philosophiques et Theologiques 45, 1961 S. 201
—228.

Honselmann, Klemens: Bruchstücke von Auszügen aus Werken
Cassians — Reste einer verlorenen Schrift des Eucherius von Lyon?
Theologie und Glaube 51, 1961 S. 300—304.

Kolping, Adolf: Das Verhältnis des ps.-bonaventurianischen Sermo
VI De Assumtione zu dem ps.-albertinischen Mariale ,Laus Virginis'.
Zeitschrift für katholische Theologie 83, 1961 S. 190—207.

Leclercq, Jean: Der heilige Liudger in der monastischen Überlieferung
des Mittelalters.
Erbe und Auftrag 37, 1961 S. 292—305.

Schneyer, Johann Baptist: Pastoraltheologische Grundzüge als Einteilungsmotive
in den Predigten des hl. Bonaventura.
Tübinger Theologische Quartalschrift 141, 1961 S. 206—224.

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Voll, Dieter: Hochkirchlicher Pietismus. Die Aufnahme der evange-
likalen Traditionen durch die Oxford-Bewegung in der zweiten
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Ein Beitrag zum Verständnis
des neueren Anglikanismus. München: Kaiser 1960. 136 S. 8° =
Forschungen z. Geschichte u. Lehre d. Protestantismus, hrsg. v. Ernst
Wolf, 10. Reihe, Bd. XIX. Kart. DM 8.50.

Die Arbeit, eine Dissertation, weldie die Theol. Fakultät
Erlangen angenommen hat, gliedert sich in drei Teile. Im ersten
Teil: „Evangelikaie Erweckung und Oxford-Bewegung" gibt der
Verfasser zunächst einen knappen geschichtlichen Überblick. Der
Verfasser betitelt ihn im Inhaltsverzeichnis: „1. Die Richtlinien
innerhalb der Kirche von England (geschichtlicher Überblick
)", während der Abschnitt im Text von den „Richtungen..."
spricht. Der Überblick stellt die evangelikale Erweckung in der
anglikanischen Kirche des 17. Jhdts. dar, welche zu einem neuen
Verständnis der englischen Hochkirchlichkeit führt. Im Hinblick
auf den Titel des Buches wäre hier ein Hinweis auf Anton Horneck
(1641—97) erwünscht gewesen. Er hatte Beziehungen zu
A. H. Francke in Halle und wurde ca. 1648 der Gründer der
„Religious Societies". Die evangelikale Bewegung in der methodistischen
Prägung durch J. Wesley gegenüber dem kirchlichen
Evangelikaiismus, d. h. der anglikanisch-anglokatholischen Er-
weckungsbewegung trifft im 19. Jhdt. mit der Oxford-Bewegung
zusammen. Diese führte durch die traktarianischen, ritualisti-
schen Phasen zum „liberalen Katholizismus" des Sammelbandes
„Lex Mundi". Der Verfasser schildert dann angesichts des
Nebeneinander von Evangelikaiismus und Oxford-Bewegung die
innere Beziehung und VeTklammerung der beiden Ströme deT
Erweckungsfrömmigkeit. Er rechnet mit der Möglichkeit, daß
eine Traditionsreihe von J. Wesley zu den Vätern der Traktate
geht. Die Voraussetzung dieser Feststellung ist die Annahme
einer Kontinuität des hochkirchlichen Ansatzes bei Wesley, wie
ihn J. C. Bowmer: "The Sacrament of the Lord's Supper in early
Methodism. 1951" darlegt. Hier wäre mit M.Schmidt: „John
Wesley" 1. Bd. 1953, S. 241 ff. die Frage zu stellen, wieweit die
Bereicherung und Vertiefung, die Wesley besondere durch den
herrnhutischen Pietismus erfahren hat, sich auf die anglokatho-
lische Erweckungsbewegung Newmans im 19. Jhdt. ausgewirkt
hat. Der Verfasser weist lediglich auf den Zusammenhang mit
der kontinentalen Erweckungsbewegung (Schartau, Grundtvig
und Löhe) hin.

Das zentrale Interesse des Buches richtet sich im 2. Teil von
den Thesen des Schweden Yngve Brilioth: Evangelicalism and
the Oxford Movement, 1934, ausgehend auf die Erscheinung, daß

etwa seit der Mitte des 19. Jhdts. „Evangelikale und anglo-
katholische Richtungen da und dort in wachsendem Maß eigentümliche
Verbindungen einzugehen" beginnen. Die Beobachtung
macht der Verfasser an einzelnen Persönlichkeiten deutlich.
Diese Darstellung hat ihren Wert durch die Benutzung zahlreicher
in Deutschland schwer zugänglicher Literatur, welche der
Verfasser bei seinem Englandaufenthalt ausschöpfen konnte.

Der 3. Teil befaßt sich mit Wesen und Bedeutung des Hochkirchlichen
Pietismus. Die Untersuchung stellt zunächst die
Frage, „in welchem Umfang das Aufkommen einer von evangeli-
kaler Frömmigkeit getragenen Hochkirchlichkeit in der bisherigen
Literatur erfaßt und dargestellt worden ist". Der Verfasser
zeigt, daß der Versuch einer zusammenhängenden Darstellung fast
ganz fehlt. Soweit sie sich mit dieser Frage beschäftigt, ergibt
sie kein völlig einheitliches Bild. Das Zusammenfließen evange-
likaler und anglokatholischer Tradition in den beiden ereten
Generationen der Oxford-Bewegung ist der Forschung bisher
entgangen. Diese Lücke will das vorliegende Buch schließen und
damit zum Verständnis der neueren englischen Kirchengeschichte
beitragen. Nicht untersucht wurde die Frage, wie weit die hochkirchliche
-evangelikale Schule 6ich ins 20. Jhdt. fortsetzt, nachdem
sie in der 2. Hälfte des 19. Jhdts. das Gesicht des modernen
Anglikanismus geprägt hat, und dabei die Kräfte des hochkirchlichen
„Pietismus" befruchtend beteiligt waren.

Ein Exkurs zeigt, wie die evangelikale Frömmigkeit im
Erwachen des anglikanischen Ordenslebens zum Durchbruch gekommen
ist.

Ein letzter Absatz des Buches beschäftigt sich mit dem lutherisch
-anglikanischen Gespräch. Der Hinweis auf die gelegentlichen
Kontakte in der Neuzeit müßte auf Jablonski und die
Allianz (1846), die der Verfasser nur anmerkungsweise (S. 21,
Anm. 6; S. 128, Anm. 4) erwähnt, aufmerksam machen.

Es ist die Frage, ob man vom „Hochkirchlichen Pietismus"
sprechen soll. Der Pietismus ist eine bestimmte Erscheinung der
deutschen Frömmigkeitsgeschichte. Der Verfasser identifiziert
selbst „pietistisch" mit „evangelikal" (S. 111). Wenn man bei
dem Titel des Buches bleiben will, sollte man untersuchen, ob
und welche Zusammenhänge mit dem deutschen Pietismus und
der deutschen Erweckungsbewegung des 19. Jhdts. mit ihrem pietistischen
Grundcharakter bestehen. Einige Hinweise habe ich gemacht
. Der Wert der Arbeit liegt im 2. Teil, obwohl ich gewünscht
hätte, daß sie hier über das weithin Referierende zu
einer straffen, vertiefenden Zusammenfassung gekommen wäre.

Die Literatur wäre durch L. E. Binns: The Early Evange-
licals. London 195 3 zu ergänzen. Sprachlich nicht gut ist „aufmodulieren
" (S. 128). Man sollte auch nicht vom „Carolingi-
schen Anglikanismus" (S. 33) reden. Gemeint sind die „Caroline
Divines". Ein Mangel ist das Fehlen des Registers, das im Hinblick
auf die zahlreichen Namen in der Darstellung sich als notwendig
erweist.

Berlin Walter Delius

%

Unger-Dreiling, Erika, Dr. theol.: Josafat — Vorkämpfer und
Märtyrer für die Einheit der Christen. Wien: Herder [i960]. XII,
412 S. 8°. Lw. DM 16.80.

Die hier vorgelegte Lebensbeschreibung des unierten Bischofs
von Polozk, Josafat Kunzevycz, der 1623 in
Witebsk eines gewaltsamen Todes starb und 1867 vom Papst
Pius IX. heiliggesprochen wurde, nimmt in der modernen biographischen
Literatur einen besonderen Platz ein. Das gilt sowohl
im Hinblick auf ihre literarische Ausdrucksform als auch in
bezug auf ihre Tendenz und Zweckbestimmung.

Was die literarische Ausdrucksform anbelangt, so hat die
Verfasserin für ihre Arbeit den Stil der altslawischen Heiligenlegenden
gewählt, die in ihrer Denkweise und Sprachform, Gott-
bezogenheit und Bildhaftigkeit getreu den Vorbildern der hl.
Schrift folgen.

Die Arbeit stützt sich auf ein reiches Quellenmaterial sowie
auf zahlreiche Veröffentlichungen von einschlägiger Fachliteratur
älteren und neusten Datums. Da6 ganze historische und theologische
Material ist sehr geschickt in der Lebensbeschreibung verarbeitet
worden, so daß die Erzählung einen lebendigen Fluß