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Ausgabe:

1961

Spalte:

62-63

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Baur, Johannes

Titel/Untertitel:

Kleine Liturgik der Heiligen Messe 1961

Rezensent:

Heubach, Joachim

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Theologisdie Literaturzeitung 1961 Nr. 1

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gen) — confessio (Traufragen usw., keine Konsens-, sondern
,,Konfessions"-Fragen, 3 5) — benedictio (Vaterunser, Segensgebet
und Votum unter Handauflegung), eine Handlung, die die standesamtliche
Eheschließung weder ergänzt noch bloß „im Sinne der Kirche
deutet und predigend erläutert" (55). Indem sie als „Trauung", d. h.
als „göttliche Anvertrauung" gestaltet ist, „ist der kopulatorische Gedanke
in seinem letzten Sinngehalt erfüllt und zugleich als selbständiger
irdischer Akt gegenstandslos geworden" (53). Es „geht nicht um die
Trauung durch die Sippe, den Staat, den Pfarrer, sondern es geht darum,
daß Gott getraut hat und diese seine Anvertrauung ständig fortwirkt
" (52). „Trauung im früheren Verständnis ist der abschließende
rechtliche Vollzug des Zusammengebens zweier Menschen durch einen
geborenen oder gekorenen Vertreter. Trauung in dem neu gewonnenen
Verständnis ist der Zuspruch und die Gewißmachung des Zusammen-
gegebenseins zweier Menschen durch Gott. . . . Solches Anvertrauen ist
in der praedicatio zu bezeugen, in der confessio anzuerkennen und in
der benedictio fürbittend zuzusprechen — es tritt nicht als eine eigenständige
Größe neben diese Stücke, sondern es erfüllt und durchdringt
sie alle" (53). „So ist die Trauung zwar nicht konstitutiv für die Wirklichkeit
und rechtliche Vollständigkeit der Ehe, aber sie ist unentbehrlich
für das christliche Verständnis der Ehe. Sie ist nicht Substanzveränderung
, aber auch nicht bloß Substanzerklärung, sondern Substanzzuspruch
" (51).

Diese Neuordnung und Erläuterung hat folgende Hauptmerkmale:
1) Der ganze kirchliche Akt ist „Segnung" (z.B. 53 und 55) des Ehepaares
: sie bezieht sich auf das ganze Geschehen der göttlichen Anvertrauung
vom Kennenlernen bis zur Scheidung durch den Tod (z. B.
52). Diese allumfassende Segnung ist „Zuspruch des Wortes Gottes"
(31 ff.) über den Ehestand, das durch Predigt und Schriftlesungen verkündigt
und in der speziellen benedictio (der Einheit von Vaterunser
, Segnungsgebet und Segensvotum) fürbittend unter Handauflegung
dem Paar zugewandt wird. Dabei kommt der Segnungsformel „keine
über das Segnungsgebet hinausgehende Dignität" (32) zu. 2) Die Traufragen
wiederholen nicht die standesamtlichen Konsensfragen. Das
dort gegebene konsensuale „Ja" wird hier zum konfessorischen „Ja,
mit Gottes Hilfe" (vgl. 52), das in die ganze Segnungshandlung eingebettet
ist. 3) Die nicht ganz einheitlichen Urteile über die kirchliche
Kopulation lassen sich etwa so ordnen: a) Weder die Exegese von
Mt. 19, 6 noch Luthers Traubüchlein gestatten, diesen Vers „als eine
Art Stiftungswort für Kopulationshandlungen durch die Kirche anzusehen
"; nach Luther gilt vielmehr: „Gottes Zusammenfügen ist der
Eltern Zusammenfügen" (vgl. 44 f.). b) Als die Kirche die Kopulation
übernahm, hat der „Zusatz der Formel ,im Namen des Vaters. ..'
den weltlichen Trauakt verkirchlicht". Daraus, daß „der Hang zur Ver-
rechtlichung im Wesen der Kopulation liegt", ergab sich eine Überfremdung
des kirchlichen Aktes. Heute empfiehlt sich eine kirchliche
Wiederbelebung dieses „kopulatorischen Rechtsaktes" um so weniger,
als der Staat sich auf die „Entgegennahme des Konsensus" beschränkt
und auch nicht nach der Kopulation greift, die dann allerdings höchstwahrscheinlich
einen „weltanschaulichen Inhalt" bekäme (vgl. 41).
c) „Gewiß hat die lutherische Kirche die Freiheit, auch die Konsensfragen
zu stellen und zu kopulieren, wo sie aus Gewohnheit oder Recht
das Mandat dazu besitzt." „Es ist aber eine schwierige Sache, in der
gleichen Handlung in einem doppelten Mandat tätig zu werden, vor
allen Dingen, wenn das eine Mandat aus dem Evangelium kommt, das
andere aber aus dem weltlichen Bereich" (48). d) Nach der neuen Trauordnung
(vgl. 73 f.) reichen die Nupturienten auf Geheiß des Pfarrers
einander die rechte Hand, worauf dieser 6eine rechte Hand auf die
Hände des Paares legt und Mt. 19, 6 darüber spricht. Das ist „gewiß
eine stark zeichenhafte und durch die Gebärde unterstrichene Verkündigung
, . . . Gewißmachung, Zuspruch einer göttlichen Wirklichkeit"
(55). „Dadurch wird noch einmal unterstrichen ,. .. daß es sich um die
Segnung der Eheleute in einem Stande handelt, der sie für die Dauer
ihres irdischen Lebens miteinander verbindet" (64). „Hier geschieht
wirklich etwas, wenn auch nichts mit rechtlicher oder sakramentaler
Wirkung vollzogen wird" (54). — Diese Erläuterungen M.s heben
allerdings die Tatsache nicht auf. daß das beschriebene agendarische
Teilsrück sich von der bisherigen Kopulation nur dadurch unterscheidet,
daß die Worte „Ich spreche euch zusammen . . ." zwar fehlen, aber
nun der ganze Akt von Handreichung, Handauflegung und Gewißmachung
durch Mt. 19,6 als Zusammensprechung des Ehepaares durch
Gottes Diener weiterhin verstanden werden kann. Das wäre immerhin
eine — freilich nicht mehr 60 benannte — kirchliche Kopulation,
die nur auf die bisherige juridische Fassung des Zusammensprechens
verzichtet.

Die hier dargebotene und erläuterte Neuordnung kann als
ein erster Schritt zu größerer Einheitlichkeit in Verständnis und
Gestaltung der Trauung in den lutherischen Kirchen und Gemeinden
Deutschlands gewürdigt werden. Ihr Hauptverdienst liegt
wohl darin, daß der kirchliche Akt in seiner durchgehend geistlichen
Bezogenheit auf das ganze vorstaatliche und staatliche

Zustandekommen der Eheschließung und auf die ganze folgende
Ehe sowie in seiner qualitativen Eigenständigkeit als Anvertrauung
durch Gott inmitten der christlichen Gemeinde gestaltet ist.
Mit Recht wird daher die vorscholastisch-reformatorische Benediktion
aufgenommen und weitergebildet, indem der Segnungscharakter
der ganzen Trauhandlung durch die Hervorhebung und
Verknüpfung von Wortverkündigung über den Ehestand mit der
unter Handauflegung persönlich applizierten Fürbitte bekräftigt
wird. Trotzdem berechtigt die Neuordnung zu einer Kritik, die
auch durch M.s Darlegungen nicht gegenstandslos gemacht ist.
Das sei noch an drei Punkten verdeutlicht.

1) Wenn man die „konfessorischen" Traufragen wirklich
konkret, d. h. vermahnend und bekennend gestalten will, genügt
kaum die allgemeine Verpflichtung auf „Gottes Gebot" (vgl. 73).
Im Sinne des vorher verkündigten Gebotswortes aus Eph. 5 empfiehlt
sich beispielsweise auch weiterhin das „ihm Untertan sein
in dem Herrn". „Wir haben mit Absicht davon abgesehen, für
Mann und Frau verschiedene Fragen zu stellen, auch deshalb, weil
die exegetische Deutung der Aussagen über Mann und Weib in
Eph. 5 umstritten ist" (64). Dies Urteil macht nicht nur das Verständnis
der Traufragen, sondern sogar das Gebotswort selbst
unverbindlich.

2) Von der unklaren Haltung gegenüber dem Zusammensprechen
war schon die Rede. Hinter der agendarischen Handlung
taucht eine „christliche" Kopulation auf, die zwar eine Wirklichkeit
zuspricht, aber nichts mehr vollzieht. Klarer und sachgemäßer
wirkt immer noch die Stellungnahme von R. Sohm, daß
„auch eine Formel falsch ist, die zu christlichen (Sperrung
von mir — K.) Eheleuten zusammenspricht". Die Kopulation „ist
nicht aus göttlichem, sondern aus menschlichem Recht. Sie darf
als ein echtes, von der Kirche erworbenes geschichtliches Gut
nicht aufgegeben werden" (Aus: Weltl. u. kirchl. Eheschließg.,
Gladbeck 195 3, 26). Solange nicht die Sippen das ihnen ursprünglich
zustehende Recht zum Zusammensprechen von der
Kirche zurückfordern, ist es mit dem trinitarischen Handeln der
Kirche vereinbar, wenn sie weiterhin im Namen des dreieinigen
Gottes zusammenspricht. Dafür, daß hierin eine Vermengung des
geistlichen und des weltlichen Regimentes Gottes liegen muß,
wäre erst noch der dogmatische Beweis zu erbringen. Dieser
vikarische Dienst ist dem weltliche Ordnung bewahrenden und
segnenden Wesen der Kirche nicht unangemessen. Im übrigen
zeigt die Praxis, daß sogar kirchliche „Randsiedler" die im Namen
Gottes vollzogene Kopulation (nicht bloß wegen der größeren
„Feierlichkeit") nicht missen möchten. Es bedarf also einer
klaren Entscheidung: entweder verzichte man auf jenes zwielichtige
Stück der neuen Agende, oder aber man spreche weiterhin
trinitarisch zusammen.

3) Schließlich erscheint es fraglich, ob eine Ordnung, die
sich so friedfertig auf den segnenden „Substanzzuspruch" zur
staatlichen Eheschließung zurückzieht, lebensfähig bleibt, sobald
das hier vorausgesetzte tolerante und liberale Verhalten des
Staates zur Kirche aufhört. Es gibt doch Anzeichen dafür, daß bei
gewissen standesamtlichen Eheschließungen (zunächst nur fakultativ
) nach dem Konsensus ein besonderes Gelöbnis abgelegt
wird und eine Art Kopulation und „Segnung" geschieht (vgl.
z. B. Inf.-BIatt f. d. Gemeinden i. d. niederdeutsch. luth. Landeskirchen
, 8. Jg., Nr. 3, 40—42). Auch die kirchliche Trauung muß
dem Rechnung tragen, daß das Verhältnis von Staat und Kirche
nicht ausschließlich von der Ordnlungsperspektive,
sondern auch von der Mächteperspektive bestimmt wird.

Leipzig August Kimme

Baur, Johannes, Dr.: Kleine Liturgik der heiligen Messe. Innsbruck:
Rauch 1957. 100 S. kl. 8°. Lw. DM 7.50.

Diese kleine österreichische, unter Mithilfe des angesehenen
Liturgiewissenschaftlers Josef Andreas Jungmann S. J., Innsbruck,
herausgegebene Einführung in die Geschichte, den Verlauf und
die Bedeutung der Meßliturgie ist aus der Vorlesungstätigkeit
des Verfs. vor Studenten der röm.-kathol. Theologie (in Brixen)
entstanden. Für Theologiestudenten als kurzes Kompendium gedacht
, möchte es jedoch ebenso sowohl den im Amt befindlichen
Pfarrern selbst, als ihnen auch bei ihrer Meßunterweisung im
Unterricht und in der Predigt dienlich sein. Darüber hinaus