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Ausgabe: | 1961 Nr. 1 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Reformationszeit |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 1
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Es wird einleuchtend dargestellt, wie Luther den kleinen
Bann aufgenommen, den großen Bann jedoch als einen weltlichen
Rechtsakt der Obrigkeit überlassen wissen wollte (vgl. Schmalk.
Art. 1537: WA 50, 247, 5 ff.). Die Folgen des kleinen Bannes
seien: Ausschluß vom Abendmahl, von einer besonderen Mitwirkung
im Gottesdienst und von der Trauung, vom allgemeinen
Gebet der Kirche und die Verweigerung des seelsorgerlichen
Trostes in der Sterbestunde und der kirchlichen Beerdigung
(S. 111). Luther habe bei der rechtlichen Fixierung dieser Maßnahmen
gezögert, weil er im Grunde jegliche Gerichtsbarkeit
ganz in die Hand der Obrigkeit und nicht die der Kirche gelegt
wissen wollte. Außerdem habe er in der gesetzlich verordneten
Kirchenzucht, praktiziert von unreifen Pfarrern, eine große Gefahr
gesehen (S. 128 f.).
Verf. argumentiert aber auch über moderne psychologische
Fragestellungen und sieht dabei nicht, daß die Ausübung der Schlüsselgewalt
für Luther nichts anderes als eine Funktion der Wortverkündigung
, von Gesetz und Evangelium ist. Die Schlüsselgewalt
ist also eigentlich keine Macht, die dem Pfarrer übergeben
ist, sondern ein Dienst, den er an anderen auszuüben
hat, und sein Dienst ist in dieser Hinsicht etwas Spezifisches, das
nicht mit der weltlichen Obrigkeitsausübung gleichzusetzen ist.
Daß Luther mit der rechtlichen Fixierung seiner Überzeugung
zögerte, beruht ganz einfach darauf, daß er das ganze Leben des
Christen als eine Buße sehen wollte und daß er außerdem die
römische Mischung von Weltlichem und Geistlichem, von Gesetz
und Evangelium in seiner Bußpraxis vermeiden wollte, und daraus
erwuchsen eben die Schwierigkeiten, w i e denn eigentlich
eine solche „ungesetzliche" Kirchenzuchtordnung rechtlich fixiert
werden sollte. Dieses Fehlen einer geschriebenen Ordnung darf
aber nicht mit einer grundsätzlich-theologischen Abneigung verwechselt
werden.
Lund David L ö f g r e n
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Todestag am 19. April 1960.
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GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST
G a n t n e r, Joseph: Schicksale des Menschenbildes. Von der romanischen
Stilisierung zur modernen Abstraktion. Bern: Francke [1958].
205 S. mit Abb., 7 Taf. 8°. 6fr. 15.— ; geb. sfr. 18.80.
Der Verfasser, dem wir ein tiefgründiges Buch über die
Visionen Leonardos zum Weltuntergang verdanken, hat in einem
handlichen, von dem bekannten Berner Verlag gut ausgestatteten
Bande verschiedene Vorträge unter dem Titel .Schicksale des
Menschenbildes. Von der romanischen Stilisierung zur modernen
Abstraktion' vereint. Nach einer Einführung über das Problem der
Persönlichkeit in der bildenden Kunst wird in den sieben folgenden
Kapiteln das Bild des Menschen in der romanischen Kunst,
der Mensch im Angesicht des Todes in den Basler Totentänzen,
Hans Holbein der Jüngere, Rembrandt und das barocke Menschenbild
, die Formen des Unvollendeten in der modernen Kunst und
die Anfänge eines planetaren Stils, klassische Ästhetik und moderne
Abstraktion, dieses letztere unter den Perspektiven von
Erinnerungen an Benedetto Croce und Heinrich Wölfflin behandelt
. Der Verfasser war Schüler Wölfflins und ist Hüter seines
Vermächtnisses auf dem Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität
Basel. Diese, unter dem Stern des Humanismus, unter
Mitwirkung des Aeneas Sylvius Piccolomini, des späteren Papstes
Pius IL, des Humanisten auf dem Stuhle Petri, gegründete Universität
ist auch heute noch eine Hochburg des Humanismus und
der Grundlagenforschung, in den Natur- und Geisteswissenschaften
sowie in der Theologie.
Es ist eine Übertragung der Auffassung, die im positivistischen
Realismus des 19. Jahrhunderts wurzelt, den man Naturalismus
nennt, wenn man annimmt, daß Jan van Eyck, Leonardo
und Dürer „den Spiegel als Gerät und Hilfsmittel zur Kontrolle
der Richtigkeit des Kunstwerks als Simile der Natur" handhabten
. Leonardo hat ausgesprochen, daß es vieles in der Natur
gebe, das nicht durch die Erfahrung erschlossen werden kann und
daß die Einbildungskraft der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit
gegenüber erst recht an Bedeutung gewinnt. Dürers Wort
über die Grundlagen der Kunst in der Natur, die man „herausreißen
", d. h. herauszeichnen, „herauspreparieren" könne —
pflegte Wölfflin gern zu sagen — steht in einem Zusammenhang,
in dem er die Ideenlehre Piatos anspricht. Wie Piatos Ideenlehre
wurde Aristoteles' Begriff der Nachahmung (Mimesis) mißverstanden
. Einfühlung in die Natur, Abbildlichkeit im Sinne des
Spiegelbildes wurden im 19. Jhdt. maßgebend für die künstlerische
Entfaltung auf der Linie eines positivistischen Realismus,
dem ein ebenso doktrinärer positivistischer Idealismus zunächst
als Klassizismus auf der Grundlage der griechisch-römischen Kunst,
dann als entschiedener Gegensatz zum Naturalismus gegenüberstand
. Durch die bedeutsame Entfaltung der Naturwissenschaften
wurden viele auch für die bildende Kunst wichtigen Grundlagen
des Sehens und Gestaltens erschlossen, die man auch im Expressionismus
und Surrealismus nicht verkennen kann. Die positivistische
Komponente wurde keineswegs überwunden.
Wie Gott den Menschen nicht als Simile nach seinem Bilde
geschaffen hat, sondern wahrscheinlich, um uns der von Gantner
erschlossenen Vorstellungen zu bedienen, durch prescienza und
Praefiguration in mannigfaltigen Metamorphosen, so ist anscheinend
auch die göttliche Sdiöpferkraft auf ähnliche Weise im
Menschen wirksam geworden. Joseph Gantners Betrachtungsweise
ist die beste Bestätigung dafür, daß Benedetto Croce mit seiner
Verurteilung der Grundbegriffe Wölfflins, die nach dessen Meinung
aus einer Reaktion gegen Naturalismus, Psychologismus
und Biographismus zu einer abstrakten statt zu einer konkreten
Kunstgeschichte führten, unrecht hat. Auch Wölfflin kannte, wie
Gantner, die Einheit von Inhalt und Form. Einer der beliebten
Ausdrücke Wölfflins war Forminhalt. Beiden waren die Schaffensvorgänge
der Maler und Bildhauer von der „prescienza nella
mente del suo 6peculatore" etwa beim Bildhauer über das
„bozzare, abozzare" gewissermaßen die Praefiguration des geplanten
Werkes und die „manuale operazione" bis zur Vollendung
geläufig. Das gewisse Gebilde der romanischen Kunst (nicht
nur in Analogie an diesen Schaffensprozeß) auch in dem stark
stilisierten Antlitz des Menschen unmittelbarer Niederschlag dieser
Praefiguration sein können, halte ich für möglich. Das Ant-