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Ausgabe: | 1961 Nr. 10 |
Spalte: | 763-764 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie |
Autor/Hrsg.: | Stelzenberger, Johannes |
Titel/Untertitel: | Conscientia bei Augustinus 1961 |
Rezensent: | Henschel, Martin |
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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 10
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Es bleiben auch hierzu manche Fragen offen; vor allem wird
W. der Ambivalenz Augu6tins nicht immer gerecht genug, zumal
er sich — trotz der selbst ausgesprochenen Warnung — oft zu
eindeutig auf die CD stützt. Vielleicht verzichtet er auf eine
Schlußwürdigung, weil er 6ich der Vorläufigkeit vieler seiner Ergebnisse
bewußt ist, und läßt so die wichtigen Ansätze der im
übrigen fundierten Arbeit nicht ohne weiteres zu der Wirkung
gelangen, die sie verdienen.
Halle/Saale Hans-Joadiim Diesnn
Stelzenberge r, Johanne 6: Conscientia bei Augustinus. Studie
zur Geschichte der Moraltheologie. Paderborn: Schöningh 1959.
V 184 S. gr. 8°. Kart. DM 14.—.
Es ist verdienstvoll, die Arbeit, die das ThW für das NT
leistet, wenigstens für einige wichtige Begriffe bei den Großen
der christlichen Dogmengeschichte in Angriff zu nehmen. St. hat
das gesamte augustinische Schrifttum auf Vorkommen und jeweilige
Bedeutung des Wortes conscientia hin untersucht. Dazu
hat er jeweils die Wurzeln des augustinischen Sprachgebrauchs
vornehmlich in die Stoa und die biblischen Schriften zurückverfolgt
. St. greift mit der vorliegenden Studie in aller Ausführlichkeit
und ganz eng an die Texte gebunden ein Thema
noch einmal auf, das er schon im V. Kapitel seines 193 3 erschienenen
Buches „Die Beziehungen der frühchristlichen Sittenlehre
zur Ethik der Stoa" in einem weiteren Horizonte angerührt
hatte.
§ 1 befaßt sich mit der Häufigkeit der Vokabel bei Augustin. Sie
fehlt in den frühen philos. Schriften fast völlig; dann nimmt ihr Vorkommen
im allgemeinen zu: das Stichwort wird Augustin von der Bibel
her zugespielt. Im Folgenden gliedert St. das anfallende Material nach
seinem Bedeutungsgehalt. § 2 Die durchgängige Gottbezogenheit der
conscientia. § 3 Conscientia als Inneres (Herz) des Menschen: „der Sitz
Gottes" (die Zusammenfassung S. 174 formuliert vorsichtiger: die Antenne
des Menschen zum Göttlichen hin, der Ort der Auseinandersetzung
mit dem lebendigen Gott). § 4 Conscientia im dogmatisdien Gebrauch
der antidonatistischen Schriften: „Das Wort wird im kirchenpolitischen
Kampf zur Bezeichnung der inneren Zugehörigkeit zu einer der zahlreichen
sich befehdenden Konfessionsgruppen in Nordafrika" (108).
§ 5 Conscientia als Träger des sittlichen Bewußtseins und der verbindlichen
Normen (lex naturalis). § 6 Conscientia als Gewissen. § 7 Conscientia
als Gegenstand der Rückbesinnung, der (methodischen) Gewissenseif
orsdiung.
Als Ergebnis springt eine Bedeutungsweite des Terminus
conscientia in die Augen, die mit unserem deutschen „Gewissen"
in seinem engen Sinne als einer der Tat vorhergehenden oder
nachfolgenden, anklagenden oder bestätigenden Instanz (=
„funktionelles" Gewissen) nicht zu umgreifen ist. St. mahnt
immer wieder, conscientia nicht voreilig mit Gewissen zu übersetzen
. „Wenn die vorliegende Arbeit nur dies anregt, daß man
künftig bei jedem Vorkommen des Wortes bedachtsam aufhorcht
und nach dem speziellen Inhalt forscht, so wäre das reicher
Lohn" (176). Dieses Ziel ist erreicht.
Einige Wünsche bleiben. Nachdem das Material in die verschiedenen
Sinngruppen verteilt ist, möchte man es gern wieder
zu einer Gesamtanschauung gefügt sehen. Augustin gebraucht ja
eben eine Vokabel für die verschiedenen Bedeutungen. Für
unsere moderne Problematik könnte der komplexe Begriff der
conscientia bei Augustin zugleich ein Hinweis sein, den Ge-
wissensbegriff nicht so moraltheologisch eng rein als funktionelles
Gewissen zu verstehen, sondern ihn in seiner theologischanthropologischen
Bedeutung (§2: Ort der Auseinandersetzung
mit Gott) wieder ernst zu nehmen. In einer solchen Gesamtsicht
von conscientia hätte auch die gelegentlich anklingende Gegenläufigkeit
von Gott und Gewissen (Gott überführt das Gewissen,
arbiter conscientiarum) an ihren rediten Ort gestellt werden
können (und von da wäre das Verhältnis zur Gnadenlehre zu
beleuchten).
Aber alles das sind Fragen, die mir beim Lesen dieses Buches
entstanden, nicht so sehr Fragen an dieses Buch. Dessen
Ziel war zunächst nur, das Material zusammenzustellen (vgl. die
Liste S. 141 ff.; sehr reichhaltig auch die Angaben für die übrige
Patristik und die Stoa), es nach sachlichen Gesichtspunkten zu
ordnen und im Rückbezug auf Paulus die Besonderheit Augustins
(Allegorese, moralisierende Tendenz) herauszustellen.
Drucktechnisch wünschte man sich für die Überschriften Einheitlichkeit
und Übereinstimmung mit dem Inhaltsverzeichnis. S. 91, Anm. 23
muß es zweimal statt „Pelagius" „Petilianus" heißen, entsprechend ist
das Register zu korrigieren.
Jena Martin H en s c h e 1
Barrow, R. H: Remota . . . Iustitia.
Vigiliae Christianae XV, 1961 S. 116.
D a n i e 1 o u, Jean: La notion de Confins (fitdögtoe) chez Gregoire
de Nysse.
Recherche« de science religieuse XL1X, 1961 S. 161—187.
Fraigneau-Julien, B.: Un traite anonyme de la Sainte Trinite
attribue ä saint Cyrille d'Alexandrie.
Recherches de science religieuse XLIX, 1961 S. 188—211.
Preaux, J. G.: Panis qui delibari non potest.
Vigiliae Christianae XV, 1961 S. 105—115.
Ritter, Karl Bernhard: Taufritus und Tauflehre der Alten Kirche.
Quatember 25, 1960/61 S. 99—106.
Stelzenberge r, Johannes: Conscientia in der ost-westlidien Spannung
der patristischen Theologie.
Tübinger Theologische Quartalschrift 141, 1961 S. 174—205.
KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT
Lovy, Rene-Jacques: Les origines de Ia Reforme Franchise. Meaux,
y 1518 — 1546. Illustration« d'f-tienne Lovy. Paris: Librairie Prote-
^ stante [1959]. 253 S. m. Abb. 8°.
Der Verfasser stellt einleitend fest, daß trotz zahlreicher
Einzelstudien über die französische Vorreformation und den
„Cenacle de Meaux" eine Gesamtdarstellung dieser geschichtlichen
Zusammenhänge fehlt. Er berührt sich darin mit einer Bemerkung
von E. de Moreau, S. ]., der in Band 16 der Histoire de
l'Eglise depuis les origines jusqu'ä nos jours, La crise religieuse
du XVIe siecle, Bloud et Gay, 1956, S. 134 feststellt, daß eine
definitive Studie über den Cenacle de Meaux fehle. Aber Lovy
hat diese endgültige Darstellung nicht vorlegen können.
Der Verfasser, Pfarrer der Eglise evangelique Iutherienne de
France und verantwortlicher Sekretär der Zeitschrift Position«
lutheriennes und der im Verlag Labor et Fides in Genf erscheinenden
Oeuvres de Martin Luther, ist kein zünftiger Historiker.
Seine Darstellung beruht nicht auf eigenen Forschungen. Er hat
den Stoff aus jenen zahlreichen Einzelstudien zusammengetragen,
die er in einer ausführlichen, fast ausschließlich französisch geschriebene
Arbeiten berücksichtigenden Bibliographie aufzählt,
ohne im einzelnen seine geschichtlichen Angaben durch Hinweise
auf seine Quellen zu begründen. Diese Bibliographie ist übrigens
lückenhaft, denn die vorhin genannte Histoire de l'Eglise
Bd. 16 fehlt darin, obwohl sie die von Lovy geschilderten Gegenstände
eingehend behandelt. Gelegentlich erlaubt eine Nachprüfung
die Feststellung, daß der Verfasser seine Quellen zweiter
Hand auch nicht völlig ausgeschöpft hat. So hätte er aus W. G.
Moore, La Reforme allemande et la litterature francaise, Strasbourg
, 1930, S. 263 ff. entnehmen können, daß das 1524 in
Nürnberg unter dem Namen Murmau gedruckte lateinische
Pamphlet gegen eine Determinatio der Theologischen Fakultät
von Paris nur in Straßburg verfaßt sein konnte und daß Thomas
Murner nicht als Verfasser in Betracht kommt, wohl aber als
fiktiver Verfasser vorgestellt werden soll. Dazu hätte er aus
einem andern von ihm nicht genannten Werk: Maurice Gravier,
Luther et l'opinion publique. Cahiers de l'Institut d'etudes ger-
maniques II, Aubier, 1942, S. 66 f., die Stimmung kennen lernen
können, die den hier mit dem Namen Murners getriebenen Mißbrauch
erklärt. Dies wieder hätte als Veranlassung dazu dienen
können, den Beziehungen der Ereignisse in Meaux zur Straßburger
Reformation größere Aufmerksamkeit zu widmen, statt sie
nur gelegentlich zu erwähnen.
Die Darstellung behandelt, nach einem einleitenden Kapitel
über die Quellen der französischen Reformation und einer Schilderung
der Landschaft um Meaux, folgende Gegenstände: Guill-
aume Briconnet, Bischof von Meaux; der um diesen gesammelte
Kreis; reformatorisch gesinnte Augustinereremiten im benachbarten
Kloster von Livry-en-Aulnois; Briconnet gibt den Kampf um
eine Reformation seines Bistums auf; die ersten Märtyrer von
Meaux; der Prozeß gegen Briconnet; die Gründung der evange-