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Ausgabe:

1961 Nr. 10

Spalte:

760-763

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Wachtel, Alois

Titel/Untertitel:

Beiträge zur Geschichtstheologie des Aurelius Augustinus 1961

Rezensent:

Diesner, Hans-Joachim

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 10

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es in 5, 18 um seinen offenbarungsgeschichtlichen Charakter.
Wieder einen anderen Inhalt hat Vers 19, der wegen Stil und
rabbinischer Denkart als alte Tradition erkannt wird, die der
Gemeinde wichtig war in der Auseinandersetzung zwischen
strengeren und freieren Richtungen innerhalb der Judenchristenheit
. Da so zwischen Vers 17 und 18 wie zwischen 18 und 19
kein inhaltlicher Zusammenhang besteht, gelingt es dem Verf.
nicht zu zeigen, warum Matthäus diese divergierenden Verse 18
und 19 überhaupt übernommen hat. Der Verf. hätte sich das erspart
, wenn er bei 5, 18 zunächst nach dem ursprünglichen Sinn
des von Matthäus übernommenen Satzes gefragt hätte, wie er das
ja bei 5, 19 tat. Er hätte sich dann freilich auch der Frage 6tellen
müssen, welche theologischen sowie umweltsbedingten Voraussetzungen
dem Evangelisten die Möglichkeit zur Übernahme solcher
Sätze gaben.

Mt 5, 17 zeigt, daß Matthäus auch für die normative Seite
der Offenbarung eine Erfüllung lehrt. Diese Erfüllung geschieht
in der Rückführung des Gesetzes auf den Willen Gottes, was
auch zur Folge haben kann, daß Teile einer Satzung formell aufgehoben
werden (vgl. 19, 1—9). Diese Erfüllung zeigt sich weiter
darin, daß durch die Hervorhebung des Liebe6gebotes der Inhalt
der Tora verdichtet wird. Dazu kommt schließlich die Vollendung
der Tora durch Verschärfung ihrer Forderungen in den
Antithesen der Bergpredigt, die nicht ein neues positives Gesetz
an die Stelle des alten setzen, sondern neue ethische Normen
verkündigen. Wie bereits 21,43 zeigt, ist das Fruchtbringen, das
Tun des Willens Gottes die eigentliche Aufgabe des Gottesvolkes
, die immer wieder eingeschärft wird.

Aufs Ganze gesehen wünschte der Leser häufig eine stärkere
Unterscheidung von Tradition und Redaktion in der Analyse
der einzelnen Verse. Manche Ergebnisse hätten dadurch noch
überzeugender aufgezeigt werden können, andere wären vielleicht
nicht unwesentlich modifiziert worden. Gleichwohl legt man das
Buch mit Gewinn aus der Hand, weniger wegen seiner Hauptthesen
, als wegen seiner Fülle guter Einzelbeobachtungen, von
denen nur die der Bedeutung des Brudertitels (S. 189), der Bedeutung
des Liebesgebotes als Inhalt der Vollkommenheitsforderung
(S. 168 f.) und der ßaadeia als Schulbegriff zum
Schluß genannt seien.

Mainz Gerhard Barth

Barclay, William: Hellenistic Thought in New Testament Times:
The Stoics.

The Expository Times 72, 1961 S. 227—230; 258—261; 291—294.
Berry, Roland: Death and Life in Christ — The Meaning of 2 Cor
5, 1—10.

Scottish Journal of Theology 14, 1961 S. 60—76.
D e y, Joseph: "Ad Graecam originem revertentes". Literatur zur neu-

testamentlidien Philologie.

Bibel und Leben 2, 1961 S. 120—131.
D o d d, C. H.: Some Problems of New Testament Translation.

The Expository Times 72, 1961 S. 268—274.
Evans, Owen E.: Synoptic Criticism since Streeter.

The Expository Times 72, 1961 S. 295—299.
E i c h h o 1 z, Georg: Da6 Gleichnis als Spiel.

Evangelische Theologie 21, 1961 S. 309—326.
Galley, Hans Detlef: Das „Haus" im Neuen Testament.

Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung 15, 1961 S. 201—205.
Gau gl er, Ernst: Der Geist und das Gebet der schwachen Gemeinde.

Eine Auslegung von Rom. 8, 26—27.

Internationale Kirchliche Zeitschrift 51, 1961 S. 67—94.
Gnilka, Joachim: Zur Theologie des Hörens nach den Aussagen des

Neuen Testaments.

Bibel und Leben 2, 1961 S. 71—81.
Jervell, Jacob: Evangelium, apostolat og kirkeordning.

Norsk Teologisk Tidsskrift 62, 1961 S. 1—27.
Lippold, Martin: Die Wiederkehr der Frage nach dem historischen

Jesus.

Evangelisch - Lutherische Kirchenzeitung 15, 1961 S. 205—208.
Marie, Rene: Die Frage nach dem „historischen Jesus".

Bibel und Leben 2, 1961 S. 142—149.
Miegge, G.: Le „Notre Pere" priere du temps present.

Etudes Theologiques et Religieuses 35, 1960 S. 237—253.
Zimmermann, Heinrich: Die Botschaft der Gleichnisse Jesu.

Bibel und Leben 2, 1961 S. 92—105.

KIRCHEN GESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Wachtel, Alois: Beiträge zur Geschichtstheologie des Aurelius
.^Augustinus. Bonn: Röhrscheid 1960. 158 S. gr. 8° = Bonner Historische
Forschungen, hrsg. v. M. Braubach, Bd. 17. Kart. DM 16.—.

In folgenden 8 Kapiteln, denen ein Namen- und ein Sachregister
beigegeben ist, setzt sich Verf. mit der Geschichtstheologie
Augustins auseinander: 1. Vorfragen und Probleme:
Geschichtsphilosophie der Geschichtstheologie? 2. Die neuplatonische
Lehre von der Vita beata und der Heilsweg des Mediator
Dei et hominum. 3. Das Verständnis der Schrift als Geschichtsbericht
. 4. Schöpfung, Zeit und Geschichte. 5. Epochengliederungen
des Geschichtsablaufs. 6. Geschichtliche Endzeit und Dauer
der Geschichte. 7. Die Ereignisse der Endzeit. 8. Civitas Dei,
Ecclesia und Kirche.

Das beachtenswerte Buch Wachtels beginnt mit einer Einführung
in den Problemkreis .Geschichte und Theologie bei
Augustin' und behandelt hierzu die wichtigsten Etappen und Ergebnisse
der Forschungsgeschichte. Wir müssen W. recht geben,
wenn er betont, daß ein außergeschichtliches Interesse oder Bedürfnis
Augustin zum Nachdenken über den Sinn der Geschichte
führte, daß andererseits aber „die Verteidigung des Glaubensgutes
" den Kirchenvater „vor unbestreitbar echte historische
Probleme stellte". Vor allem i6t in der CD „der Ausgangspunkt
6einer Apologie des Christentums ein konkretes historisches
Ereignis" (S. 10), das bei Heiden wie Christen die Frage nach
dem Sinn der Katastrophe aufwarf. Der Hipponenser Bischof
mußte sowohl der 'gebildeten heidnischen Opposition mit geschichtlichen
Beweisgängen antworten (die in den Ablauf der
bisherigen und vor allem vorchristlichen Geschichte als 6eries
calamitatum hineinzuleuchten hatten), als auch den unter dem
Eindruck der Katastrophe erfolgenden Auflösungserscheinungen
von Gesittung und Moral entgegentreten. Deshalb geht Augustir
zumal in der CD konsequent den „Beziehungen zwischen Religion
und menschlicher Gemeinschaftsbildung" (S. 12) nach. Auch
will die Lehre von den Civitates selbst trotz „der gewaltsamen
Vereinfachung, die das Problem darin erfährt, ein geschichts-
deutendes Verständnis von dem Ursprung und Ziel geschichtlicher
Gemeinschaftsbildung sein. Augustins Aussagen dazu
gehen daher den Historiker im gleichen Maße wie den Theologen
an" (S. 13). Es ist selbstverständlich, daß der Kirchenvater in
dieser Situation auch vor der Notwendigkeit stand, den biblischen
Bericht „in den Rahmen der Universalgeschichte einzuordnen
" (S. 13).

W. weist in der Einleitung auf die Verstreutheit und Vieldeutigkeit
des Augustinischen Gedankenstroms hin, dessen Zusammenfassung
leicht zu einer „konstruierten Systematik" (S. 14)
führt, die im Denken des Kirchenvaters fehlt; er betont auch die
Notwendigkeit, die Aussagen der CD durch Rückgriff auf andere
Werke zu erläutern, befolgt m. E. aber diesen Grundsatz bei seinen
folgenden Analysen noch viel zu wenig, so daß ihm manche
thematisch wichtige Äußerung zumal der Briefe und Predigten
entgeht. Bedenklich ist im Einleitungskapitel auch folgende
Partie: „Wenn Geschichtsphilosophie auf der Voraussetzung beruht
, daß die Geschichte eine eigene geistige Wirklichkeit ist und
die Geschichtsphilosophie abzielt auf das Feststellen und Erkennen
der Strukturen, welche die Grundlage dieser Wirklichkeit
bilden, so ist das theologisch gebundene Geschichtsverständnis
der älteren Zeit in der Tat keine Geschichtsphilosophie, da sie
keinen autonomen Bereich des Geschichtlichen innerhalb der
ontologischen Beziehungen und Abhängigkeiten von Welt und
Überwelt kennt und daher auch keine spezifischen historischen
Erkenntnisformen im Sinne der modernen Wissenschaftslehre
ausgebildet hat" (S. 7). In dieser kontrovers von Troeltsch ausgehenden
Partie ist, wie mir scheint, Richtiges und Falsches
— oder jedenfalls Schiefes — zu einer merkwürdigen Synthese
gebracht. „Erkenntnisformen im Sinne der modernen Wissenschaftslehre
" konnte die Antike sinnvollerweise nicht entwickeln,
aber analoge Prinzipien sind doch von den heidnisch-griechischen
Historikern gefunden worden, die weithin auch ein (noch) theo-