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1961 Nr. 9

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Systematische Theologie: Ethik

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Neuerscheinungen

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691

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 9

692

Backhaus, Wilhelm: Der Strukturwandel in der Familie.

Wege zum Menschen 13, 1961 S. 128—131.
Niemöller, Martin: Gibt es einen christlichen Pazifismus?

Die Zeichen der Zeit 15, 1961 S. 208—212.
Sa Ivo, H.: La moralidad del uso terapeutico de la progesterona.

Ciencia y Fe XVI, 1960 S. 371—382.
Scholder, Klaus: Was heißt: „Du sollst den Feiertag heiligen"?

Evangelische Theologie 21, 1961 S. 284—289.
Schweitzer, Wolfgang: Die unbequemen Mahner.

Junge Kirche 22, 1961 S. 286—293.
Westermann, Franz: Ethik der Körperkultur.

Begriff und Gestalt (Berlin) 1958 S. 62-72.

RELIGIONSPÄDAGOGIK

Angermeyer, Helmut: Die evangelische Unterweisung an höheren
Schulen. Grundlegung und Methode. München: Kaiser 1957. 239 S.
gr. 8° = Hilfsbücher für den kirchlichen Unterricht Nr. 11. Hlw.
DM 10.80.

Auf Schritt und Tritt merkt man es diesem Buche an, daß es
„aus der theologischen und pädagogischen Besinnung in Jahren
der Unterweisung an einem Gymnasium und einem Institut für
Lehrerbildung erwachsen" (S. 6) ist. Daher die Weite und Elastizität
, mit der A. die verschiedenen Dimensionen dieses Unternehmens
„Die evangelische Unterweisung an höheren Schulen"
behandelt. Der Verf. ist mit der älteren und modernen theologischen
, pädagogischen und psychologischen Literatur gut vertraut
. Er schreibt klar, formuliert präzis und hat den Mut, Fragen
offen zu lassen.

Der erste Teil („Grundlegung") gibt in drei Paragraphen
Antwort auf „die Frage nach Wesen und Aufgabe der kirchlichen
Unterweisung" (§ 1 Das Evangelium im Unterricht), auf „die
Frage nach der Erziehung" (§ 2 Das Evangelium in der Schule)
und schließlich auf „die Frage nach der Psychologie" (§ 3 Das
Evangelium und die Schüler). A. setzt mit der gerade durch die
historisch-kritische Exegese festgestellten Tatsache ein, daß die
biblischen Texte in ihrer breiten Mannigfaltigkeit Kerygma, Verkündigung
sind. Genauer: „Jesus Christus will durch diese Texte
sich selbst verkündigen" (S. 12). Freilich, Christus, Gottes Wort,
ist nicht identisch mit dem biblischen Wort. Gottes Wort ergeht
an uns durch schriftliches und mündliches „Menschenwort" mit
seinen „Grenzen und Schwachheiten" (S. 14). Frage an A.: Hätte
diese historisch-menschliche Bedingtheit des biblischen Zeugnisses
nicht stärker herausgearbeitet und konkretisiert werden
müssen?

Richtig wird im Anschluß an den neutestamentlichen Sprachgebrauch
betont, daß Gott sein „Wort nicht auf eine, sondern
auf verschiedene Weisen ausrichten (läßt), die in die Hauptbegriffe
keryssein, didaskein und parakalein gefaßt werden können"
(S. 19). Gegenüber allen Versuchen, den Unterricht im Evangelium
von der Predigt abzugrenzen (Auseinandersetzung mit Barth
und Rang) hält A. m. E. mit Recht daran fest: „Die evangelische
Unterweisung ist Verkündigung" (S. 24) — eine Weise der
Verkündigung neben Predigt und Seelsorge! Damit wird die viel
diskutierte Alternative: Ev. Unterweisung — „Bekanntmachung
oder Verkündigung" als falsch abgewiesen und etwa die Position
Schlinks, Thurneysens, Fendts und Frörs bejaht (vgl. hierzu
Fr. Hahn, Ev. Unterweisung zwischen Theologie und Politik,
Theol. Ex. heute, Heft 63, 195 8, S. 10f. und neuerdings: H. Diem
— W. Loch: Erziehung durch Verkündigung, Päd. Forschungen,
Veröffentlichungen des Comenius - Instituts, H. 12, Heidelberg
1959). A. übersieht dabei nicht, daß in der Unterweisung die
Verkündigung „unter die Gesetzmäßigkeit des pädagogischen
Handelns" (S. 29) tritt. Das heißt beileibe nicht: „Ineinssetzung
von Verkündigung und Erziehung". Wohl aber wird in der Unterweisung
Erzieherisches wirksam durch Gewöhnung an die kirchliche
Ordnung, durch „Einbettung" der Unterweisung „in das
gesamte geistliche Leben der Gemeinde" und damit durch Einübung
in die verschiedenen Lebensäußerungen der Gemeinde
(S. 34 ff.).

Im § 2 versucht A. Aufgabe und Grenze der Erziehung, die
er „als weltliches Werk unter der Verfügungsgewalt Gottes"
(S. 43) versteht, im Anschluß an Bohne, Hammelsbeck und besonders
Fror zu umreißen, u. a. Erziehung als „Gehilfenschaft in der

Verantwortung vor Gott", „auf das humanum des Menschen gerichtet
", „uns in der Gestalt des Kindes (gegeben)" (46). (Kann
man d a s so unbekümmert sagen? Ist dies humanum im Kinde
aufweisbar da? Oder realisiert e6 sich nicht erst in der Relation
Gott-Mensch im Glauben?). E6 kann hier nicht auf alle die sehr
wesentlichen Ausführungen dieses Paragraphen über die Erziehungsaufgabe
in der heutigen Schule und die kirchliche Unterweisung
innerhalb des gesamten Unterrichts eingegangen werden.
Wichtig, wie hier die Theologie dazu aufgerufen wird, der Erziehung
„echte Weltlichkeit" zuzugestehen („Die Theologie muß
jedes Fach «einen Weg bi« zu Ende gehen lassen" S. 54). Also:
Finger weg von einer „christlichen Bildungskonzeption", „als ob
nun der Biologieunterricht Gottesbewei6e zu liefern und der
Deutschunterricht christliche Literatur zu bevorzugen . .. hätte"
(S. 54).

Freilich — die Offenheit gegenüber der Welt ist immer eine
kritische. Im Hören auf das Wort Gottes werden die einzelnen
ideologisch umhüllten Lehrstoffe „entzaubert" (Kittel). Ebenso
wichtig die Darlegungen über die ev. Unterweisung „im Dialog
mit den Bildungsfaktoren der Schule" (S. 60 ff.). Wie selten wird
das heute praktiziert — sach- und fachgerecht praktiziert!

Da Theologie niemals „im luftleeren Raum" getrieben werden
darf, da ich wissen muß, wo ich mit meiner Botschaft „landen
" kann, hat der Theologe die Erkenntnisse der modernen
Psychologie ebenso ernst zu nehmen wie die der modernen
Pädagogik. Was hier der Verf. ausführt, was er als „pädagogische
Aufgabe in den Reifungsjahren" (§ 7) konkretisiert,
wobei nicht nur die Merkmale der seelischen Entwicklung und
die Glaubensprobleme der verschiedenen Altersstufen, sondern
zugleich die Konsequenzen für den Unterricht aufgezeigt werden
(S. 175 ff.), ist wirklich entscheidend für die rechte Durchführung
der Verkündigungsaufgabe. Von Ausnahmen abgesehen — machen
wir es uns in dieser Beziehung nicht zu leicht? Haben hier
nicht die Predigerseminare eine Ausbildungsaufgabe, die oft zu
kurz kommt?

Im zweiten Teil („Verwirklichung") wendet sich A. zunächst
dem „Stoff" (§ 4) und der „Methode" (§ 5) zu. Im Zentrum
des Unterrichts steht die Bibel. Wie ist sie im Unterricht
zu lesen? Wenn ich A. recht verstanden habe, geht es ihm um
historisch-kritische und zugleich theologische, d.h. keryg-
matische Interpretation der Bibel, Also: keine „Flucht vor den
kritischen Tatsachen", aber auch kein Darin-hängenbleiben. Bibelkritik
ist für den Unterricht „nicht eine selbständige . . . Aufgabe,
sondern ein Teil der hermeneutischen Frage" (S. 91). M. a. W.:
Es muß alles auf das Ziel: „Interpretation kerygmatischer Texte"
ausgerichtet sein. Sehr berechtigt sind A.s' Einwände gegen den
Versuch, am Text der Zeugen vorbei zur ipsissima vox Jesu
durchzustoßen. Die vox Jesu ist uns „nur" zugänglich in dem
dieser vox antwortenden, vom hl. Geist gewirkten Zeugnis der
Urgemeinde!

Wichtig die Forderung eines Unterrichts in der Glaubenslehre
(S. 98 ff.) — wichtig angesichts der erschreckenden Ahnungs-
losigkeit gebildeter evang. Christen in den entscheidenden Lehrpunkten
, wichtig, weil dieser Unterricht die Linien „zu den Fragen
und Aufgaben des heutigen Christen" auszieht! — Die Ausführungen
zur „Methode" (§ 5) setzen mit der Feststellung ein,
daß das Evangelium „jedem methodischen Zugriff des Menschen
entzogen" ist. Es gibt keine dem Evangelium gemäße, ein für alle
Mal gültige Methode. Warum also z. B. nicht auf der Unterstufe
die Begegnung mit der biblischen Geschichte im Dreitakt von
„Darbietung, Besprechung und Auswirkung" durchführen? Wenn
wir dabei nur nicht vergessen, daß das Wesentliche bereits in der
Darbietung geschieht, die Besprechung kann nur verdeutlichen
(S. 114). Zur Bibellektüre auf der Mittel- und Oberstufe bieten
sich verschiedene Möglichkeiten an (die gelenkte Arbeit am Text
— Gruppenarbeit — das völlig freie Gespräch) (S. 116ff.). Die von
A. gegebenen Beispiele (Arbeitsanweisungen und Lehrskizzen)
veranschaulichen gut seine theoretischen Darlegungen (S. 120ff.).
Wertvoll, auch für den langjährigen Praktiker hilfreich, die grundsätzlichen
und praktischen Hinweise zum Katechismusunterricht,
zur Glaubenslehre und zur Kirchengeschichte (S. 128—159). Die
Lehrskizzen sind „bibelbezogen", lebendig, seelsorgerlich und verlangen
die denkende Mitarbeit der Schüler. —