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Ausgabe:

1961 Nr. 9

Spalte:

677-678

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Luther, Martin

Titel/Untertitel:

Ausgewählte Werke; Bd. 6: Bibelübersetzung, Schriftauslegung, Predigt 1961

Rezensent:

Reichert, Ernst Otto

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677

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 9

678

Angaben über die Tageszeit sind erst viel später aufgetaucht.
Volz betont weiter, daß der Tag des Thesenanschlags für LutheT
ein Erinnerungstag blieb und ihn möglicherweise auch zur Abfassung
seines Glaubensliedes „Ein feste Burg" veranlaßt hat.
Dabei hat Luther den Allerheiligentag selbst und nicht die vigilia
omnium sanctorum als solchen bezeichnet. Freilich sind diese
Angaben auch nicht sonderlich gut überliefert. Eine Veranlassung
, zu den Pilgern am Vorabend zu reden, hatte Luther nicht.
Dieses Argument fällt für beide Auffassungen aus, da die Thesen
lediglich an die Gelehrten gerichtet waren und nicht für das
Volk galten.

Die Frage, ob Luther die Thesen anschlug, bevor oder nachdem
er die Briefe an die Kirchenfürsten schrieb, ist nicht zu beantworten
. Wenn er sie erst anschlug, nachdem er die Antwort
aus Brandenburg erhalten hatte, dann kämen wir auf ein viel
späteres Datum als auf den 1. November.

Kann die Terminfrage auch nicht mit Sicherheit gelöst werden
, weil die Quellenlage bisher eine sichere Lösung verwehrt,
6o ist es doch sehr wertvoll, daß auf die Überlieferung dieses
für die Geschichte der Reformation und des Protestantismus 60
wichtigen Datums einmal der Finger gelegt worden ist. Es lohnt
6ich daher schon, das vom Verfasser auf 90 Seiten zur Begründung
seiner Auffassung zusammengetragene Material genau zu
verfolgen.

Münster/Westf. Robert Stupperieh

Martin Luther: Ausgewählte Werke. Hrsg. v. H. H. Borcherdt
und Georg Merz. 3. Aufl. München: Kaiser 1958/60.
Hauptreihe: Bd. 6: Bibelübersetzung, Schriftauslegung, Predigt.
486 S., 1 Titelb. gr. 8°. DM 20.—; Lw. DM 23.—.
Ergänzungsreihe: Bd. 4: Von Advent bis Epiphanias. Evangelienpredigten
der Kirchenpostille. 400 S. gr. 8°. DM 17.—; Lw. DM 20.—.
Bd. 5: Von Advent bis Epiphanias. Epistelpredigten der Kirdien-
postille. 296 S. gr. 8°. DM 13.50; Lw. DM 16.50.

Bereits in ThLZ 82 (1957), Sp. 773-776, wurde auf die
Münchener Lutherausgabe in 3. Auflage hingewiesen und zu
deren gründlichem Studium eingeladen. Jetzt liegen drei weitere
Bände dieser schönen Ausgabe vor, welche die Predigten Luthers,
seine Schriftauslegung und -Übersetzung umfassen. Hier wird
nicht so ßehr der Gelehrte angesprochen als vielmehr der Mensch
unserer Tage, der auf seine Fragen nach Gott eine Antwort bei
Luther sucht. Alle drei Bände stehen unter der Generalüberschrift
: Das Wort und die großen Taten Gottes.

Natürlich vermag eine Auswahlausgabe wie diese kein Bild
von dem eigentlichen Werk der Bibelübersetzung zu geben; das
kann auch nicht ihre Aufgabe sein. (Für den Text der Lutherbibel
von 1522 bzw. 1545/46 im Vergleich zum Wortlaut der heutigen
revidierten Ausgabe wird m. W. eine besondere Edition vorbereitet
.) Für den Band 6 haben die Herausgeber den „Sendbrief
vom Dolmetschen" (S. 9—20) herausgegriffen, in dem sich Luther
über die Grundsätze seiner Bibelübersetzung äußert und Angriffe
auf sie zurückweist. Die „Fürbitte der Heiligen" ist unter den
Erläuterungen (S. 433 f.) abgedruckt.

Es folgen die Vorreden zum Alten und Neuen Testament
(S. 21—119). Wenn für ein biblisches Buch (die alttestamentli-
chen Apokryphen 6ind nicht berücksichtigt) mehrere Vorreden
vorlagen (beim Psalter, den Büchern Salomonis und Hesekiel),
dann ist die andere Fassung in kleinerem Druck beigefügt. Gerade
diese Stücke sind in besonderem Maße geeignet, die Haltung
Luthers gegenüber der Bibel sichtbar werden zu lassen.
Altes und Neues Testament gehören bei ihm unzertrennlich zusammen
, denn beide legen von dem gleichen Gott Zeugnis ab.
Luther ist andererseits in der Bewertung der verschiedenen biblischen
Bücher — den Maßstab hierfür gibt der Römerbrief als das
„allerlauterste Evangelium" ab — so kritisch (vgl. z. B. die Vorreden
zum Jakobusbrief und zur Offenbarung Johannes), daß
sein Urteil und textkritisches Gefühl wohl manchem modernen
Einleitungswissenschaftler durchaus als Vorbild empfohlen werden
könnte.

Dann schließen sich zwei Stücke an, die als Paradigmen für
Luthers Schriftauslegung ausgewählt sind: „Das schöne Confi-
temini" (S. 123-185), das neben der Übersetzung den 118. Psalm

sehr wortreich kommentiert, ist ein Bekenntnis Luthers zur
eigenen Ohnmacht und ein Lobpreis der Macht und Gnade
Gottes. Dem folgt „Das Magnificat" (S. 186—244), eine Übersetzung
und Auslegung von Luk. 1,46—55. Beide Stücke stehen
in der Mitte zwischen Bibelübersetzung und Predigt und haben
in diesem Band ihren rechten Ort erhalten. Der Rest des Bandes
(S. 247—427) ist den Predigten Luthers gewidmet, die einen
Querschnitt durch seine Kanzeltätigkeit bieten. Die erste der
hier wiedergegebenen 17 Predigten (die WA druckt in Band 4,
S. 590 ff., Predigten ab, die noch vor der Weihnachtspredigt
von 1514 liegen) stammt vom 29. Juni 1519, die letzte ist die
am Tage vor seinem Tode in Eisleben gehaltene. Neben den berühmten
und weithin bekannten gedrudeten Predigten (die Invo-
cavit-Predigten enthielt schon der Band 4) sind hier auch solche
ausgesucht, die nur in Nachschriften (S. 259. 265. 285. 288.
305. 311) erhalten sind oder au6 einer der Postillen stammen
(S. 271). Selbstverständlich hätte auch eine andere Auswahl ihre
Berechtigung gehabt; aber ganz gleich, welche Predigten ausgesucht
wurden: aus jeder einzelnen spürt man doch heraus, daß
die Verkündigung des Wortes Gottes das Mittelstück in des Reformators
Arbeit bildet. Lose an die Predigtsammlung angehängt
ist Luthers letzte Aufzeichnung (S. 428). Ich wäre der Meinung,
daß dieses oft zitierte Wort besser bei den Tischreden untergebracht
wäre, aber auch hier hat es vom Inhalt her seine Berechtigung
. Sehr zur Freude für den Benutzer ist auf S. 472 ff. ein
chronologisches Verzeichnis der in dieser Ausgabe abgedruckten
Schriften Luthers zusammengestellt.

Der 4. Band der Ergänzungsreihe blieb den Evangelienpredigten
der Advents- und Weihnachtspostille vorbehalten, und
im 5. 6ind die Epistelpredigten der Kirchenpostille wiedergegeben.
Bereits in der oben erwähnten Rezension wurden einige Bemerkungen
zur Auswahl der Predigten gemacht; das braucht hier
nicht wiederholt zu werden. Ebenso wurde dort schon auf die
kurzen aber gediegenen Einleitungen und Erläuterungen hingewiesen
, die jeder abgedruckten Lutherschrift beigegeben sind.
Nochmals aber soll gesagt sein, daß der Besitz dieser schönen,
kurz vor ihrem Abschluß stehenden Ausgabe für jeden Lutherfreund
ein reicher Gewinn ist. Wir wünschen der Münchener
Lutherausgabe eine möglichst weite Verbreitung, daß sie dazu
beitragen möge, das Erbe Luthers bei uns wachzuhalten.

Münster/Westf. Ernst Otto Reichert

Benckert, H.: Philipp Melanchthon — Mensch des Maßes und der
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