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1961 Nr. 9

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Neues Testament

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671 Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 9 672

Pentateuchs an allen Sabbaten und Festen die Tora in einem 3-Jahr-
Zyklus verlas, ist äußerst unwahrscheinlich.

Zu 2): Für Jesu regelmäßige Synagogenpredigt beruft sich G. einerseits
auf Joh. 18,20 (231), andererseits auf synoptische Stellen (6 f.).
Nun steht zwar Mk 1,21, Jesus habe „in den Synagogen gelehrt";
aber das leitet nur eine Geschichte von der Heilung in einer Synagoge
ein. Mk 1, 39 spricht dann verallgemeinernd von Jesu Lehren
und Dämonenaustreibungen in den Synagogen (parallel sind Mt 4, 23
und Lk 4,44). Mt 9, 3 5 wiederholt diesen .Sammelbericht'. Die einzige
halbwegs konkrete Szene in einer Synagoge ist Mk 6, 1—6 = Mt 13,
53 — 58. Aber nur die Parallele Lk 4, 16—30 redet von einer Textverlesung
und Ansprache Jesu. Daß er Jes 61, 1. 2a auf sich selbst deutet,
gibt natürlich keine jüdische Tradition wieder, unterscheidet diese Rede
aber auch von allem, was die Synoptiker über Jesu Verkündigung der
Gottesherrschaft sagen. Die Synagogenliturgie, welche G. für die Zeit
Jesu voraussetzt, spiegelt sich hier jedenfalls nicht wider.

Wie sich G. Jesu Anknüpfen an die Lesungen aus Gesetz und Propheten
vorstellt, mögen ihre Ausführungen zu Joh 10 zeigen (230), zu
einer durch V. 22 auf das Tempelweihfest datierten Rede: ,,So mag
Jesus am Tempelweihfest in einem Jahr. . . das . .. Gleichnis vom guten
Hirten gepredigt haben, ... in einem anderen Jahr die Gleichnisse vom
verlorenen Schaf, vom verlorenen Groschen und vom verlorenen Sohn,
die Lk 15 aufgezeichnet sind." „The connexion, then, between Jesus'
teaching and Jewish liturgy is historical and not merely editorial." Dazu
vergleiche man G.s Ausführungen über das Tempelweihfest (127
—142); wir beschränken un6 hier aus Raumgründen auf 132—134. Der
Seder des 3. Jahres zu diesem Fest ist Dt 20, 10 — 22, 5, die Haphthara
1. Sam 17. Dt 22, 1—3 gebietet, dem Nachbar (.Bruder')' entlaufenes
Vieh diesem wiederzubringen. 1. Sam 17, 34 schildert, wie David als
Hirt seine Schafherde geschützt hat. Diese beiden Stellen hätten die Geschichte
vom verlorenen Schaf (Lk 15, 1—7) beeinflußt. Das Gleichnis
vom verlorenen Groschen beruhe auf Lev 24, 1 ff. („eine immerbrennende
Lampe") samt Zeph 1, 12 ff. (Gott wird Jerusalem mit seiner
Leuchte absuchen). Das Gleichnis vom verlorenen Sohn beruhe auf
Dt 21, 15—21 (Hat ein Mann 2 Frauen und der Erstgeborene stammt
von der Ungeliebten, darf sein Erbteil nicht verkürzt werden) mit
1. Sam 17,28 („in der Wüste" vgl. „in der Wüste" Lk 15,4). Außerdem
wirken noch die Josephsgeschichten mit ein (Der verlorene Sohn
geht in die Ferne, „just as Joseph went into Egypt": 134). Wie solche
„Berührungen" die Beziehung der Gleichnisse von Lk 15 auf das
Tempelweihfest sichern und Jesu Zurückgreifen auf die Festlesungen erweisen
, vermag ich nicht einzusehen. Mit solcher Methode läßt sich
schließlich so gut wie jeder Text mit jedem anderen in Beziehung
bringen.

Zu 3): Joh berichtet nur von einer einzigen Synagogenpredigt Jesu
(6,25 — 59).' Die anderen Reden hält Jesus im Tempel, und zwar nach
10,22 in der Halle Salomos. Johannes datiert also zwar Jesu Reden,
charakterisiert sie aber nicht als Synagogenpredigten.

G. macht nun für ihre These geltend: Einzelheiten im Joh (die man
bisher als Zeichen der Augenzeugenschaft deutete) hängen vom lektio-
narischen Hintergrund ab. „Das gilt besonders von solchen Einzelheiten
wie den 153 Fischen, der Stadt namens Ephraim, den je 2 bis 3 Maß
enthaltenden Krügen, dem Namen des hohenpriesterlichen Knechts und
die Dauer der Krankheit des Gelähmten, da jede dieser Einzelheiten ihre
Parallele in einer Lektion der betreffenden Jahreszeit findet" (230).

Gut, prüfen wir die hier angewandte Methode! Nach 1. Kön 5 (226)
hatte Salomo „153000 und einige Hundert" Arbeiter und Aufseher
beim Tempelbau. Das stimmt aber nicht! Nach l.Kön 5, 27 ff. hatte er
30000 Fronarbeiter aus ganz Israel; dazu kamen 70000 Lastträger,
80000 Steinmetzen und 3300 Aufseher. Das ergibt 183300 Menschen,
und die könnte G. nicht mit den 153 Fischen in Verbindung bringen.
In Wirklichkeit hält sie sich nur an die Parallele in 2. Chron 2, 2. Diese
verschweigt die peinlichen zwangsverpflichteten 30000 Israeliten und
macht die andern zu „gerim", „Fremden". So kommt der Chronist zu
153600 (nicht: 153300) beim Tcmpelbau Beschäftigten. Die „wenigen
Hundert" spielen für G. ebensowenig eine Rolle wie die Nullen. Übrig
bleibt die Zahl 153. Als „Fremde" werden sie bedeutungsvoll: die
153 Fische symbolisieren die Heiden, die Jesus in der nachösterlichen
Zeit durch die Kirche missioniert (226 f.)!

Zur „Stadt Ephraim" (Joh 11, 54) schreibt G. (150): „. eine
lektionarische Lesung für den ersten Sabbat im Schebat, die ganz unmißverständlich
die Erzählung in Joh 11 beeinflußt hat, ist die Haphthara
des 3. Jahres, Jos 24, die den Tod Josuas ('lyoovs im griechischen Text)
und Eleazars — ein Name, von dem Lazarus eine Abkürzung ist — erzählt
". Jos 24 berichtet: „Und es geschah danach, daß Josua starb...
und man begrub ihn ... zu Thimnat-Serah, das auf dem Gebirge Ephraim
liegt." „Und als Eleazar gestorben war, begrub man ihn zu Gibea, der
Stadt . . ., die ihm auf dem Gebirge Ephraim gegeben worden war."
G. vermutet nun, „daß die Erwähnung Ephraims eher von der Haphthara
Jos 24 als von irgendeinem historischen Ereignis abhängt" (150). Leider
erfahren wir nicht, wie der Evangelist aus diesen Stellen auf eine Stadt
Ephraim kam, in der sich Jesus aufhielt.

Zu den 6 Wasserkrügen von Joh 2,6 vergleicht G. (184 ff.)

1. Kön 7, 27 und 2. Chron 4, 2 ff. Nach der ersten Stelle enthielt das
Eherne Meer 2000 Bath, nach der zweiten aber 3000. „Der Evangelist
mag durch die abweichenden Zahlen in den Berichten von 1. Kön und

2. Chron beeinflußt worden 6ein." Die Nullen scheinen hier wie im
ersten Beispiel nichts zu besagen und ebensowenig der Umstand, daß es
sich im AT um das Eherne Meer im Tempel, hier aber um Wasserkrüge
im Hochzeitshaus handelt. Aber das eigentlich Unwahrscheinliche ist,
daß der Evangelist ausgerechnet den Unterschied der Zahlen in den
beiden Stellen auf diese Weise nachgebildet haben soll.

„Der Knecht aber hieß Malchus" (Joh 18, 10) — woher hatte der
Evangelist diesen Namen? G. (165) antwortet: Eine der Lektionen für
den Monat Tebeth war Sach 11, 4 ff. Dort sagt Vs. 6: „Ich will fortan
die Bewohner des Landes nicht schonen, spricht der Herr, sondern siehe,
ich überliefere die Menschen einen jeden in die Hand seines Hirten und
in die Hand seines Königs" (hebr.: malko) „, und die werden das Land
verheeren, und niemanden rette ich aus ihrer Hand". Da Mt Sach 11, 13
(die 40 Silberlinge) auf den Verrat des Judas gedeutet hat, meint G.,
dasselbe gelte auch von Vs. 4 ff.: der Evangelist habe sie dahin verstanden
, daß Jesus und seine Jünger in die Hand von Malko überliefert
werden. Dann aber hieß der Lk 22,15 erwähnte Knecht Malchus!
Aber: die Jünger geraten ja gerade nicht in die Hand von „Malko", und
wenn der Evangelist Hebräisch verstand, wußte er, daß „malko" hieß:
„seines Königs". Verstand er es aber nicht, dann konnte ihm der griechische
Sacharjatext auch nicht den Namen Malchus liefern!

Bleiben die 3 8 Jahre in Joh 5, 5. Diese Erzählung fällt nach G.
(sie stellt Kap. 5 und 6 um) in die Zeit des Neujahrsfestes. Von dessen
Lektionen habe Dt 2,13 den Evangelisten beeinflußt: „Und jetzt erhebt
euch und geht über den Bach Zeredl Und die Tage, in denen wir von
Kadesch Barnea kamen, bis wir über den Bach Zered gingen, waren 38
Jahre." „Nach 38 Jahren wurde den Hebräern befohlen: Erhebt euch
und nehmt euren Marsch auf!" Dem entspreche: nach 3 8 Jahren gehorcht
der Gelähmte dem Befehl Jesu: Erhebe dich und gehe! (83).

Nach alledem kann man u. E. höchstens sagen: G. deutet gewisse
Einzelheiten im johanneischen Bericht aus dem jeweils vermuteten
„lektionarischen Hintergrund". Daß sich der Evangelist von diesem
Hintergrund bestimmen ließ, vermag der Referent nicht zu sehen.

In summa: Uns scheint der eigentliche Wert des Werkes von
G. in den eingehenden Untersuchungen über die Zuweisung be-
stimmter Perikopen auf gewisse Sabbate und Feste zu liegen.

Münstcr/Westf. Ernst Haencbcn

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