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1961

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Bibelwissenschaft

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663

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 9

Krankenseelsorge läßt erkennen, daß es sich hier zugleich um eine
Hilfe handelt für das seelsorgerliche Bemühen in der Grenzsituation
der Krankheit und des Todes, für das der Seelsorger
einer klaren Sicht der biblischen Aussagen über die Seele bedarf.
Trotz der genannten beiden praktischen Aspekte handelt es sich
aber nicht um eine Tendenzschrift, sondern um eine akademische
Arbeit, die in dankenswerter Ausführlichkeit dem Begriffskomplex
nefesch - psyche im AT und NT nachgeht und die Möglichkeit
einer zutreffenden deutschen Wiedergabe prüft.

Das Übersetzungsproblem bei dem fraglichen Begriffskom-
plex liegt darin, daß die deutsche Sprache keine einheitliche Vokabel
dafür bereithält, und daß das nächstliegende deutsche Wort
„Seele" durch idealistisch-platonische Vorstellungen belastet ist.
Zudem ist der Begriff von solchem dogmatischen Schwergewicht,
daß der Übersetzer genötigt ist, zugleich zu interpretieren. Schon
Luther hat nefesch-psyche nicht einheitlich wiedergegeben, sondern
differenziert in der Übersetzling bewußt, wenn er auch weithin
die Vokabel „Seele" zunächst ganz unbefangen braucht. Die
modernen Übersetzer 6ind, wie Fascher im einzelnen aufzeigt, geneigt
, statt „Seele" die Vokabel „Leben" — meist im Sinne der
naturhaften, vitalen Lebendigkeit — zu wählen oder Ausdrücke
wie „meine Seele" durch das bloße Personalpronom „ich" wiederzugeben
. In vielen Fällen gesteht auch Fascher zu, daß der biblische
Ausdruck tatsächlich nichts anderes als das naturhafte Leben
kennzeichnet und deshalb besser mit „Leben" als mit „Seele"
wiedergegeben wird. Aber er warnt vor einer zu weitgehenden
Eliminierung der Vokabel „Seele" an solchen Stellen, an denen
der biblische Ausdruck ein Plus gegenüber den bloß vitalen
Energien in sich schließt. Fascher definiert dieses Plus auf S. 17
als „das Leben aus und mit Gott" oder redet auf S. 14 von der
Seele als dem „Gott zugewandten Teil des Menschen". Die Frage
nach dem Verständnis des Seelenbegriffes wird ihm besonders
wesentlich bei zentralen Stellen der Evangelien, bei Mk. 8, 36
(Mt. 16, 26) im Verhältnis zu Lk. 9, 25.

Grundsätzlich äußert sich Fascher auf S. 28 dahin, daß es
wohl geboten 6ei, in unseren Bibelübersetzungen das Wort
„Seele" an offenkundig mißverständlichen Stellen zu ersetzen.
„Aber daraus darf nicht ein Prinzip werden, indem man aus Abneigung
gegen .Platonismus' oder ,Idealismus' einer modernen
Existenzphilosophie sein Ohr leiht. Auch der Tendenz, aus Abneigung
gegen eine ,Hellenisierung des Christentums' Jesu Worte
nach dem Maßstab spätjüdischer Auferstehungsvorstellungen zu
interpretieren, ist zu widerraten. Schließlich hat Jesus etwas
Eigenes zu bringen gehabt." Wir zitieren diese Sätze ausführlich/
weil sie bezeichnend sind für den Barometerstand der geistesgeschichtlichen
Auseinandersetzung über das Seelenproblem. Man
wird die Warnung vor einer voreiligen Eliminierung des Seelen-
begriffes aus der deutschen Bibelübersetzung aufmerksam hören
müssen. Allerdings wird bei Fascher nur in sehr vagen Konturen
sichtbar, was denn nun dieser Seelenbegriff, den er retten möchte,
konkret beinhaltet, und was dieses Plus ist, das nicht wie die
physische leibseelische Existenz dem Tode verfällt.

Für Luthers Stellung zum Seelenbegriff bringt Fascher auf
S. 23 aufschlußreiche Zitate aus den Erklärungen zum Anfang
des Magnificat.

In einem Anhang analysiert Fascher die Seelenvorstellung
in den Liedern unseres Evangelischen Kirchen-Gesangbuches. Von
geringerem Interesse sind in dieser Beziehung die zahlreichen
Stellen, an denen „Seele" allgemeiner Ausdruck für die inneren
Kräfte des Menschen ist („Du meine Seele, singe!") und parallel
mit „Herz, Mut und Sinn" gebraucht wird. Beachtlich aber ist die
Tatsache, daß in den Sterbeliedern unserer Kirche fast durchweg
die Vorstellung zu finden ist, daß die „Seele" zu Gott zurückkehrt
, während der Leib der Auferstehung wartet. Angesichts
dieses Tatbestandes stellt Fascher (S. 35) die Frage, welche Lieder
wohl ausgemerzt werden müßten, wenn die heute nachdrücklich
vertretene Sicht der Dinge, nach der im Tode Leib und „Seele"
vergeht, zum Maßstab gemacht wird.

Fascher möchte im Schlußpassus des Heftes seine Arbeit
verstanden wissen als einen Appell an alle Disziplinen der Theologie
, die Frage, wie es um die Seele des Menschen steht, wieder
ernsthaft zu erörtern. Man wird diesen Appell hören müssen, um
60 mehr, als gerade Faschers solide Arbeit im Grunde mehr eine

Warnung und eine Frage enthält als eine greifbare klare Aussage
über das Wesen der „Seele".

Weimar Wolfgang Schanze

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Dieser Kurzkommentar, der sich durch eine sorgfältige
Übersetzung und vielfach zutreffende Einzelerklärungen auszeichnet
, erscheint im Rahmen der Zürcher Bibelkommentare, ist
also als volkstümliche Auslegung gedacht. Eine Auseinandersetzung
mit anderen Erklärungen erfolgt daher nicht, und Textänderungen
werden markiert, aber nicht begründet. Dennoch
wird eine bestimmte Auffassung vom Werden des Jesajabuches
und vom Wesen dieses Propheten dargeboten und eneigisch
durchgeführt, über die hier vor allem zu sprechen ist.

Hiernach ist Jesaja der Typ des Unheilspropheten. Von Heil
könnte er nur dann reden, wenn, wie in 7,9, auf der Menschenseite
der „Glaube" da wäre, oder wenn eine klare Umkehr des
Volkes die Androhung des Gerichtes abschwächte (S. 16). Sowohl
in dieser nicht theologischen, sondern psychologischen Auslegung
— weiter unten wird darauf zurückgekommen — wie vor
allem darin, daß die großen Verheißungen Jesajas sämtlich in die
nachexilische Zeit gelegt werden, meint man in eine Epoche der
Prophetenexegese versetzt zu sein, wie sie vor zwei Menschenaltern
üblich war. Was die messianischen Weissagungen anbetrifft,
so hatte F. bereits in seiner 1957 erschienenen Arbeit „Messiasfrage
und Bibelverständnis" (dazu vgl. die gründliche Besprechung
von S. Hermann in ThLZ 1960, 662 ff.) die These vertreten, daß
die in Jes. 9; Jes. 11; Mi. 5; Jer. 23 u. a. sich findenden Ausführungen
über die Messiasgestalt in nachexilischen Kreisen entstanden
und gepflegt worden seien, „die eschatologisch dachten und
davidisch-königstreu waren".

Diese überaus kritische Haltung hängt, was Jesaja anbetrifft,
weitgehend damit zusammen, daß der Verf. den jesajanischen
Hauptgedanken vom Plan des heiligen Gottes nicht ernst nimmt.
Zwar kennt auch in dieser Auslegung Jesaja einen Plan des Herrn,
so in dem gegen Assur gerichteten Stück 14, 24—27. Dabei han-