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Ausgabe:

1961 Nr. 9

Spalte:

662-664

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Fascher, Erich

Titel/Untertitel:

Seele oder Leben? 1961

Rezensent:

Schanze, Wolfgang

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661

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 9

662

Ien? Nahm sie Jakob mit nach Ägypten und wurden sie dann von
Moses übersetzt? — Für die Zeitrechnung des 2. Jts. werden
zwei Möglichkeiten angeboten (vgl. Auszug). Nach 1. Kön. 6, 1
(480 Jahre vom Tempelbau zurückgerechnet) kommt man auf
1445, nach der — archäologisch (Zerstörungen palästinischer
Städte im 13./l2. Jhdt.)begründeten — Rechnung wäre es erst im
13. Jhdt.. Hier wird merkwürdigerweise Ex. 1, 11 übergangen!
Längst vor den Ausgrabungen hat man nämlich aus der Erwähnung
der Stadt Ramses (die die Israeliten bauen mußten) geschlossen
, daß ein Ramses der Pharao der „Unterdrückung"
war. Warum wird nicht ganz offen gesagt: die Tradition über das
Auszugsdatum ist im AT nicht einhellig? Ex. 1,11 schließt
1. Kön. 6, 1 aus; und umgekehrt. Nach Gen 15, 16 war man 400,
nach Ex 12,40 jedoch 430 Jahre in Ägypten. Aus alledem ist
deutlich, daß Israel für die „Daten" des 2. Jts. keine präzisen
Unterlagen besaß, was aber auch keine Beschwer machte, da das
Interesse berechtigterweise allein am Heilsgeschehen haftete
(vgl. Dtn 26, 5—9). — In dem in so vielem 60 eigenartigen
Buche Daniel taucht in 6, 1 ein sonst völlig unbekannter „Meder
Darius" auf — es ist für die gesuchte Historizität schlechterdings
geraten, wenn man dafür einen [der beiden (!) zur Zeit
des Kyrus lebenden] Beauftragten mit Namen Gubaru vorschlägt,
noch dazu mit dem Bemerken, dies sei eine Möglichkeit, „die
sich durchzusetzen scheint"! Darius der Meder ist nach Dan.
6, 1 ff. wirklich Reichsherrscher in der Nachfolge Belsazars und
nicht ein Beamter des Kyros! (Man lese da6 Buch des den Baptisten
zugehörenden H. H. Rowley, Darius the Mede and the
four world empires.)

Daß die beiden Bibelbücher Hohes Lied und Prediger mit
Salomo zusammengehören sollen, ist u. a. wegen des persischen
(!) Fremdwortes pardes ( = Baumgarten) schwierig. Da lesen wir
denn: „die endgültige schriftliche Festlegung könnte in späte
Zeit fallen (hier also auf einmal: mündliche Tradition!)", oder:
„Rein sprachliche Argumente bleiben aber in jedem Falle unsicher
, sie sind immer von unserer beschränkten Kenntnis der
alten Sprachen abhängig, und dabei kann ein neuer Fund alle
bisherigen Schlußfolgerungen umstoßen". (Warum so warnend,
wenn zuvor gesagt ist, daß die uns vorliegende Form des Predigerbuches
nicht von Salomo selber stammt?)

Im Artikel Hiob wird eine Festlegung vermieden: „Der
Verfasser und die Abfassungszeit lassen sich nicht feststellen".
Beim Artikel Jona wird durch 2. Kön. 14,25 Datierung und
Historizität gewonnen, wobei noch beweiskräftig sein soll, daß
wir bei Nimrud (Kalach) um 879 v.Chr. bei 7km Mauerlänge
von 60 000 Einwohnern wissen, was zu dem „drei Tage großen"
Ninive (mit 13 km Mauerlänge) und den 120 000 Einwohnern
(Jona 4, 11) gut passe (7 zu 13 km ergibt allerdings 180 000
Einwohner). H. W. Wolff (cf. Artikel Jona RGG'1) statuiert
mit gutem Grund, das die Zeitumstände des 8. Jhdts. für
das Jonabuch keine Rolle spielen und daß die durch Fremdgut
angereicherte Lehrerzählung in das 4. Jhdt. gehöre! Entscheidend
ist der theologische Skopus; die auch dem christlichen
Leser wichtige Anrede durch das Buch Jona. Wirklichkeit des
Wortes Gottes und historisch-archäologisch argumentierender
Biblizismus stehen m. E. nicht in der Relation, die ihnen in
diesem Lexikon zudiktiert werden. Ich nehme an, daß der Artikel
Hethiter aus dem holländischen Lexikon (vor 1948?) übernommen
ist, andernfalls hat der Verfasser Karatepe verschlafen;
wie kann man 1960 schreiben: Keilschriftthethitisch könne man
lesen, „während man die ebenfalls entdeckten hethitischen
Hieroghyphen noch nicht lesen kann"? Man kann esl! Die
apologetisch gern eingeschaltete Archäologie (Keller, Die Bibel
hat doch recht) schafft, das muß man doch auch sehen, zuweilen
auch Schwierigkeiten! Im Artikel Bethel wird übergangen, daß
deT Ort gegen Ende des 13. Jhdts. (mehrfach) zerstört wurde,
während Ri 1, 22—26 voraussetzt, daß die Stadt selbst durch
Verrat fiel, umgekehrt aber lag „der Trümmerhaufen" (das heißt
ha-Ai) seit 2000 v. Chr. in Trümmern, während Jos. 7 f. die
Zerstörung von Ai in die Zeit Josuas setzt. Die Auskunft, Ai sei
nicht mit et-tell (arabisch = der Ruinenhügel) identisch, weil
die archäologischen Daten der Bibel widersprechen, wird mit dem
Hinweis verknüpft, man müsse noch weiter in der Gegend suchen.
Nun, gerade dieses Gelände ist aufs Genaueste durchforscht:

außer et-tell gibt es keinen östlich von Bethel und nahe bei dem
Abrahamsheiligtum (burdsch betin) gelegenen Teil mit spät-
bronzezeitlicher Keramik. Auch die katholischen Forscher (Ausnahme
Simons) haben die Resultate der Grabung von 1933/35
anerkannt. Albright rechnet — um dem archäologischen Tatbestand
gerecht zu werden — in der israelitischen Überlieferung
mit einer Vertauschung von Bethel und Ai, aber auch da hat er
selbst bei dem doch so konservativen Vincent (RB 1937, 460 f.)
keine Gefolgschaft gefunden. Die alten Israeliten waren ja keine
Archäologen und 6o haben sie das Faktum des zerstörten Ai mit
der Landnahme unter Josua verknüpft! Gen. 26, 8: ein Philister
könig in der Zeit Isaaks (also nach der Zeittafel um
2000 oder 1800); wie soll man damit fertig werden? Antwort in
diesem Lexikon: Die Philister haben — unbemerkt und unbeachtet
von den Ägyptern (sie!) — zwischen 2000 bis 1200 (als die
„eigentlichen" Philister [Seevölker unter Ramses III.] ins Land
kommen) bereits an der palästinischen Küste gesessen! Dafür
dient dann auch die vom Ausgräber falsch datierte Keramik von
teil dschemme (Flinders Petrie, Gerar; das war auch gar nicht
Gerar): de facto ist die Philisterkeramik eindeutig submykenisch.
Bei den einwandernden Philistern, die eine Herzogs - Ordnung
hatten (serannim entspricht griechischem Tyrann), fällt die
Landnahme mit der Staatenbildung zusammen, zumal sich aus
anderen Zeugnissen ergibt, daß die Ramessiden die Landnahme
der Philister bejahten (Albrecht Alt, Kleine Schriften I, 216 ff.).
Gen. 26, 8 erklärt sich ganz einfach so, daß man bei der schriftlichen
Aufzeichnung der betreffenden Erzählung die Philister in
Gerar (wahrscheinlich gleich teil esch-scherla') wohnend wußte
und — verständlicherweise — annahm, das sei schon immer so
gewesen.

Nun noch ein paar Worte zu den Abbildungen. Die „Großphotos"
der meisten Abbildungstafeln haben es meist mit Landschaften zu tun.
Wo Archäologisches geboten wird, hätte man bei kleinerem Format
(Vorlage etwa in den Altorientalischen Bildern zum AT oder bei
Ancient Near East in Pictures) mehr bringen können. Das Modell
des herodianischen Tempels (Tfl 84) ist beinahe 100 Jahre alt (Baurat
Schick) und dementsprechend veraltet (vgl. etwa Watzinger, Denkmäler
Palästinas II, 193 5). Auf Tfl 12 findet sich ein Schaubild von
Babylon (von Unger entnommen), das den Tempelturm zeigt. Dagegen
soll die (wegen der auf den Terrassen wachsenden Bäume und der
Rundkuppeln sehr zweifelhafte) Rekonstruktion des Tempelturms von
Ur laut Unterschrift dem von Babel ähnlich sein. Das verwirrt den Leser
(zum Stufenturm vgl. A. Parrot, Tour de Babel). Ferner ist mir aufgefallen
, daß mehr als zwei Dutzend Zeichnungen meinem „Biblischen
Reallexikon" (1937) entnommen sind, ohne daß dieses Buch als Quelle
erwähnt wird. Stammen die Vorlagen aus der „Bijbelse Encyclopädie"
oder sind sie durch den Verlag Brockhaus hereingeholt worden? Ich
hatte anläßlich eines in Holland erschienenen katholischen Bibelwerkes
(das später deutsch erschien) die gleiche Feststellung machen müssen
(auch in Kriegszeiten gilt m. E. die Fairness gegenüber einem Autor,
der ja die sorgsam erwogene Zusammenstellung von Bildern zu einem
geistigen Eigentum rechnet!). Archäologisch ließe sich noch auf manche
Einzelheiten verweisen, die der Verbesserung bedürftig sind, doch soll
das hier nicht aufgeführt werden, weil die Besprechung ohnehin schon
reichlich lang geworden ist.

Göltingen Kurt Galling

Fase her, Erich: Seele oder Leben? Die „Entseelung" der Bibel durch
ihre modernen Übersetzungen mit einem Anhang über das neue Gesangbuch
der Evangelischen Kirche in Deutschland. Berlin: Evang.
Konsistorium Berlin-Brandenburg [1959], 35 S. 8° = Berliner Hefte
zur Förderung d. evang. Krankenseelsorge, 7.

Diese Eröffnungsvorlesung zum Herbstsemester 1959 an der
Theologischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität behandelt
das Problem der deutschen Wiedergabe der biblischen
Vokabel nefesch-psyche. Sie steht unter einem doppelten aktuellen
Aspekt. Erstens: der aggressive Untertitel „Die Entseelung
der Bibel durch die modernen Übersetzungen" kennzeichnet die
Schrift als einen konkreten Beitrag zu der Frage der Bibelverdeutschung
und Bibelrevision. Sie erhebt an dem vielleicht heikelsten
Punkte des biblischen Vokabulare einen warnenden Finger gegen--
über weitgehenden Wünschen, die dem deutschen Wort „Seele"
in der Übersetzung den Raum beschränken möchten. Zweitens:
das Erscheinen dieser Schrift in einer Heftreihe zur evangelischen