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Ausgabe:

1961 Nr. 8

Spalte:

622-623

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Visser 't Hooft, Willem Adolph

Titel/Untertitel:

Unter dem einen Ruf 1961

Rezensent:

Schweitzer, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 8

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Schwesternschaften" hat viele Vorzüge und Qualitäten, fordert
aber leider auch zur Kritik heraus, die bei aller Würdigung der
Schwierigkeit einer derartigen Bemühung nicht verschwiegen
werden darf.

Zu den eindeutigen Vorzügen des Buches gehört das einleitende
Kapitel über „Bruderschaften in Kirche und Welt" von
Heinz-Dietrich Wendland, der nicht nur nach den theologischen,
sondern auch nach den soziologischen Voraussetzungen der heutigen
Orden und Kommunitäten fragt und mit Nachdruck das
Recht der Ordensgemeinde neben der Ortsgemeinde vertritt.
Auch der erste der vierzig eigentlichen Beiträge, aus denen sich
das Buch zusammensetzt, die Übersetzung eines Aufsatzes von
Roger Schütz, Prior von Taize, über „Die Entstehung der Kommunitäten
in den Kirchen der Reformation", hat den Vorzug
einer allgemein gültigen Aussage, die wesentlich über die bloße
Selbstdarstellung hinausweist.

Was auf diese Weise grundsätzlich über die vielerlei Kommunitäten
und Fraternitäten, Orden und Gilden, Konvente und
Kongregationen, Bruder-, Schwestern- und Geschwisterschaften
gesagt ist, umfaßt einschließlich eines vierseitigen Vorwortes der
Herausgeberin nur eben ein Zehntel des Bandes, der im übrigen
nach Form und Inhalt außerordentlich heterogen ist. Es liegt bei
einer Sammlung von Selbstdarstellungen nahe, daß sie von unterschiedlicher
sowohl schriftstellerischer wie geistiger und geistlicher
Qualität sind. Und das Buch enthält so ausgezeichnete
Beiträge gerade über die wichtigsten unter den neuen Bruderschaften
, daß man sehr geneigt ist, über 6eine Schwächen und
Mängel hinwegzusehen.

Aber die Sache scheint uns zu wichtig, als daß man die
Mängel ganz ungerügt sein lassen dürfte. Der wichtigste Mangel
des Buches ist, paradox genug, sein Überfluß: es sind viel zu viel
bruderschaftsähnliche Gebilde, die zum Teil noch jeder Erprobung
entbehren, aufgenommen. Es entsteht nicht gleich ein
„Orden", wenn ein organisationsfreudiger Pfarrer ein paar Menschen
um sich sammelt, und wenn er es drei6t selber so nennt.
Und von Schwesternverbänden der kirchlichen Diakonie müßte
etwas mehr als nur ihre Satzungen mitgeteilt werden, um zu erweisen
, daß es sich um einen ordensartigen Neubeginn handelt.

Weniger wäre in diesem Falle zweifellos mehr gewesen. Und
so möchte man sich eine zweite, statt vermehrte verringerte Auflage
dieses Buches wünschen, das seine wertvollen Beiträge in
einer wesentlich strafferen Ordnung bringt, dafür aber auch außereuropäische
Gemeinschaften wie die indischen Ashrams mit einbezieht
. Auch ein Blick auf neuere Orden der römischen Kirche,
die den evangelischen Kommunitäten in manchen Zügen vergleichbar
sind, könnte wesentliche Bereicherung bieten und verdeutlichen
helfen, daß es 6ich hier nicht um romantische Rückgriffe
in die Historie, sondern — gerade bei den entscheidenden
Trägern der kommunitären Bewegung — um den Aufbruch zu
einem neuen Apostolat und zu neuen Formen der Weltbegegnung
der Christenheit handelt.

Berlin Kruli Mül l er-Gan glof f

Ha gern an, Howard G.: Reformed Worship: Yesterday and Today.
Theology Today 18, 1961 S. 30-40.

Heß, Hans-Erich: Die Ordination in der Evangelischen Kirche in Hessen
und Nassau.

Kirche in der Zeit 16, 1961 S. 161-165.
Jackson, Gordon E.: Christian Education and Theological Method.

Theology Today 17, 1961 S. 485-497.
Nes, William H: Homiletic as a Theological Discipline.

Anglican Theological Review 43, 1961 S. 61—70.
Ramsey, Paul: Theological Studies in College and Seminary.

Theology Today 17, 1961 S. 466—484.
Rodenmayer, Robert N.: The Foundation« of Pastoral Theology.

Anglican Theological Review 43, 1961 S. 47—61.
;Römer, Christian, u. Wilhelm G ü m b e 1 : Textbuch für Prediger.

Eine Sammlung von Bibelstellen zur Verwendung in Predigt und

Kasualrede. Stuttgart: Calwer Verlag [i960]. 246 S. 8°. Lw. DM 9.50.
Schmidt, Johannes und Hans Meyer-Roscher : Ausbildung

zum pfarramtlichen Dienst.

Pastoralblätter 101, 1961 S. 260-267.

MISSIONSWISSENSCHAFT UND ÖKUMENE

V i s s e r 't H o o f t, W. A.: Unter dem einen Ruf. Eine Theologie der
v ökumenischen Bewegung. Mit fünf biblischen Studien v. Francoise
Floren tin. Stuttgart: Evang. Verlagswerk 1960. 149 S. 8°.

Der jezt sechzigjährige Generalsekretär des Weltkirchenrats
legt in dieser Untersuchung eine sehr abgewogene und sorgfältig
formulierte Theologie der ökumenischen Bewegung vor, die
in künftigen Diskussionen nicht mehr umgangen werden kann.
Obwohl es sich selbstverständlich (wie auch im Vorwort betont
wird) nicht um eine offizielle Äußerung des Weltkirchenrates
handelt, kommt diesen Darlegungen doch schon dadurch besonderes
Gewicht zu, daß ihr Verfasser wie kein anderer Gelegenheit
hatte, die Stichhaltigkeit seiner Thesen im ökumenischen Gespräch
selbst immer wieder zu überprüfen.

Den Hauptteil des Buches bilden fünf vom Verf. stark überarbeitete
Vorlesungen, die im September 1957 in den USA gehalten
wurden. In einem ersten Kapitel: „Wie wächst die Einheit
?" sucht der Verf. zunächst aus der bisherigen Theorie und
Praxis der ökumenischen Bewegung unseres Jahrhunderts die
Notwendigkeit einer „Theologie der ökumenischen Bewegung"
(der Ausdruck wird von BonhoefTer entlehnt) zu begründen.
Während die Frage in Toronto 1950 noch lautete: „Was ist der
Weltrat der Kirchen?" (in der Übersetzung heißt es fälschlich:
„der Kirche") 6ei die Zeit nun reif, die viel wichtigere Frage aufzunehmen
: „Wie kann der Weltrat der Kirchen den Kirchen helfen
, zusammenzuwachsen, bis sie die vollere Einheit erreicht haben
?" (S. 22). Wenn man sich erinnert, in wie starkem Maße die
Formulierungen von Toronto bereits als Fortschritt empfunden
wurden (Visser 't Hooft war sehr wesentlich daran beteiligt),
kann man ermessen, was es bedeutet, daß nun mit solcher Energie
und Freudigkeit die nächste Frage als die wichtigere in Angriff
genommen, also Toronto bereits als eine inzwischen überschrittene
Stufe angesehen wird!

Die folgenden Kapitel sind alle nach dem Schema aufgebaut,
daß nach einer biblisch-theologischen Erwägung die Frage gestellt
wird: „Was bedeutet dies nun für die ökumenische Bewegung?"
Dogmengeschichtliche Erwägungen bleiben also unausgesprochen
im Hintergrund. Die biblischen Erwägungen werden vielleicht
manchen Theologen der neuen exegetischen Welle zunächst gewagt
erscheinen; doch wird man dem Verf. nicht vorwerfen können
, daß er willkürlich vorgegangen ist: die Fragestellung ist
immer an der zentralen neutestamentlichen Botschaft orientiert
— und zugleich in sehr fruchtbarer Weise auf die Gegenwartsfragen
der Ökumene ausgerichtet, ohne daß den Texten dabei
Unrecht geschieht.

So bemüht sich der Verf. im zweiten Kapitel: „Der Ruf zum
Zeugnis" vor allem das Verhältnis zwischen Mission und Ökumene
zu erörtern: „Einheit wächst so, wie die Kirchen ihre gemeinsame
Berufung zum Zeugnis ernst nehmen" (S. 34). „Das
bedeutet, daß eine missionarische Bewegung ohne Herz für die
Einheit ihre eigenen Ziele gefährdet. Es bedeutet aber gleichzeitig
, daß eine ökumenische Bewegung ohne ein Herz für die
Mission ihrem eigenen Wesen widerspricht" (39): Brillante Formulierungen
dieser Art findet man immer wieder in diesem
Buch. — Sehr wichtig ist der Grundsatz, „daß man Einheit nicht
fördert, indem man die schwierigen Sachfragen kirchlichen Zeugnisses
umgeht, sondern indem man sich ihnen gemeinsam stellt".
Als Beispiele werden genannt: „Atomwaffen und Menschenrechte,
Rassenbeziehungen und soziale Gerechtigkeit", und man kann
nur unterstreichen, daß in diesen Dingen auch dem Weltkirchenrat
„noch sehr viel mehr als bisher zu tun" aufgegeben ist, da
es noch zu häufig so ist, daß die Kirchen der Welt „Botschaften
anbieten, die einander widersprechen" (S. 40 f.).

Kapitel III: „Der Ruf zum Dienen" läßt ähnlich schon in der
biblischen Besinnung den Zusammenhang zwischen „diakonia"
und „koinonia" erkennen, betont dann aber auch sehr stark die
weitere Form der Diakonie, die in der heutigen Welt von den
meisten Christen gefordert ist. Man sollte nicht sagen: es geht
immer nur um die Not einzelner, denn „wir können nicht aus
Furcht, den einzelnen aus dem Blick zu verlieren, Millionen