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Ausgabe:

1961 Nr. 8

Spalte:

575-576

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Ksiȩga pamia̧tkowa ku czci Zdzisława Żygulskiego i Jana Pripreka z okazji 45-lecia pracy naukowej i pedagogicznej oraz 70-lecia ich urodzin 1961

Rezensent:

Lerle, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 8

576

gangspunkt bei der Neugestaltung der lutherischen Lehre von
den zwei Reichen. Er vermißt in der ev. Theologie und Ethik vor
allem die „heilsgeschichtlich wirkmächtige Verbundenheit" von
Reich Gottes und Welt; denn die Mitteilung der Gnade verwandelt
die ursprüngliche Schöpfung. Um die in der Verwirklichung
der Erlösung gesetzte, echte Kontinuität geht es der katholischen
Sozialethik, bzgl. deren Hauser keineswegs kritiklos ist, stellt er
doch fest, daß die Herrschaft Christi in der traditionellen katholischen
Soziallehre 6ehr im Hintergrund geblieben sei. — Auch
andere Beiträge sind speziell für den ev. Ethiker wertvoll, so die
Auseinandersetzung von Franz Scholz mit der modernen
Situationsethik, der 6ich zu zeigen bemüht, daß ihr Wahrheitsmoment
in der Moraltheologie seinen Platz habe, während die
Loslösung der Situation und des Menschen (Autonomie) von den
Normen höchst verderblich sei, wobei auch einige kritische
Bemerkungen zur existentialischen Neigung der protestantischen
Ethik fallen, die durchaus nicht als grundlos bezeichnet werden
können. (Jaspers ist der Verf. freilich nicht gerecht geworden,
weil er dessen Vernunftbegriff nicht beachtet hat.) Joachim
G i e r s befaßt sich mit dem Begriff der Epieikie, indem er von
Thomas über Suarez bis zur neuesten Moraltheologie fortschreitet
. Da auch uns das Problem von Billigkeit und Gesetzesforderung
, Billigkeit und Gerechtigkeit täglich im Leben der
Gesellschaft begegnet, haben wir Veranlassung, uns mit der
großen Tradition zu beschäftigen, die hinter diesem Begriff
sichtbar wird.

Wir haben den Band unter dem Gesichtswinkel des Sozial-
ethikers gewürdigt; nimmt ihn der praktische Theologe zur Hand,
so würden diesem vielleicht die Aufsätze wichtiger sein, die sich
mit der psychologischen Grundlegung der Moraltheologie befassen
. Hier seien wenigstens genannt: Werner S c h ö 11 g e n.
Zur Psychologie der Frömmigkeit und der Gottesfurcht; Anton
R o h d e, Zur Frage der Zusammenarbeit von Psychotherapeut
und Seelsorger. — Kennzeichnend für fast alle Beiträge ist die
Offenheit für moderne Erkenntnisse anderer Wissenschaften und
die Fähigkeit, diese in das feststehende, synthetische Grundsystem
einzuzeichnen, verbunden mit dem Willen, der Theologie
der Moral und des Sozialen ein neues Gewicht zu geben.
Deswegen sollten wir das Gespräch mit der modernen katholischen
Sozialtheologie so intensiv wie möglich fuhren; mit der
bloßen Ablehnung des „katholischen Naturrechts" ist es nicht
getan, denn den Problemen und Phänomenen, auf welche diese
Tradition antwortet, müssen auch wir uns stellen.

Münster/W. Heinz-Dietrich Wendland

[Szeruda, Jan:] Ksiega Jubileuszowa z okazji 70-lecia urodzin Ks.
Prof. Dr. Jana Szerudy. Warszawa: (Chrzescijaiiska Akademia Teo-
logiczna Chylice-Warszawa) 1959. 137 S., 1 Porträt gr. S°.

Jubilar ist der 70jährige Warschauer Alttestamentier Jan
Szeruda, der seit 1920 mehr als eine Generation von Theologen
ausgebildet und in den Jahren 1945 bis 1951 unter den aller-
schwierigsten Arbeitsbedingungen das Amt des Bischofs seiner
Kirche verwaltet hat. Herausgeber ist der Lehrkörper der Christlichen
Theologischen Akademie in Chylice, die bis zum Jahre 1954
als Fakultät für Evangelische Theologie Bestandteil der Warschauer
Universität war.

Der Band umfaßt Beiträge aus allen theologischen Disziplinen.
Einige Aufsätze verdienen besondere Erwähnung. Eine Arbeit von
Naumczyk befaßt sich mit Problemen der ägyptischen Geschichte.
Auf dem zeitgeschichtlichen Hintergrund hebt 6ich die Gesetzgebung
des Dekalogs als das Gesetz sdilechthin ab. Beachtenswert ist die
Verarbeitung sowohl der deutschen als auch der anglo-amerikanischen
und französischen Literatur, die besonders gewürdigt werden muß, wenn
man bedenkt, unter welchen Schwierigkeiten die wissenschaftliche Arbeit
in einem zerstörten Lande neu beginnen mußte. Der Neu-
testamentler Wolfram befaßt sich mit der Gütergemeinschaft der
Urgemeinde und zeigt, wie der Verzicht auf Eigentum seine Wurzeln im
Glaubensleben hatte. Treibende Motive waren Opferfreudigkeit und
Dienst am Nächsten. In der Organisation der Güterverteilung lag kein
Gewicht, denn die Gemeinde lebte in der Erwartung der baldigen Paru-
sie. In einer kirchengeschichtlichen Abhandlung von B a r t e 1 ist der
bedeutendste Ertrag der Nachweis, daß die übliche Auffassung vom
vorwiegend reformierten Charakter der Reformation in Polen auf einen
terminologischen Irrtum zurückgeht. Erst in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts haben breitere Kreise des Adels den Kalvinismus

übernommen. Das Luthertum dagegen ist in breitere Volksschichten
nicht nur der deutschen Einwanderer, sondern auch der Bevölkerung
polnischer Herkunft eingedrungen. Ein Beitrag von Gaspary befaßt
sich mit der Kirche während des ersten Weltkrieges. Der Präses
der Synode berichtet, daß die deutschen Einwanderer, die im 18. und
19. Jahrhundert ins Land gerufen wurden, als Minderheit unter der
polnischen Bevölkerung lebten, während in der lutherischen Kirche die
Glieder polnischen Volkstums eine Minderheit in der vorwiegend
deutschsprachigen Kirche bildeten. Die Abhandlung zeigt die außerkirchlichen
und außertheologischen Faktoren, die in das kirchliche
Leben hineingetragen wurden und zu einer unheilvollen Verquickung
zwischen Nationalität und Konfession geführt haben. Eindrucksvoll
sind die nüchternen Tatsachenberichte über die Massendeportationen
während des ersten Weltkrieges (S. 22 f.). Diese Ereignisse sind schon
beinahe vergessen, obwohl die Generation, die davon betroffen war,
noch nicht ausgestorben ist. Programmatische Bedeutung hat der
systematische Aufsatz des Rektors der Akademie N i e m c z y k. Die
Überschrift lautet „Die lutherische Lehre von Gesetz und Evangelium".
Die Ausführungen lassen erkennen, daß die Problematik besonders
aktuell ist. Interessierte Nichttheologen befassen sich mit diesen
Fragen und verantwortliche Kirchenmänner weisen bewußt auf die
Theologie von Gesetz und Evangelium hin. Das Gebiet der praktisdien
Theologie vertritt Wantula, der jetzt das Amt des Bischofs bekleidet
. Sein Beitrag behandelt Fragen der kirchlichen Unterweisung.
Wantula fragt nach der Zielsetzung des sogenannten Religionsunterricht
« und wendet sich sehr entschieden gegen die ältere Auffassung, die
im Unterricht religiöse Anlagen entwickeln wollte. Der Verkündigungscharakter
der Christenlehre wird ganz besonders prägnant herausgearbeitet
. Mit innerer Notwendigkeit folgt aus den grundsätzlichen
Erwägungen das Postulat, die Kirche selbst mÜ6Se die Unterweisung in
die Hand nehmen.

Die Bedeutung der Festschrift liegt nicht nur in ihren Einzelbeiträgen
. Zum ersten Mal seit Kriegsausbruch wurde von nicht-
katholischer Seite in Polen ein Sammelband herausgebracht, der
Einblick in die theologische Arbeit in ihrer Breite gibt. Bisher war
es nicht möglich, aus einzelnen Veröffentlichungen, die oft in
schwer zugänglichen Zeitschriften verschiedener Länder erschienen
sind, ein zusammenhängendes Bild von der theologischen Arbeit
der Nachkriegszeit zu gewinnen. Die Festgabe für Szeruda knüpft
offensichtlich an die Tradition des Theologischen Jahrbuchs
(Rocznik Teologiczny) an, das bis zum Kriegsausbruch herausgegeben
wurde und repräsentativ für die Theologie in ihrer
Gesamtheit war. Ein Vergleich mit der Zeit vor 1939 läßt das
Gepräge der neuen Ansätze besonders deutlich werden. Der liberale
Einschlag der Vorkriegstheologie ist 6ehr weitgehend überwunden
. Der Beitrag des neuen Bischofs drückt den Unterschied
recht deutlich aus (S. 90). Es überwiegen lutherische Stimmen,
wenn auch an der Akademie andere Kirchen beteiligt sind. Die
Festschrift ist in ihrer Themenstellung und im Inhalt besonders
stark durch die kirchliche Arbeit bestimmt. Die theologischen
Impulse kommen hauptsächlich von innen, obwohl eine Verwandtschaft
mit ähnlichen Erscheinungen im Ausland unverkennbar
ist. In einem Lande, in dem das Problem der Entkirchlichung der
Massen nie in ähnlichem Ausmaß bestanden hat wie in vielen
anderen Staaten, war das kirchliche Leben stark genug, um in dem
nach der Katastrophe zurückgebliebenen Rest neue Impulse
hervorzubringen.

Als Anregung für künftige ähnliche Veröffentlichungen ist zu
wünschen, daß ein Resümee in einer Sprache, deren Kenntnis weiter
verbreitet ist, beigefügt wird, damit ein weiterer Kreis von Lesern
Gelegenheit bekommt, die theologische Arbeit Polens kennenzulernen.

Halle/Saale Ernst L e r 1 e

Campenhausen, Hans Frhr. von: Christentum und Humor.

> Theologische Rundschau N. F. 27, 1961 S. 65—82.

D i e m, Hermann: Die Menschlichkeit Gottes. Karl Barth zum 75. Geburtstag
am 10. Mai 1961.
Deutsches Pfarrerblatt 61, 1961 S. 213—216.

Ehrhardt, Arnold: Was ist eigentlich unter „Recht" zu verstehen?
Evangelische Theologie 21, 1961 S. 234—238.

Hamilton, William: Experiment in Theology and Television.
Theology Today 18, 1961 S. 77—86.

Jacobs, Paul: Was ist für die Kirche tabu?
Kirche in der Zeit 16, 1961 S. 147—149.

Kupisch, Karl: Theologische Existenz. Karl Barth zum 75. Geburtstag
.

Die Zeichen der Zeit 15, 1961 S. 161—170.