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Ausgabe: | 1961 Nr. 7 |
Spalte: | 533-534 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Ethik |
Autor/Hrsg.: | Siewerth, Gustav |
Titel/Untertitel: | Die Freiheit und das Gute 1961 |
Rezensent: | Hessen, Johannes |
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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 7
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heim mit einem „Waisenfamilienheim" gegangen ist, das alles
Anstaltsmäßige vermeidet und 12 Kinder verschiedenen Alters
einer „Mutter" zur Betreuung, Erziehung, zum familiären Leben
anvertraut. Könnten wir dodi überall so „familiär" arbeiten und
damit die „kollektive" Erziehung unserer Heime überwinden!
Das Beispiel von Ehlen zeigt, daß die Phantasie der Liebe das
scheinbar Unmögliche möglich macht. Über moderne Kindergärten
unterrichtet schließlich ein Beitrag mit vielen ansprechenden
Bildern, z. T. auch mit Kostenplänen. Wie üblich, rundet eine
Bibliographie (die in Fortführung des Jahrbuchs 1957 den Zeitraum
ab 1938 umfaßt) das Ganze ab.
Kaiserswerth Robert F r i ck
Sie werth, Gustav: Die Freiheit und das Gute. Freiburg: Herder
[1959]. 88 S. 8° = Das pädagog. Gespräch. Aktuelle Veröff. d. Will-
mann-Inst. Freiburg-Wien. Kart. DM 5.80.
In dieser Schrift, die merkwürdigerweise fast zur Hälfte aus
„Einführenden Erwägungen" besteht, soll „das Gute in 6einem
Wesen und seinem Wesen gemäß zur Aussage kommen" (S. 7).
Verf. weiß um dessen „Verborgenheit in der Geschichte des Denkens
" (ebd.). „Dieser Verborgenheit", so fährt er fort, „entspricht
die Helle seines unmittelbaren und vermittelten Anwesens
in allem, was im menschlichen Dasein und in aller Wirklichkeit
für uns lichtet" (ebd.). Hier stutzt mein Denkvermögen wie auch
mein Sprachgefühl. Verborgenheit und Helle schließen sich doch
wohl aus, so daß man nicht sagen kann: der Verborgenheit entspricht
die Helle, sondern viel eher: der Verborgenheit widerspricht
die Helle. Und die sprachlichen Bedenken: die Wörter
„Anwesen" und „lichten" haben in unserer Sprache — trotz
Heidegger — einen festbestimmten Sinn, den abzuändern einem
die Ehrfurcht vor der deutschen Sprache verbieten sollte. Nicht
nur hier, auch sonst ist die Diktion des Autors stark vom Existentialismus
geprägt. Streift man jedoch dieses moderne Gewand
vom Gedankengehalt der Schrift ab, so steht man vor einer sehr
alten und veralteten philosophischen Position: dem scholastischen
Axiom: Ens et bonum convertuntur. Mit aller Entschiedenheit
lehnt Verf. jede Abhebung des Wertes vom Sein ab. Für ihn
ist Wert Sein und Sein Wert (S. 29 f.). Ja, er geht noch weiter.
Das Gute kann nach ihm außerhalb des Seins nicht einmal gedacht
werden. „Wird es aber aus dem Sein gedacht, dann waltet
die Kraft jenes einzig-einigenden Lichtes, das die Würde der personalen
Freiheit, ihre transzendentale Auflichtung und Erstrek-
kung mit dem Wesensreichtum des Seienden auf das Sein und die
ermächtigende, rufende und begnadende Liebe Gottes hin einigt
(S. 39). Hier wird deutlich, daß diese Lehre vom Guten auf der
christlichen Weltanschauung basiert (vgl. auch S. 54 und 59).
Und wie die Lehre vom Guten, 60 beruht auch die von der Freiheit
auf diesem Fundament. Der Mensch ist frei, „weil er vom
Ursprung in der Wahrheit und im Guten Heimat und darin an
Gottes Wesen und Güte Anteil hat" (S. 44).
Was Verf. uns in seiner mit viel Geist geschriebenen Abhandlung
bietet, ist dem Gesagten zufolge keine philosophische
Ethik, sondern theologische Metaphysik im Sinne des Thomas
von Aquin. Um so merkwürdiger ist es, daß er sich mit der
modernen philosophischen Ethik auseinandersetzt. Freilich beschränkt
er sich dabei auf ein einziges Werk: die „Ethik" von
Nie. Hartmann, und ignoriert vollkommen die Tatsache, daß auch
zahlreiche katholische Forscher sich auf den Boden der heutigen
Wertethik gestellt haben (vgl. dazu mein „Lehrbuch der Philosophie
", II. Bd.: „Wertlehre", 2. Aufl. 1959). Da Verf. mit
Hartmann keinerlei gemeinsame Basis hat, muß seine Diskussion
natürlich unfruchtbar sein. Wer mit Thomas keine ideale Seinsweise
kennt und jede Scheidung von Idealität und Realität
a limine ablehnt (S. 30), vermag selbstverständlich kein Verständnis
für eine Ethik aufzubringen, deren Grund- und Eckstein
die Wertidee ist. Leider hat Verf. es unterlassen, sich die Frage
vorzulegen, wie er von seinen Voraussetzungen aus das sittlich
Gute in allgemeingültiger Weise begründen will. Wenn das Wesen
des Guten im Sinne des Verfassers zu bestimmen ist, kann es
verpflichtende Kraft nur für den besitzen, der auf dem Boden, der
diristlichen Weltanschauung steht. Sittlichkeit gibt es dann nur
für den im Sinne des Christentums gottgläubigen Menschen. Daß
eine solche Position aber mit Geschichte und Erfahrung in einem
flagranten Widerspruch steht, ist wohl luce clarius. Die Absurdität
dieser Konsequenz offenbart die Absurdität der These.
Siewerths Schrift ist erschienen in der Sammlung „Das pädagogische
Gespräch". In der Tat enthält sie manchen pädagogisch
wichtigen und wertvollen Gedanken. Ebenso schön wie treffend
heißt es gegen Schluß der Schrift: Je mehr der Mensch „sich dem
Göttlichen weiht und sich zum Werk der Liebe bereitet, um so
mehr gewinnt er sich selbst, um so tapferer und besonnener
wehrt er dem Bösen, um so tiefer übersteigt er 6ich in Opfer und
Hingabe. Jede Bindung an das Gute erlöst aus dem Krampf und
der Enge der Angst und der Mühsal der Notdurft und bringt noch
in Not und Notwendigkeit des Sterbens Freiheit und Trost des
sich in Gott begebenden und anbefehlenden Herzens" (S. 84).
Aber das ist nicht mehr eine philosophische, sondern eine religiöse
Sicht des Menschen und 6einer ewigen Bestimmung.
Köln Johannes Hessen
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evang. Lehre, hrsg. v. H.-W. Bartsch, XXI. Kart. DM 12.—.
Das Buch behandelt mit teilweise neuer Fragestellung und
mit neuer Gedankenführung die alte, für das evangelische Kirchenrecht
so überaus grundlegende und seit Rudolph Sohm nie zur
Ruhe gekommene Frage nach der „Vereinbarkeit von Kirche und
Kirchenrecht in evangelischer Sicht" (S. 1).