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Ausgabe:

1961 Nr. 7

Spalte:

529-531

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Gyllenkrok, Axel

Titel/Untertitel:

Systematisk teologi och vetenskaplig metod 1961

Rezensent:

Hornig, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 7

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bleibenden Grundzüge der Tillich'schen Religionsauffassung deutlich
heraus. Es folgt nämlich die „Religionsphilosophie", die
(1925) erstmalig in M. Dessoirs Lehrbuch der Philosophie veröffentlicht
wurde. Sie ist eine 6chellingianische Zwillingsschwester
zu der kurz zuvor ans Licht getretenen „Idee der Religion" von
Fr. Brundstäd, welche auf dem Boden der Nachwirkungen Hegels
gewachsen ist. Beide Konzeptionen sind sich darin einig, daß die
Religion nicht eine Funktion des Geistee neben anderen Funktionen
, nicht ein Bereich neben anderen Bereichen ist, sondern als
die Erfahrung des Unbedingten alle anderen Funktionen durchwaltet
, was bei T. auch sehr entscheidende Folgen in der Wissenschaftslehre
hat. Es sei nur darauf hingewiesen, daß sich in dieser
Schrift auch die Grundlegung zu Begriffen findet, die dann für
das Denken T.s entscheidend geblieben sind, z. B. des „Metalogischen
", des Dämonischen, der Sinnfunktion, des Symbols bzw.
der Symbolkraft, des Mythos usw. Alle heutigen Verwendungen
dieser Begriffe werden an T. selbst überprüft werden müssen.
Schließlich beschließt die kleine Schrift „Die Überwindung des
Religionsbegriffs in der Religionsphilosophie" (1922) die Reihe
der vorgelegten Frühwerke. Es handelt sich hier, so könnte man
sagen, um die Frage der Objektivierbarkeit der Religion, die in
historischer Perspektive überprüft und — es ist die Zeit der
frühen sog. dialektischen Theologie! — im Tillich'schen Sinne
entschieden wird.

Wie gesagt: es sind Texte, die schon fast Dokumente der
neueren Theologiegeschichte darstellen. Sie haben aber darum
nichts an aktueller Bedeutung eingebüßt. Sehe ich recht, so liegt
diese Bedeutung vor allem darin, daß hier ein Theologe in durchweg
philosophischen Arbeiten nach der philosophischen Grundlegung
seines eigenen Denkens fragt. Der sich ankündigenden
großen theologischen Konzeption wird in einer wissenschaftstheoretischen
Orientierung der Horizont abgesteckt. Wie die allgemeinen
Wissenschaftsprobleme nie aus dem Blick gelassen
werden, so ist auch das Kulturproblem in der Religionsphilosophie
immer in Sicht und wird alsbald die Voraussetzung zu einer
großangelegten Kritik der Zeit und der Kultur liefern. Und
schließlich ist es von Bedeutung, daß hier ungestört von Einreden
der Zeitgenossen der Religionsbegriff nicht vermieden wird, indem
doch zugleich über seine nur bedingte Eignung als Reflexionsbegriff
Klarheit besteht.

Man wird der Fortsetzung der Herausgabe des Gesamtwerkes
mit Erwartung und besten Wünschen entgegensehen.

Göttingen ■ Wolfgang T r i 11 h aa s

Gyllenkrok, Axel: Systematisk teologi och vetenskaplig mctod.

I Med särskild hänsyn tili etiken. With an English Summary: Syste-
matic Theology and Scientific Method with Particular Reference to
Ethics. Uppsala: Lundeqwstska Bokhandeln; Wiesbaden: Harrassowitz
119 59]. HOS. gr. 8° = Uppsala Univereitets Arsskrift 1959, 2.
Sdiw. Kr. 10.-. *K<k. IX Z

Aus der Reihe der Arbeiten, die in den vergangenen Jahren
über die Methodenfrage der systematischen Theologie erschienen
sind, hebt sich die vorliegende schwedische Untersuchung durch
ihre Problemstellung und ihren grundsätzlichen Charakter heraus.
Es geht dem Verf. um eine Erörterung der Frage, welche wissenschaftlichen
Methoden innerhalb der Dogmatik und Ethik angewandt
werden können.

Gyllenkrok nimmt damit ein Thema auf, das seit der Ausscheidung
der Religionsphilosophie aus den dogmatischen Pro-
legomena im Bereich der deutschsprachigen systematischen
Theologie nur noch selten behandelt worden ist. Bezeichnend
für diese Situation i6t, daß der Verf. die Frage nach der Wissenschaftlichkeit
der Dogmatik im Anschluß an Arbeiten aus den
20er und 30er Jahren erörtert (S. 7—31). Die leider nicht ins
Deutsche übersetzten religionsphilosophischen Werke A. Nygrens
werden vom Verf. als „der ernsthafteste Versuch" gewertet, die
Wis6enschaftlichkeit der Dogmatik zu begründen, während der
lesenswerte Aufsatz des verstorbenen Religionsphilosophen und
Logistikers H. Scholz, „Wie ist eine evangelische Theologie als
Wissenschaft möglich?" (ZZ, 1931, S. 8—35) als „der gründlichste
Versuch" gilt, die Wissenschaftlichkeit der systematischen Theologie
zu bestreiten (vgl. S. 10). Dem religionsphilosophischen

Lösungsversuch A. Nygrens, seiner Grundmotivforschung und
seiner Art, das Wesen des Christentums zu bestimmen, steht
Gyllenkrok jedoch ausgesprochen kritisch gegenüber.

Wesentlich positiver beurteilt der Verf. die Forderungen,
die H. Scholz an eine wissenschaftliche Theologie gestellt hat.
Gegen das Kohärenzpostulat von H. Scholz werden berechtigte
Einwände erhoben, aber dessen Unabhängigkeitspostulat, Satzpostulat
und Kontrollierbarkeitspostulat verdienen nach Gyllenkrok
auch heute nodi Anerkennung. Im Unterschied zu Scholz
empfiehlt der Verf. jedoch, bei der Analyse der neutestament-
lichen Sachverhalte eine deskriptive Methode anzuwenden, die
sich gegenüber der Wahrheitsfrage neutral verhält. Doch will der
Verf. mit diesem Vorschlag keineswegs für die Vorstellung plädieren
, daß es eine spezifisch „religiöse" oder gar „christliche
Logik" gibt. Vielmehr betrachtet er die Kritik, die Scholz gegen
die Annahme einer solchen Logik gerichtet hat, als durchaus berechtigt
. In diesem Zusammenhang wendet sich Gyllenkrok mit
Nachdruck gegen die in der modernen Theologie üblich gewordene
und oftmals unbedachte Rede von den „Paradoxien" und
„Antinomien", die angeblich mit dem Wesen des christlichen
Glaubens unauflöslich verbunden sein sollen (S. 29).

In dem zweiten, dem eigentlichen Hauptteil der Untersuchung
(S. 34—104) behandelt der Verf. in engem Kontakt mit den
Problemstellungen und Kriterien der modernen analytischen Philosophie
, wie sie gegenwärtig vor allem in England und den skandinavischen
Ländern betrieben wird, die Frage nach der Methode
und dem Aufbau der theologischen Ethik. Die theologische Situation
hat sich hier insofern gewandelt, als die früher dominierende
nicht-naturalistische Gesinnungsethik Kantschen Typs in der
neueren protestantischen Theologie durch verschiedene Formen
einer naturalistischen Ethik abgelöst worden ist. Das Kennzeichen
einer „naturalistischen" Ethik besteht darin, daß die von ihr angewandten
Wertprädikate restlos durch natürliche Termini ersetzt
werden können. Demzufolge kann „das Gute" etwa mit dem
Nützlichen, dem Lustbringenden, den Imperativen der Schrift,
dem Willen Gottes oder dem mit der Christusbotschaft analogen
Handeln identifiziert werden.

Gyllenkrok ist nicht der Ansicht, daß der Typ der naturalistischen
Ethik einen Vorzug vor dem nicht-naturalistischen Typ
besitzt. Das exegetische Fundament des modernen theologischen
Naturalismus scheint ihm sogar sehr zweifelhaft zu sein, da sich
kaum bestreiten läßt, daß Paulus bei den Heiden eine natürliche
Sittlichkeit voraussetzt. Für seine eigenen, m.E. durchaus richtigen
Bemerkungen zu Rom. 2, 14 ff. hätte sich der Verf. auch auf Ergebnisse
protestantischer Exegeten (z.B. P. Althaus; neuerdings
auch G. Bornkamm, Studien zu Antike und Christentum, 1959,
S. 93 ff.) berufen können. Die christologische Entsprechungsethik
K. Barths wird aus exegetischen Gründen, vor allem aber wegen
der Willkür ihres methodischen Verfahrens von dem schwedischen
Systematiker ebenso höflich wie entschieden abgelehnt: „Es
ist indessen leicht zu erkennen, daß die Ethik, die unter seiner
(seil. K. Barths) Führerschaft zu einer Dominanz innerhalb der
modernen protestantischen Theologie gelangt ist, wissenschaftlich
betrachtet unter solchen Mängeln leidet, daß sie überhaupt nur
aus der Kraft eines außerwissenschaftlichen Autoritätsglaubens
leben kann" (S. 36).

Die Unsicherheit, die sich heute in der Frage nach der Methode
und in d§r Beantwortung einzelner ethischer Probleme
zeigt, könnte nach Gyllenkrok überwunden werden, wenn sich die
theologische Ethik als ein logischer Begründungszusammenhang
in Form eines Normensystems aufbauen ließe. Der Vorteil, den
ein solches Normensystem bieten würde, liegt auf der Hand.
Denn es sollte ja nicht nur beim theoretischen Denken, sondern
auch beim ethischen Wollen und Handeln eine innere Konsequenz
und Kohärenz erstrebt werden. Der Verf. hat die Möglichkeit
eines Normensystems deshalb so ernsthaft erwogen, weil er
in ihm ein Höchstmaß an wissenschaftlicher Exaktheit verwirklicht
sieht. Aus der obersten Norm, dem Gebot der Nächstenliebe
, könnten eine Reihe von Unternormen deduziert werden,
welche dann als Richtlinien für das ethische Handeln des Christen
zu betrachten wären. An einigen konkreten Beispielen hat der
Verf. dargelegt, wie er sich die Ableitung und Formulierung
dieser Unternormen denkt (vgl. S. 98 f.).