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Ausgabe:

1961 Nr. 7

Spalte:

522-526

Kategorie:

Religions- und Kirchensoziologie

Titel/Untertitel:

Spannungsfelder der evangelischen Soziallehre 1961

Rezensent:

Fritzsche, Hans-Georg

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 7

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Gottes" anzusehen, denn .es gibt nur ein Gottesvolk, nur eine
Civitas Dei... Israel hat als Volk ein Schicksal. Und wenn dies
den Christen erst einmal aufgegangen ist, dann werden sie sich
Israel gegenüber nicht bloß um den Einzelnen bemühen, sondern
um Annäherung und Verständnis zwischen den getrennten Hälften
des Gottesvolkes" (S. 107 f.). Daran anknüpfend kann
Balthasar die Sendung Israels so deuten: „Israel ist diesseitiges
Gleichnis für das ganze, diesseitig-jenseitige Gottesreich, dessen
Ankunft „in Spiegel und Rätsel" die Kirche Christi ist" (S. 114).
Buber wird dem nicht voll zustimmen können, aber er wird gewiß
mit tiefstem Ernst diese Deutung der „Einheit" von Judentum
und Christentum anhören. Daß die Kirche sich selten zu
dieser „Einheit" bekannt hat, mag an ihrer Entwurzelung aus
Israel gelegen haben, „wobei die so »entwurzelte' Gemeinschaft
im Hellenismus zudem noch den verschiedensten Spielarten von
Ex-karnation und Spiritualismus als .Philosophie' begegnete"
(S. 115). Wir haben inzwischen erlebt, und hier zeigt sich einmal
mehr eines der gar nicht seltenen Einverständnisse zwischen
Balthasar und Buber, daß es keine Isolierung zwischen dem
Alten und dem Neuen Bund geben darf, denn „Christentum
ohne Alten Bund wird sofort zur Gnosis, zum Marcionismus,
zur Hitlerei" (S. 116).

Den letzten Sinn Israels jedoch kennt allein Gott. Er hat
verfugt, daß Israel existiert; „diese Zusicherung hat es vom
Alten und vom Neuen Bund gemeinsam. Und nicht nur wider
Willen dauert Israel durch die Zeiten, es gibt in ihm auch einen
ungeheuren Willen, zu dauern um dieses Geheimnisses willen,
das niemand kennt als Gott" (S. 117). Weisheit der Mystik war
für Buber der jugendliche Drang nach der über-worthaften
Einung; Weisheit der Distanz ist das Stehenbleiben des Alters
vor dem Geheimnis des Abstandes. Beides sind Chiffren des Absoluten
. Buber läßt 6ie nebeneinander stehen, in offener Frage.
Der Christ hat dafür seine Antwort. Aber auch dann, wenn der
Christ hier an die Grenze des Sagbaren stößt, und anbetend verstummen
muß, so weiß er, daß, was er immer als Entschleierung
des Geheimnisses erwartet, er auf das gleiche wartet wie der Jude.
„Denn es gibt nur eine einzige theologische Hoffnung"
(Paul Demann).

Basel Ernst Ludwig Eh rl icb

Scholz, Heinrich, Prof. D. Dr. f: Abriß der Geschichte der Logik.

2., unveränd. Aufl. Freiburg-München: Alber [1959]. X. 78 S. gr. 8°.
Kart. DM 5.80.

Dieses kleine Buch ist zum ersten Mal im Jahre 1931 erschienen
. Es hatte schon damals kaum die Aufgabe, in die Geschichte
der Logik einzuführen. Vielmehr sollte es zeigen, in
welchem Sinne und Grade die neue formale, die mathematische
Logik den traditionellen Gestalten der Logik überlegen ist. Zwar
6ind einige der bedeutendsten Begründer dieser Wissenschaft
deutsche Mathematiker gewesen (Frege und Schröder). Aber in
der deutschen Philosophie der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts
ist 6ie nicht zur Wirkung gekommen. Um 1930 begann die
Existenzphilosophie, ihren Sieg über den Neukantianismus zu
vollenden, ohne daß sie dessen geltungstheoretische Logik aufzuheben
und zu ersetzen gewußt hätte. In dieser Situation hat der
ehemalige Theologe Scholz sein Manifest für die Logistik geschrieben
, zu dem ihm die Aufgabe nur Anlaß gewesen ist, einen
Abriß der Geschichte der Logik zu schreiben.

Man darf sein Büchlein deshalb nicht als einen Leitfaden
zum Studium der Geschichte der Logik benutzen. Dazu sind die
Werke von PrantI und Bochenski, miteinander verbunden, weit
besser geeignet. Es kann aber wohl dazu dienen, den Anfänger
in die Probleme der Logistik einzuführen und sie ihm in den
Zusammenhang der Geschichte der Philosophie zu stellen. Über
den gegenwärtigen Stand dieser Disziplin, die inzwischen weit
über den von 1931 hinausgelangt ist, wird er sich in anderen
Publikationen von Heinrich Scholz und in dem ersten Band des
Werkes: 'Philosophy in the Mid-Century' unterrichten können,
das vom Kongreß für Philosophie in Venedig 1958 herausgegeben
worden ist (La Nuova Italia Editrice, Florenz).

Daß auch die Logistik in gleicher Weise wie die Mathematik
zu Grundlagenfragen führt, die kontrovers und in ihr selbst
nicht mehr zu lösen sind, ist uns deutlicher als Scholz geworden,

dem Propheten einer neuen Metaphysik aus dem Geiste der Logistik
. Die Philosophie bemüht sich zur Zeit noch vergeblich um
eine angemessene Formulierung des Status quaestionis auf diesem
Feld.

Berlin Dieter Henrich

Breton, S.: Reflexions sur le fondement des valeurs.

Tijdschrift voor Philosophie 22, 1960 S. 588—607.
Kockelmans, A.: Het standpunt van de Phaenomenologie met

betrekking tot de vraag over de verhouding tussen zijn en verschijnen.

Tijdschrift voor Philosophie 22, 1960 S. 544—587.
K w a n t, R. C.: Het Marxisme van Sartre.

Tijdsdirift voor Philosophie 22, 1960 S. 617—676.
Metz, Johannes Baptist: Theologische und metaphysische Ordnung.

Zeitschrift für katholische Theologie 83, 1961 S. 1—14.
Möller, Joseph: Zur heutigen Situation der Metaphysik.

Tübinger Theologische Quartalschrift 141, 1961 S. 25—49.
Picard, Max: Pascal.

Universitas 16, 1961 S. 401—406.
V e r h o e v e n, C. W. M.: Het woord substantia.

Tijdschrift voor Philosophie 22, 1960 S. 495—543.

REL1GWNSS0ZWL0G1E

Karrenberg, Friedrich, u. Wolfgang Schweitzer: Spannungsfelder
der evangelischen Soziallehre. Aufgaben und Fragen vom Dienst
der Kirche an der heutigen Gesellschaft, hrsg. i. Zusammenarbeit m.
T. Rendtorff u. Chr. Walther. Hamburg: Furche-Verlag [i960]. 301 S.
8° = Studien z. Evang. Sozialtheologie u. Sozialethik, VII. Lw.
DM 21.-.

Dieser „Heinz-Dietrich Wendland zur Vollendung seines
sechzigsten Lebensjahres" gewidmete Sammelband vereint 21
Aufsätze über den „Einzelnen und die Gemeinschaft" (die ersten
10 Aufsätze) sowie über „Gesellschaft und Politik", von deren
Gedankengang in gebotener Kürze einiges nachskizziert werden
soll.

Carl Heinz Ratschow: Die Frage nach dem Sinn des
Lebens. — Es gibt nicht einen allgemeinen Sinn des Lebens
, den man nur auf sich zu beziehen brauchte oder von einem
anderen kopieren könnte. Der Sinn prägt sich auch nicht
objektiv auf, sondern muß ergriffen werden, wobei das wichtigste
ist, ihn nicht mit dem Zweck (dem Nutzen) zu verwechseln
. Denn dann lebt man nur planend in der Zukunft und
verfehlt hierin Gegenwart und Sinn. „Der Sinn des Lebens ist
stets gegenwärtig" (18), und jedes Stadium unseres Lebens
hat seinen spezifischen Sinn, dem man nicht vorauseilen darf wie
mancher Schüler oder Student (18). Oftmals zwingt uns Krankheit
zur Gegenwart (22). — Andererseits gibt es nun doch auch
„große Sinnstrukturen" (21), wie für die Frau das Kind und den
Mann die Gemeinschaft oder „das, was frühere Generationen
Vaterland genannt haben" (20). — Auch unmittelbar von der
Bibel her gibt es als Antwort auf die Sinnfrage nur dies: daß man
sich zu konkretem Tun — konkretem Liebesdienst — beauftragen
läßt wie der barmherzige Samariter, im Gegensatz zum reichen
Kornbauern, der um der Zukunft willen die Gegenwart und um
des Zweckes — wie des Glückes (21) — willen den Sinn verfehlt.
Ähnlich Hermann Hesse: daß so viel Sinn in unserm Leben sei,
wie wir zu lieben vermögen (25, vgl. 14).

Ernst Wolf: Schöpferische Nachfolge. — Dieser Aufsatz
will den Begriff der Nachfolge wieder konstitutiv werden lassen
für die theologische Ethik, und zwar nicht nur für die Individual-
ethik (wie ganz radikal bei Kierkegaard, 29, und wobei es im
Grunde auch bei Bonhoeffer bleibe, 26 f.), sondern gerade auch
für die Sozialethik (so Luthers De libertate christiana zu verstehen
, 33 f.). Das bedeutet: Absage an naturrechtliche oder ordnungstheologische
Maßstäbe, an Kompromisse und Zweigleisigkeiten
(35). W. bringt den Schwärmern offenkundig Sympathie
entgegen, was der Rez. nur begrüßen kann (im Blick auf Probleme
wie den Krieg). Es bleibt nur die Frage an W.: ob nicht gerade
das Eintreten für das Vernünftige und echt Natürliche, statt in
den Verdacht des Kompromisses und der Abschwächung zu geraten
(37/8), als das eigentlich Schwärmerische in dieser Sache angesehen
werden muß, und ob nicht Vernunft und Natur — im
Gegensatz zum nur scheinbar Vernünftigen und pervertiert