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Ausgabe: | 1961 Nr. 6 |
Kategorie: | Religionspädagogik, Katechetik |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 6
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Menschsein nur vor dem Anspruch und den Forderungen vom
anderen Menschen her kommen kann und daß es nur erzogen
ist, wenn es, wo immer es sein Leben zu führen hat, dieses in
eigener Entscheidung zu führen vermag und sich persönlich aufgerufen
weiß, entscheidend sind für die eigene erziehende Arbeit
der Kirche, aber ebenso für ihre Mitverantwortung für die Erziehungsarbeit
im Volk, sei es nun die häusliche Erziehung, seien es
die öffentlichen Erziehungseinrichtungen. Mit tiefem Ernst wird
aufgezeigt, wie sehr es in der Kirche versäumt wurde, an der
theoretischen Klärung der Grundlagen im Blick auf die eigenen
und zugleich im Blick auf die öffentlichen Erziehungsprobleme
wirklich mitzuarbeiten. Nach dem Verf. hat man es sich in der
Kirche viel zu leicht gemacht, indem man meinte, von den Irrwegen
einer idealistischen und materialistisch-technisierten Pädagogik
umschalten zu können auf eine Pädagogik „vom Glauben
her" bzw. auf eine Pädagogik, die von einem aus der Bibel abzulesenden
„christlichen Menschenbild" ausgeht, statt mit allem
Ern6t nach der vorgegebenen Wirklichkeit des Kindes zu fragen.
Dabei mußte die Pädagogik der Kirche „theoretisch unstimmig"
werden, und die Verantwortung der Kirche für das pädagogische
Denken und Handeln im ganzen Volk konnte nicht mehr wahrgenommen
werden. Die neugeschenkten Erkenntnisse vom Wesen
des kindlichen und des jugendlichen Seins blieben vielfach unbeachtet
. Das pädagogische Bemühen in kirchlichen Kreisen war
eingeengt auf eine sogenannte „ev. Pädagogik".
Der Verf. meint, daß es dringend an der Zeit ist, daß das
Fragen nach der kindlichen und jugendlichen Existenz und die sich
von daher ergebenden Probleme theoretisch, aber auch theologisch
ernst genommen werden. Auch theologisch: denn bisher
kommt im theologischen Denken über den Menschen das Kind
nicht vor. Die Auffassung vom erwachsenen Menschen wird einfach
auf das Kind übertragen, ebenso die Lehre vom Glauben des
Erwachsenen. Dies ist einer der Gründe, weshalb fast alle pädagogische
Arbeit, die aus frommer Theologie oder Laienchrist-
lichkeit erwächst, so unbefriedigend, so wirklichkeitsfremd erscheint
. Ja, der Unterzeichneten will scheinen, daß diese Werke
deshalb als so wenig wirklich durchdacht erscheinen.
Von allergrößter Bedeutung sind darum die folgenden Sätze:
„Was das Kind aber anthropologisch ist, wie seine Erzieh-
barkeit und Erziehungsbedürftigkeit aufzunehmen sind in das
Nachdenken darüber, wie man mit ihm handeln soll, und wie das
Verhältnis des Kindes zur Welt und zum Glauben sich bildet und
verändert, das ist auch dort (in der Diskussion über die Kindertaufe
!) noch nicht hinreichend geklärt worden. Die Phänomene
der Erziehung und des Kindesalters müssen aufgenommen werden
in die Deutung dessen, was der Mensch ist, auch im theologischen
Sinne ist."
Der Unterzeichneten ist noch nie eine Darstellung der pädagogischen
Lage in der Kirche begegnet, die den einigermaßen mit
dieser Lage vertrauten Leser so dazu reizt und drängt, das in
diesem Heft Gesagte weiterzuführen und mit Tatsachen und Erfahrungen
aus den letzten dreißig Jahren zu belegen. Es ist erstaunlich
, welch eine Fülle von Fragen, Tatsachen, Irrtümern der
letzten dreißig Jahre auf diesen wenigen Seiten angerührt werden.
Es ist nur die Frage, ob die Hinweise in dieser Kürze so in ihrer
Tragweite von den theologisch gebildeten Lesern verstanden
werden, daß sie sich in letzter Stunde zur Umkehr rufen lassen.
Jedenfalls wirkt es wahrhaft befreiend, daß — so wie es hier geschieht
— endlich ein offenes Wort zur pädagogischen Lage auf
der Synode der Ev. Kirche Deutschlands gesprochen werden
durfte. Angeschlossen an den Vortrag in diesem Heft ist das von
derselben Synode hinausgegangene Wort zur Schulfrage.
Berlin Magdalene v o n Til i n g
Tebbe, Walter: Das Evangelium in der Berufsschule. Eine Anleitung
zum Gespräch mit berufstätigen jungen Menschen. Hamburg: Agentur
des Rauhen Hauses o. ]., 113 S. 8°.
Der Religionsunterricht an der Berufsschule ist für Theologie
und Kirche nicht nur ein katechetisches Novum, sondern
weithin eine terra incognita. Das empfindet niemand deutlicher
ab der Religionslehrer selbst, ob er nun Volltheologe, Gewerbeoder
Handelslehrer mit Fakultas und Vokation oder Katechet ist.
(Auch diese Mannigfaltigkeit der Vorbildung ist für diese neue
Arbeit sehr bezeichnend.)
Um so wichtiger ist daher diese „Anleitung zum Gespräch
mit berufstätigen Jungen und Mädchen" (Untertitel). Aus einer
allenthalben spürbaren engen Vertrautheit mit der Situation
werden hier nach einleitenden grundsätzlichen Überlegungen methodische
Anleitungen — unaufdringlich „Vorschläge" genannt —
und zahlreiche konkrete Hilfen wie etwa zu Sitzordnung und
Tafelanschrieb, aber auch zu Lehrplan und Lehrervorbereifung
gegeben sowie einige Musterkatechesen.
Diese Schrift sollte (in Verbindung mit den Arbeiten von
Walter Nordmann, Gert Otto * Karl Witt und Ernst Müller)
nicht nur von den in erster Linie „Betroffenen", den Religionslehrern
an Berufsschulen, als ein Vademecum gelesen werden,
sondern auch von allen für Theologie und Kirche Verantwortlichen
zur Information über ein Arbeitsfeld, das im Rahmen
unserer „Volkskirche" keine geringere Bedeutung haben und
Beachtung finden sollte ak eine theologia acroamatica und die
ihr zugehörigen Publikationen.
Miinster/Westf. Heinz Hunger
Blankenheim, L.: Religions- und Konfirmandenunterricht in ihrem
Verhältnis zueinander.
Pastoralblätter 101, 1961 S. 79—82.
Kohls, Ernst Wilhelm: Martin Bucer und die Neuordnung des Straß-
burger Schulwesens.
Theologische Zeitschrift 16, 1960 S. 379—406.
Loh ff, Wenzel: Reformatorischer Glaube vor den Aufgaben der Erziehung
.
Luther — Mitteilungen der Luthergeselkchaft 1960 S. 119—129.
Matthias, Walter: Die Eigenständigkeit der Erziehung und der
christliche Glaube.
Die deutsche Schule 52, 1960 S. 593—610.
M o d e re g g e r, Richard: „Die evangelischen Hauptstücke" statt Katechismus
?
Deutsches Pfarrerblatt 61, 1961 S. 105—108.
Thaning, Kai: Die dänische Volkshochschule.
Junge Kirche 21, 1961 S. 65—74.
PRAKTISCHE THEOLOGIE
W 6 1 b e r, Hans-Otto: Religion ohne Entscheidung. Volkskirche am
Beispiel der jungen Generation, l.u. 2. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck
& Ruprecht [1959]. 268 S. 8°. Lw. DM 12.80.
Es gibt Bücher, deren Besprechung eigentlich selbst ein Buch
erfordert, um dem Inhalt gerecht zu werden. Dazu gehört auch die
Untersuchung des Hamburger Hauptpastors Wölber über den
Einfluß der Volkskirche und alles dessen, was heute noch gemeinhin
mit Religion bezeichnet wird, im Hinblick auf die junge
Generation. Wölber hat es sich nicht leicht gemacht und macht e6
dem Leser durch seinen teilweise recht komplizierten Stil und doch
auch durch eine gewisse Unübersichtlichkeit seines Buches keineswegs
leicht. Dazu kommt, daß zumal der Theologe an Untersuchungen
, die auf der Basis der Statistik beruhen und mit Mitteln
der psychologischen und soziologischen Technik durchgeführt
worden sind, von vornherein skeptisch herangeht. Alles das weiß
Wölber auch, und er fragt einleitend sehr ernst, ob es überhaupt
erlaubt sei, die Intimsphäre des Religiösen mit solchen Mitteln
aufzuzeigen. Jedoch wird man ihm recht geben müssen, wenn er
davon spricht, daß die missionarische Verpflichtung, die der
Kirche zu allen Zeiten aufgetragen ist, sich nun eben auch aller
der Mittel bedienen muß, die ihr die jeweilige Zeit in die Hand
gibt, um die rechten Ansatzpunkte zu erkennen. So kommt W.
zu dem, was er zunächst die „Formkritik der Kirche" nennt und
von der er sehr mit Recht feststellt, daß sie völlig zu Unrecht von
der gleichen Pfarrerschaft suspekt betrachtet wird, der doch die
Formkritik des Textes unabdingbare Voraussetzung jeder Verkündigung
überhaupt ist. Wir werden also im Gegensatz zu mancher
anderen Besprechung, die in diesen Tagen über dieses augenblicklich
viel diskutierte Buch erscheint, den Ansatzpunkt W.s.
theologisch und kirchlich als legal ansehen müssen. Das bedeutet
nicht, daß nicht zur theologischen Sicht Wölbers Fragen
gestellt werden müßten. Ist es z. B. ausreichend erklärt, wenn