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Ausgabe:

1961 Nr. 6

Spalte:

461-462

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Gespräch über das Abendmahl 1961

Rezensent:

Kinder, Ernst

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461

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 6

462

tung, daß der Mensch gerechtfertigt ist durch Christus, ohne den
Glauben (II, 75). Seine sehr positive Würdigung des Verständnisses
, das Anselm mit seinem Gottesbeweis bei Barth findet, ist
geleitet von der Schlußfolgerung, ,,daß der Gottesbeweis in seiner
Auswirkung (effectivement) nur in der Kirche begriffen
weiden kann. Aber man wird hinzufügen, daß seine logische
Struktur in sich selbst für jeden vernunftbegabten Geist gültig
ist (valable); und daß sie (die Vernunft) es ist, die auch vor den
Augen des Glaubenden den Sinn des Glaubens an Gott definiert"
(III, 166). Er kommentiert Barths Stellungnahme gegen die
natürliche Theologie so: ,,In jedem Falle ist die natürliche Gottes-
erkenntnis keineswegs eine Autorität, die sich der der Schrift
zugesellte und sie so beschränkte; sie ist das, ohne das man die
Autorität der Schrift nicht würde erkennen können. Barth glaubt,
daß die, die sie verteidigen, sie auf die gleiche Ebene stellen wie
die Glaubenserkenntnis und gleichsam in Konkurrenz mit ihr.
Wenn es so wäre, hätte er recht, sie zu verwerfen; aber gewöhnlich
steht es damit anders" (III, 114). Er erneuert die Vermutung
, daß „bei Barth wie bei den Reformierten eine allzu markierte
Neigung zum Nestorianismus" festzustellen sei (II, 121).
Er zeigt sich betroffen durch die mangelnden Konsequenzen, die
Barth aus der unio hypostatica zieht; alles löst sich in Akt und
Tat Gottes auf: „Die Sprache des Aktes reden, mehr als die der
Essenz oder Substanz, ist nicht notwendig tadelnswert; das ist
manchmal durchaus gefordert. Das wirkliche Defizit des Barth-
schen Gedankens dürfte vielmehr 6ein, fast nur noch das göttliche
Handeln zu sehen, wenn es sich um Christus und sein Heil
handelt" (II, 122).

Die wenigen Beispiele mögen genügen, um die humane,
offene, nichts endgültig erledigende Methode dieses Gesprächs zu
kennzeichnen, die B. in seinem Werk befolgt. Es wird allerdings
auch nichts von den eigenen Hauptsätzen aufgegeben, soweit sie
durch Barths Behandlung gleicher oder ähnlicher Probleme berührt
werden; und da die „eigentlichen" katholischen Kontroverspunkte
: Papst, Tradition, Maria, Sakramente, auch die Kirche
trotz des Abschnittes III, 19—21 außer Betracht bleiben, verstärkt
sich der Eindruck, daß wir ein Werk vor uns haben, das in
den Grenzen einer bestimmten Fragestellung berichten will. So wird
dies Werk zu einem besonders schön behauenen Stein in den
Fenstcrblenden der kontroverstheologischen Mauer, durch deren
Öffnungen die theologische Arbeit der Kirche unter dem Wort
beobachtet wird. Denn an der Niederlegung dieser Mauer zu
arbeiten, wird dies Buch nicht beanspruchen wollen. Es ist viel,
wenn B. auf Barth anwendet, was dieser über Hegel sagt: eine
große Frage, eine große Enttäuschung, und vielleicht, trotz allein,
eine große Verheißung (III, 299). Mehr als dieses Viel darf man
nicht fordern und auch wohl nicht erwarten.

Erlangen Jan Weerda

Gespräch über das Abendmahl. Die Arnoldshainer Thesen
in der theologischen Auseinandersetzung. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
[1959]. 107 S. 8°. Brosch. DM 2.20.

Die sehr lebhafte und ausgedehnte Diskussion, die die
Arnoldshainer Abendmahlsthesen, der Wichtigkeit ihres Gegenstandes
entsprechend, ausgelöst haben, scheint immer stärker
darauf zu weisen, daß diese Thesen nicht als ein Definitivum angesehen
werden können, zu dem man nur Ja oder Nein sagen
kann, sondern daß sie als eine Art „Studiendokument" angesehen
werden müssen, aufgrund dessen es unter Verwertung der
Diskussion weiterzuarbeiten gilt. Darum wäre es hilfreich, wenn
die wichtigsten Stellungnahmen zu den Thesen, die sich an den
verschiedensten Orten verstreut finden, beizeiten festgehalten
und gesammelt werden. Mit der vorliegenden Broschüre ist hierzu
ein Anfang gemacht worden, allerdings auch nicht mehr als
ein Anfang. Zunächst werden noch einmal die Thesen selbst
mit der Einführung von G. Niemeier und mit den Referaten von
H. Gollwitzer, H. Meyer und W. Kreck, die bei ihrer Überreichung
gehalten wurden, geboten, also das Gleiche, worüber in
ThLZ 84, 1959, Nr. 7, Sp. 485—492, berichtet wurde. Dann
folgen, und das ist das Neue, drei Stellungnahmen von lutherischer
Seite (P. Brunner, Sommerlath und Heidler), die vorher in
der Evangelisch-Lutherischen Kirchenzeitung erschienen waren,

und eine kürzere Äußerung von Halaski, dem Herausgeber der
Reformierten Kirchenzeitung, die dortselbst erschienen war.

P. Brunner sucht die Thesen, wenn er auch manche Bedenken
in bezug auf sie nicht verhehlen kann, doch im ganzen so
zu interpretieren, daß man ihnen vom lutherischen Abendmahlsbekenntnis
her beistimmen könnte. Doch ist dies wirklich eine
authentische Interpretation der Thesen? Brunner gehört mit zu
ihren maßgeblichen Formulierern und Unterzeichnern. Aber seine
Interpretation ist in wesentlichen Punkten eine sehr andere als
die von Gollwitzer (s. o.), der auch ein maßgeblicher Mitverfasser
und Unterzeichner war. Können beide miteinander bestehen?
Zweifellos nicht, wenn die Thesen überhaupt einen Sinn haben
sollen! Mit diesem unerträglichen Hiatus der Interpretationen
sind schon die wesentlichen, schwierigen Aufgaben einer notwendigen
Weiterarbeit angedeutet.

Die kritische Beurteilung der Thesen durch Sommerlath
ist schon deswegen von Bedeutung, weil sie seine Ablehnung, die
Thesen mit zu unterzeichnen, motiviert. Vor allem ist es die
Reduktion auf rein personale und akthafte und der Verzicht auf
seinshafte Kategorien, was Sommerlath an den Thesen für unannehmbar
hält. Im Vergleich etwa mit Gollwitzer kommen Sommerlath
und Brunner in ihrer Grundposition ziemlich nahe zueinander
zu stehen.

H e i d 1 e r s Beitrag („Luther oder Anoldshain?") ist
ebenfalls im wesentlichen kritisch. Er erklärt rund heraus, daß wir
„die Abendmahlslehre dieser Thesen nur anerkennen" können,
„wenn wir zugleich die Abendmahlslehre Martin Luthers und der
lutherischen Bekenntnisschriften preisgeben", und begründet das
im einzelnen. (Daß er dabei so stark die „lokale" inclusio von
Leib und Blut Christi in Brot und Wein als Luthers Auffassung
betont, ist freilich unverständlich.) Und doch wird nicht ganz klar,
worauf Heidler letztlich hinaus will, wenn er am Schluß die Notwendigkeit
einer Neubesinnung über die Abendmahlslehre auf
christologischer Grundlage andeutet, „grundsätzlich auf Luthers
Weg bleibend — doch auch gegen Luther", durch die der „irreale"
alte Streit zwischen Substanzdenken und Persondenken überwunden
werden soll. Diese zu knappen Andeutungen sähe man
gern genauer ausgeführt.

Halaski („Ein unerwarteter Ertrag des Abendmahlsgesprächs
") greift nur eine Äußerung aus dem Aufsatz von
P. Brunner auf, die davor warnt, die Trennung von lutherischer
und reformierter Kirche lediglich in der Abendmahlslehre zu
sehen. Selbst wenn, wie P. Brunner hypothetisch unterstellt, in
der Abendmahlslehre Übereinstimmung erzielt würde, so stehen
noch eine Reihe gewichtiger sonstiger Lehren im Wege, die eine
Kirchen- und damit Abendmahlsgemeinschaft verwehren. Die
Differenzen in diesen anderen Lehren aber gehen, so stellt Halaski
fest, quer durch das lutherische, reformierte und unierte Lager;
also könnte es sein, „daß wir der Einheit der EKD damit näher
wären, als Brunner es zunächst zugibt".

Doch bevor solche Konsequenzen gezogen werden, bedürfen
noch gewichtige Fragen ernsthafter theologischer Klärung.

Münster/Westf. Ernst Kinder

Dantine, Wilhelm: Über den protestantischen Menschen. Kritik
und Erwartung. Hamburg: Furche-Verlag [1959]. 45 S. 8° = Furche-
Studien, 28. Kart. DM 4.80.

Der Verf. geht von der Beobachtung aus, daß das Ideal des
protestantischen Menschen heute nicht mehr den Anklang findet
wie im 19. Jahrhundert. Dabei setzt er „protestantisch" nicht
einfach gleich mit „evangelisch-reformatorisch". Der protestantische
Mensch ist zwar ein Kind der Reformation, aber nicht einfach
ein konfessioneller Typus. Der protestantische Mensch versteht
sich als freie, 6elbstverantwortliche Person. Offenbar aber
hat das Persönlichkeitsideal nicht genügend Abwehrmittel gegen
die Eigengesetzlichkeit der Sachwelt gehabt. Der modernen Säkularisierung
sucht man heute vielfach durch eine „Resakralisie-
rung" zu begegnen. Man sollte sich aber darüber klar sein, daß
eine solche eine metaphysische Ordnungsstruktur der Welt
voraussetzt, die vom Neuen Testament zerstört wurde. Im Hintergrund
steht hier wohl die bekannte Gogartensche These über
die Säkularisierung als einer spezifisch christlichen Erscheinung.