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Ausgabe:

1961

Spalte:

451-452

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Mohlberg, Leo Cunibert

Titel/Untertitel:

Sacramentarium Veronense 1961

Rezensent:

Hennig, John

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452

biblisch orientierten dogmatischen Stromes der katholischen Theo- i
logie. Die patristischcn Anstöße haben wohl auch in diese Richtung
gedrängt, obwohl die endgültige scholastische Bindung des
Verfs. natürlich keinen Augenblick angefochten wird. Es geht ja
auch bei allen biblisch-theologischen Neuansätzen des Verfs. nur
um eine Vervollkommnung und Ergänzung des thomistischen
Grundsystems (3 5 9).

Dies wird besonders deutlich in den zwei ersten Teilen des
Buches, wo „Der Begriff der Liturgie" (13 ff.) und „Die Liturgie
und die Grundgesetze der Heilsökonomie" (133 ff.) behandelt
werden. Obwohl der „allgemeine Hintergrund der Liturgie: Die
Offenbarung aus Heilsgeschichte" gleich am Eingang (15 ff.) gezeichnet
wird, bildet doch für die Begriffsbestimmung der Liturgie
der Begriff des Zeichens den wesentlichen (scholastischen) Rahmen
. Eine vorsichtige Kritik der Caselschen Mysterientheorie
wird hierbei öfter vorgenommen.

Wesentlicher als dieser traditionelle Rahmen scheint aber
der Ansatz, die Liturgie in ihrer Zweifaltigkeit, nämlich als
„Heiligung, die Gott an der Kirche vollzieht" und andererseits
als „die Verehrung, welche die Kirche Gott erweist", in einer
christologischen Einheit zusammenzuknüpfen (30). Leider zerbricht
dieser — von der Bibeltheologie her gesehen — so grundlegende
Ansatzpunkt nicht traditionelle Bahnen des Denkens, wie etwa
da6 Subjekt-Objekt-Schema (135ff.). Ein Gespräch mit dem Verf.
würde aber, von der evangelischen Theologie her gesehen, gerade
hier einsetzen müssen, wobei die traditionellen kontroverstheologischen
Fragen in ein neues Licht gerückt würden und
eine bessere Verständigung über sie möglich gemacht werden
könnte.

Gerade in diesem Zusammenhang muß man aber als evangelischer
Theologe bedauern, wie wenig in diesem so groß angelegten
Werk vom Gespräch zwischen katholischer und evangelischer
Theologie im Blick auf die Theologie des Gottesdienstes
zu spüren ist. Hier wurde ja gerade in letzter Zeit sehr vieles
geleistet, und es überrascht, daß Verf. 6ich in dieses Gespräch
nicht einschaltet. Wie wäre es nämlich gewesen, wenn Verf. außer
R. Will auch andere evangelische Stimmen angehört hätte? Statt
eines schematischen Zeichnens des „Protestantischen" (wobei
man sich ständig fragt, wer dabei gemeint ist?) wäre es wissenschaftlich
weitaus verantwortlicher gewesen, mit konkreten
Theologen das Gespräch zu führen, etwa mit Luther, oder,
aus der Neuzeit, mit der großen Konzeption Peter Brunners in
Leiturgia. Eine deutsche Bearbeitung des Buches hätte dieser Aufgabe
nicht ausweichen dürfen.

Dies soll aber keineswegs den Wert der Darstellung vermindern
. Wenn man auch oft beim Lesen des Buches den Eindruck
hat, elementare Erkenntnisse, wie sie in ein Kompendium für
Studenten gehören, vor sich zu haben, 60 muß das Buch doch als
ein grundlegender Neuansatz für eine theologische Liturgik auf
katholischem Boden, darüber hinaus aber auch für das ökumenische
Gespräch betrachtet werden.

Genf VilmosVajta

M o h I b e r g, Leo Cunibert OSB: Rerum Ecclesiasticarum Documenta.
Series Maior. Fontes IV: Liber Sacramentorum Romanae Ecclesiae
ordinis anni circuli (Cod. Vat. Reg. lat. 316/Paris Bibl. Nat. 7193,
41/56) (Sacramentarium Gelasianum). In Verb, mit L. Eisenhöfer und
P. Siffrin hrsg. Rom: Herder 1960. XLIV, 315 S., loTaf. gr. 8°.

— Rerum Ecclesiasticarum Documenta. Series minor. Subsidia Studiorum
V: Konkordanztabellen zu den römischen Sakramentarien. II:
Liber Sacramentorum Romana Aecclesiae (Cod. Vat. Reg. lat. 316)
(Sacramentarium Gelasianum). Dargeboten von P. Siffrin OSB.
Rom: Herder 1959. XVI, 22 S. 8°.

Band II und III (Missale Francorum und Missale
Gallicanum Vetus) der Serie Fontes der
Rerum Ecclesiasticarum Documenta wurden
hier 195 8 Sp. 8 5 5—8 57 besprochen. Die gegenwärtige Ausgabe des
von A. Wilmart praestantissimus inter omnes
Romanae liturgiae Codices bezeichneten Textes
erschien fast gleichzeitig mit der Monumentaluntersuchung dieses
Sakramentars durch A. Chava6se (s. mein Sammelreferat „Neue

Wege zur Sakramentarforschung" in Scriptorium XIII
(1959) 238-242).

Nachdem E. A. Lowe 1921 den wohl 1650 abgetrennten
Schluß des Textes von Reg. lat. 316 in BN lat. 7193 gefunden
hatte, war eine Gesamtausgabe dieses Grundtextes geboten, zumal
der immer noch modernste Text (Wilson 1894) nicht nur
normiert war, sondern audi auf keinerlei Einsicht in die Handschrift
weder im Original noch im Lichtbild beruhte. Der nunmehr
vorgelegte, der Handschrift treue Text illustriert (weit
über das in der Einl. S. XXXIV f. hinaus Gesagte) durch eigentümliche
Schreibweisen die Bedeutung der Sakramentarien überhaupt
als Zeugnisse der Aussprache des Lateinischen.

Die rege Diskussion über die Herkunft dieses Textes wird
im Anschluß an E. Bourque von Mohlberg S. XXXI wie folgt
zusammengefaßt:

„Das heutige sogenannte Gela6ianum, womit die römischen Elemente
gemeint sind, läßt sich nicht mehr als ein Buch aus einem Guß,
durch eine Person zu einer bestimmten Zeit römischer Liturgie in Rom
definieren, sondern ist eine Kompilation unabhängiger „Libelli" römischer
Herkunft, an die später fränkische Elemente sich angliederten."

Nach dieser vorsichtigen Stellungnahme bleibt weiteren
Spekulationen noch viel Raum. Andere Ansichten mit Ausdrücken
wie „sich etwas laut breitmachen" und „böswillige Kritik
" zu belegen (S. XX f.), hätte schon die Würde des Gegenstandes
verbieten 6olIen.

Neben Diskussionen über die Herkunft enthält die Einl.
codicologische und paläographische Informationen. Die Bibliographie
umfaßt mit 6 Seiten nur eine Auswahl. Der Wert der
Ausgabe wird erhöht durch die Beigabe folgender liturgischer
Texte des 8. Jhdts.: 1. Fragment Bannister (J. Theol. Studies
1908; BN lat. 10837), 2. Fragment Baumstark (Jb. f. Liturgiewiss.
1927; BM Add. 37518), 3. Liturgischer Index von St. Thierry
(Wilmart, Rev. Ben. 1913; Reims, Bibl. mun. 8 (C 142)).

Reg. lat. 316 gehört nach B. Bischoff zu dem Scriptorium
von Chelles (Nordfrankreich).

Ein Verzeichnis liturgischer Formeln und ein Namen- und
Sachverzeichnis (letzteres unvollständiger als Wilsons) sowie
Abbildungen von f. 3v/4r, 45v/46r, 131v/l32r, 172v/l73r, 194v/
195r, 195v und a/l96r, 4v, 66v, 171v und 180v sind beigegeben.

Auf eine inhaltliche Würdigung wird ganz verzichtet, vermutlich
vor allem im Hinblick auf Chavasses Werk. P. Siffrin
macht in dieser Hinsicht vor allem auf A. P. Längs Versuch aufmerksam
, aus dogmengeschichtlichen Erwägungen Formeln des
Gelasianums auf Leo d. G. zurückzuführen, ein Nachweis, der für
die Entstehung der Sakramentare grundsätzliche Bedeutung hat.

Bd. I der Fontes war dem Veronense (Leonia-
num) gewidmet, zu dem P. Siffrin schon Konkordanztafeln in
der Serie Subsidia Studiorum veröffentlicht hatte. Die
nunmehr zu Reg. lat. 316 vorgelegten Konkordanztabellen gehen
über die von Chavasse aufgestellten hinaus und bringen auch Belege
zu den Haupttypen des Gelasianums saec. VIII, zu den Quellen
der ambrosianischen Liturgie und zum M i s s a 1 e und
Pontificale Romanum, d. h., wie es bei liturgiegeschichtlichen
Studien wesentlich sein sollte, zur Liturgie bis
heute. Die in diesen Tabellen angezogenen Handschriften und
Ausgaben sind dieselben wie in den Konkordanztabellen vom
Veronense (hierzu Verbesserungen und Zusätze S. X—XII);
von besonderer Bedeutung ist das Verhältnis zum Freisinger
Benedictionale, wo eine neue, bisher unbekannte Ausgabe
des Altgelasianums in Erscheinung tritt, die sich auf alle
drei Bücher von Reg. lat. 316 erstreckt.

Basel John H e n ii i g

Eggebrecht, Hans Heinrich: Ordnung und Ausdruck im Werk von
Heinrich Schütz.

Musik und Kirche 31, 1961 S. 1—19.
Honnegger, Marc: Georges Migot. Zur Erneuerung der geistlichen

und liturgischen Musik in Frankreich.

Musik und Kirche 31, 1961 S. 19—24.
K i e f n e r, Walter: Verkündigungsauftrag der Kirchenmusik?

Evangelische Theologie 21, 1961 S. 131—143.