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1961 Nr. 6

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Ökumenik, Konfessionskunde

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 6

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d. h. kunstgesdiichtlichen Fakten berücksichtigende Methode gerät
die ganze Darstellung in den alles verschlingenden Sog eines
Sophianißmus. Wir könnten in dieser Weise lange fortfahren.
Auf eine gewißse neupalamitische Geringschätzung des kanonischen
Rechtes wiesen wir bereits eingangs hin. Mancher protestantische
Leser, sowieso durch einige, weit unter diesem Buche stehende
Lektüre von der Vorstellung befangen, die Ostkirche
kenne überhaupt kein Kirchenrecht, läuft Gefahr, aus der Schau
des Verfs. (Orthodoxie = „domaine informulable, inorganisable,
inobjectivable", S. 263) diese Kirche als eine amorphe, durch
einen unkontrollierbaren Panpneumatismus beherrschte Pseudo-
Urchristenheit anzusehen.

Wir glauben gezeigt zu haben, daß wir die Bedeutung dieses
Buches nicht unterschätzen. Unter den orthodoxen Selbstdarstellungen
nimmt es zweifellos eine hervorragende Stellung ein. Es
ist eine umfassend-synthetische (und deshalb auch theologischdialektische
) Zusammenschau der eigenen Orthodoxie im Sinne
des Neupalamismus. Damit will es wohl auch eine Art Selbstrechtfertigung
dieser orthodox-theologischen Richtung sein. Wie
weit das zutrifft, muß den orthodoxen Theologen überlassen
bleiben zu beurteilen. Für uns ist eine solche Darstellung ebenso
problematisch, als wenn ein Protestant seine Kirche etwa nur aus
dem Blickwinkel des Pietismus beschriebe, wobei der Vergleich
zwischen Palamismus-Neupalamismus und Pietismus vielleicht
nicht einmal sehr „hinkt" (s. oben!). Wie bereits angedeutet,
sehen wir schließlich eine nicht unerhebliche Gefahr darin, daß
manche protestantischen Leser in diesem brillant geschriebenen
Buch eigene, mehr mythische als logische Vorstellungen von der
Ostkirche allzu glänzend bestätigt finden könnten5. Ich glaube
nicht, daß dieses im Sinne des Verfs. geschähe.

Halle/Saale Konrad Onasch

risdi- kritischen Hermeneutik der Ikonenkunst überhaupt. Diese Hermeneutik
wiederum steht in engstem Zusammenhang mit der Frage des
Verhältnisses von echtem Künstlertum und den, dieses Künstlertum
ständig problematisierenden, weil unindividualistisch typologisierenden
Forderungen einer kirchlichen Kunst. E. ist auf diese Fragen S. 229
—233 eingegangen. Für den Protestanten werden seine Ausführungen
einfach mit seiner Stellung zur Orthodoxie und ihrer Theologie stehen
oder fallen. Sehr bezeichnend für die geistvolle Deutung der Rubljev-
schen Trinität ist u. a. die Deutung des Baumes im Hintergrund. Daß
mit ihm die Eiche im Hain Mamre gemeint sein könnte, wird sofort
ikonosophisch „überspielt": „C'est de l'arbre de vie que, selon la Tradition
, on a tire le bois pour la croix du Christ" (S. 236). Dem unvorbereiteten
Leser muß immerhin gesagt werden, daß diese, auth in der
Karfreitagsliturgie der Ostkirche vorzufindende, typologische Deutung
nicht zuletzt auf alte apokryphe Legenden zurückgeht, die z. T. (worüber
sich die Forschung allerdings nicht einig ist) auf bogomilische Einflüsse
schließen lassen. Ikonosophie und Gnoseologie bilden überhaupt
bei E. eine nicht zu übersehende Einheit.

6) Bei protestantischen und orthodoxen Theologen spielt heute
6ehr oft die Vorstellung eine wichtige Rolle, daß die Ostkirche eine
Art „dritter Kraft" zwischen den beiden anderen Großkonfessionen sei.
„En l'absence de l'Eglise romaine, l'orthodoxie seule conditionne l'exi-
stence meme de l'oecumenisme" (S. 344). Dabei wird immer wieder auf
das einigende Band der „sieben ökumenischen Konzile" hingewiesen und
auf die Tatsache, daß Rom dieses Band gesprengt habe. Es iet nun aber
doch kirchengeschichtlich mehr als ein Problem, die sieben Konzile als
ökumenisch anzusehen, ebenso wie die bisher 20 der römischen Kirche.
Das von der Ostkirche oft noch als ökumenisch bezeichnete Quini-
sextum von 692 war eine ausgesprochen byzantinische „Reichssynode".
Rom hat nur die Canones übernommen, die seinem Kirchenrecht nicht
widersprechen. Ebenso läßt sich über die Ökumenizität der sieben Konzile
streiten, wenn man in ihren Canone6 die zielstrebige Entwicklung
einer jurisdiktionellen Obergewalt von Konstantinopel über den Osten
verfolgt. Hat nicht Konstantinopel erheblich in die Angelegenheiten von
Pontos, Asien und Thrazien eingegriffen? Ähnlich liegen die Probleme
bei der Liturgie und Hymnologic. Im übrigen kann die römische Messe
genau 6o auf unmittelbare syropalästinensischc Traditionen verweisen
wie die Orthodoxie (vgl. S. 8). Aber Liturgie und Hymnologie stellen
ebenso eine erhebliche Entfernung vom frühchristlichen Singen und Beten
dar, wie schließlich jede gewadisene, d. h. geschichtlich gewachsene
Liturgie. Das will wiederum nicht besagen, daß die Ostkirche in ihren
Hymnen nicht zahlreiche Kostbarkeiten für die Gcsamtduistcnheit erhalten
hätte, eine Tatsache, die auch für andere Bereiche ihrer Frömmigkeit
gilt. Die Ideenkonstruktion einer ungeschichtlichen ecelesia birgt
für den „ökumenischen Gedanken" sehr erhebliche Gefahren in sich. —
Wer sich über reine Tatsachenforschung unterrichten will, dem sei jetzt |

das Handbuch von H.-G. Bede: Kirche und theologische Literatur im
byzantinischen Reich, München 1959, empfohlen.

Butler, B. C.: Roman Catholic Biblical Scholarship.

Expository Times 72, 1961 S. 113—114.
Erni, Reymund: Das neue kirchliche Gesetzbuch für die katholischen

Ostkirchen.

Una Sancta 15, 1960 S. 154—165.
Essinger, H.: Der Konfessionswechsel in römisch-katholischer und
evangelischer Sicht.

Deutsches Pfarrerblatt 61, 1961 S. 85—88 u. 110—111.
Fischer, Henry: Katholisdie Eucharistiefrömmigkeit.

Una Sancta 15, 1960 S. 95—106.
L e u b a, lean-Louis: In welchem Sinn haben evangelische Christen die

römisdi- katholische Kirche ernst zu nehmen?

Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts 11, 1960 S. 101
bis 107.

Marichal, R.: Un nouvel expose de l'Orthodoxie.

Recherdies de Science Religieuse XLIX, 1961 S. 95—102.
Müller, Norbert: Der ungeteilte Rock — Rückblick auf Trier.

Una Sancta 15, 1960 S. 139—144.
Zeuthen, Mogens v.: Eine Kirche erneuert sich. Aus dem kirchlichen

Leben Ungarns.

Deutsches Pfarrerblatt 61, 1961 S. 57—60.

LITURGIEWISSEN SCHAFT

Vagaggini, Cyprian: Theologie der Liturgie. Ins Deutsche übertr.
u. bearb. v. August Berz. Einsiedeln, Zürich, Köln: Benziger 1959.
461 S. gr. 8°. Lw. DM 28.60.

Das Buch weist auf die Notwendigkeit einer Neuorientierung
der heute hauptsächlich geschichtlich orientierten katholischen
Liturgiewissenschaft hin. Wie viel auch eine vergleichende
Methode der Liturgiewissensdiaft an geschichtlichen Einsichten
zum Verständnis der Liturgie beigetragen hat, so bleibt doch
diese Methode zu leicht in der Geschichte stecken. Man vermißt
dabei das von der Dogmatik gegebene theologische Verständnis
und dessen normative Auswirkung sowohl auf die Auswertung
des geschichtlichen Materials wie auch auf die normative Neugestaltung
der Liturgie. Von diesem Gesichtspunkt aus ist es nur
zu begrüßen, wenn dem Verf. der Aufbau einer theologischen
Liturgik als eine dringliche Aufgabe erscheint (11).

Vielleicht ist es bei dieser Zielsetzung gleich wichtig, auf die
Ausführungen des Verfs. im vierten Teil des Buches über die
Verbindung der Theologie (des Dogmas) und der Liturgie hinzuweisen
. In drei geschichtlichen Darstellungen wird hier der Rückgang
von der positiv-scholastischen Theologie (wo diese Verbindung
ziemlich verdunkelt worden ist) über Thomas von Aquin
(bei dem Verf. richtige Ansätze sieht) zu den Kirchenvätern (bei
denen Verf. „eine schon hoch entwickelte liturgische Theologie"
vorfindet) durchgeführt. Absicht des Verfs. hierbei ist, den „Einbau
des theologischen Gehaltes der Liturgie in die Dogmatik"
vorzubereiten (356 ff.). Wie man auch über die Ausführungen
des Verfs. im einzelnen denken mag, muß man doch sein Anliegen
bejahen, da gerade auf diesem Gebiet eine weithin vernachlässigte
Aufgabe der katholischen Theologie und eine noch kaum
in Arbeit genommene Aufgabe der evangelischen Theologie liegt.

Auch die zweite Zielsetzung des Verfs., nämlich der pastoraltheologischen
Aufgaben der Liturgie wieder gerecht zu werden,
muß bejaht werden. Was im fünften Teil des Buche« („Liturgie
und Leben") zur Frage der Verbindung zwischen Liturgie und
Spiritualität, Liturgie und Seelsorge gesagt wird, sind äußerst
wichtige, in das Praktisdie hinausführende Einsichten der liturgischen
Erneuerung der letzten Jahrzehnte. Gewiß 6ind die Ausführungen
hier ganz summarisch gehalten, aber die wichtigen
theologischen Hinweise und literarischen Auskünfte werden dem
daran Interessierten Hilfe zur Weiterarbeit schenken.

Zur Methodenfrage der Darstellung des Verfs. wäre noch
der reiche Gebrauch von bibeltheologischen Einsichten zu erwähnen
. Es handelt sich hier nicht nur um die Neubesinnung auf den
Gebrauch der Bibel in der Liturgie (womit sich der dritte Teil des
Buches S. 267 ff. beschäftigt), sondern auch um den positiven
Neuansatz biblischer Theologie bei der Deutung der Liturgie.
Damit steht Verf. im Zusammenhang des neueren, auch mehr