Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1961 Nr. 6

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

441

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 6

442

—242) enthält eine Reihe von Exkursen. Diese Exkurse tragen dieselben
Nummern wie die fortlaufend gezählten Anmerkungen unter
dem Text, so daß das Auffinden zueinander gehörender Ausführungen
sehr erleichtert ist. S. 243—251 folgt ein chronologisches Verzeichnis
der Schriften Augustins, wobei nicht nur die wichtigsten Ausgaben,
sonderp auch die verschiedenen deutschen Übersetzungen mitgeteilt
werden; hinsichtlich der Chronologie sind die divergierenden Angaben
der Bibliotheque Augustinienne, von H.-I. Marrou sowie von
M. F. Sciacca nebeneinannder gestellt. Den Band beschließt ein Register
(S. 2 5 3—2 55).

Der Wert dieser Ausgabe i6t, wie bei dem Herausgeber nicht
anders zu erwarten, vorzüglich. Die Übersetzung lehnt sich eng,
jedoch nicht sklavisch an den Urtext an; sie ist zugleich lesbarer
als die in der BKV. Die Anmerkungen und Exkurse verarbeiten
ein großes Maß der schier unermeßlichen Augustin-Literatur, wobei
gerade die jüngsten französischen Arbeiten herangezogen
werden. Vor allem aber führen Bärbels Erläuterungen gut in
Augustins Theologie ein. Ob es 6idi um die Trinitätslehre oder
die Christologie odeT die Erbsündenlehre oder die Gnadenlehre
handelt, zu all diesen und zahlreichen anderen Problemen werden
knappe, aber treffende Skizzen über Augustins Position, insbesondere
auch seine theologische Entwicklung, gegeben, die für
den Studenten eine gute Einführung und für den Fachmann eine
Hilfe zur schnellen Orientierung sind. Auch die Geschichte des
Augustin-Verständnisses wird gelegentlich herangezogen, insbesondere
der Jansenistenstreit. Nicht selten sucht Bärbel auch,
diese oder jene Frage selbständig bei aller gebotenen Kürze weiter
voranzutreiben.

Kritisch sind lediglich einige Einzelheiten zu notieren. Bedauerlich
ist, daß bei allem gelehrten Apparat eigentlich nirgends auf die Bedeutung
der Philosophie, speziell des Neuplatonismus, für Augustin
hingewiesen wird. Gerade Ench. cap. III 9 ff. hätte reichlichen Anlaß dazu
geben können. Aber zu diesen Kapiteln findet sich in den Anmerkungen
keine Notiz. Auch der Exkurs über das Böse und die Erbsünde
(S. 203 ff.) schweigt über den Neuplatonismus. — S. 34 H.-I. Marrou,
St. Augustin et la fin de la culture antique, ist 1949 in 2. Aufl. erschienen
. — S. 59 Daß P. Keseling (Die Lüge und Gegen die Lüge, 1953)
„eine gute Übersicht über das Problem der Lüge von der Antike bis in
die Neuzeit" gegeben hat, kann man schwerlich behaupten; s. Monatschrift
für Pastoraltheologie 48, 1959, S. 243. — S. 74, Anm. 56 hätte
auch Augustins Schrift De correptione et gratia genannt werden sollen.
— Die Schrift Ad Simplicianum wird S. 211, 236 auf 396, S. 205 auf 397
angesetzt.

Hamburg Bernhard L o h s e

Bowra, C. M.: Palladasand the Converted Olympians.

Byzantinische Zeitschrift 53, 1960 S. 1—7.
Dupre la Tour. Augustin: La D o x a du Christ dans les oeuvres

exegetiques de Saint Cyrille d'Alexandrie (fin).

Recherches de Science Religieuse XLIX, 1961 S. 68—94.
Emminghaus, Johannes H.; Die Gruppe der frühchristlichen Dorf-

baptisterien Zentralsyriens.

Römische Quartalschrift 55, 1960 S. 85—100.
Ka war, L: Byzantium and Kinda. — Procopius and Kinda.

Byzantinische Zeitschrift 53, 1960 S. 57—78.
Sicherl, M.: Michael Psellos und Iamblichos de mysteriis.

Byzantinische Zeitschrift 53, 1960 S. 8—19.
Weber. Hugo: Die Sünde gegen den Heiligen Geist nach der Auffassung
des hl. Augustinus.

Salesianum XXII, 1960 S. 628—636.

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Seitz, Manfred: Hermann Bczzel. Theologie, Darstellung, Form seiner
Verkündigung. Mündien: Kaiser 1960. 244 S. gr. 8° = Forschungen
zur Geschichte u. Lehre d. Protestantismus, hrsg. von Ernst Wolf.
10. Reihe, Bd. XVIII. Lw. DM 14.70.

Eine Monographie über den bekannten fränkisch-bayerischen
Theologen und Kirchenmann Hermann Bezzel (1861 — 1917),
1891 — 1909 Neuendettelsauer Rektor, dann kgl. bayer. Ober-
konsistorialpräsident in München, war seit langem fällig. Die
stoffreiche und verdienstliche Darstellung von Joh. Rupprecht
(H. B. als Theologe 1925), fundiert und ergänzt in vielen aus
Nachschriften posthum veröffentlichten Auslegungen Bezzels, ist
kaum mehr zugänglich und hat viele Fragen offen gelassen. Auch

die besondere Kennerschaft von Georg Merz hat sich nur in sehr
knappen Skizzen niedergeschlagen.

M. Seitz legt nun eine nur wenig veränderte Erlanger Dissertation
vor, in welcher er Bezzel hauptsächlich von der homiletischen
Seite aus zu erfassen und zu schildern unternimmt. Für seine
Arbeit hat er nicht nur das gedruckte Material noch vollständiger
als Joh. Rupprecht herangezogen, sondern auch viel weiteres ungedrucktes
Material, vor allem Nachschriften verwerten können.
Die Tagebücher Bezzels sind freilich nach wie vor unzugänglich
geblieben, und so sind nicht alle Probleme der Genesis der Bezzel-
schen Gesamtauffassung ganz zu klären.

Der Verf. hat seine Monographie auf zwei Bände angelegt
und vorerst nur den ersten Band veröffentlicht. Das bringt für
den vorliegenden Band eine gewisse Unausgeglichenheit in der
Anlage mit sich. Denn von Bezzels Beitrag zur Homiletik ist darin
nur im letzten Teil die Rede. Auch sonst ist Biographisches, Territorial
- und Theologiegeschichtliches zuweilen überraschend verknüpft
und angeordnet. Die knappe Einleitung beschäftigt sich
mit dem evangelischen Bayern im 19. Jahrhundert, bietet eine
Übersicht über die bisherige Bezzel-Forschung und Angaben zum
Quellenmaterial. Dann schildert der Verf. in einem ersten Kapitel
(S. 17—65) „Werden und Wirken" seines Helden. Dabei liest man
natürlich die berühmte Auseinandersetzung zwischen dem Ober-
konsistorialpräsidenten und den Nürnberger .Liberalen' Chr.
Geyer und Fr. Rittelmeyer mit gespanntestem Interesse. Des
Verfs. Darstellung ist m. E. aber doch um eine Nuance zu sehr
selbstverständlich im Sinne des landeskirchlichen Konservatismus
geraten. Die Formel ist viel zu einfach, in die er den Gegensatz
zusammendrängt: „Sie dachten vom Leben, anstatt vom Worte
Gottes her . . . und verwandelten die Lehre von Gott in eine
Lehre vom Leben, Theologie in Biologie . . . vor die volle Wirklichkeit
Gottes in Christo stellten sie nicht" (S. 45). Bezzel teilte
ja mit seinen Gegnern die Antithese von Lehre und Leben (vgl.
das Zitat auf S. 127 u. ö.); er stand nur in der älteren Tradition
und wollte deren Erbe nicht an die Moderne preisgeben.

In einem sehr viel ausführlicheren zweiten Kapitel wird dann
Bezzels Gedankenwelt unter dem Stichwort „Wort Gottes und
Predigt" zusammengefaßt. Zunächst wird der Kondeszendenzgedanke
breit (S. 66—190) behandelt, dann sehr viel kürzer
Bezzels Auffassung von Predigt und Predigtarbeit (S. 191—238).
Der Abschnitt über das Kondeszendenzproblem hat nach Umfang
und Inhalt das Übergewicht.

In sorgfältiger, anregender und gelehrter Weise geht der
Verf. den Fragen nach, die mit der Rezeption der ,Kondeszendenz'
durch Bezzel zusammenhängen. Luther und Hamann, die bayerische
Erweckungsbewegung und die Erlanger Theologie, Oetinger
und Martensen bieten sich als Quellen und Mittler an. Von besonderem
Interesse ist dabei, was über das Zustandekommen und
den Einfluß der Rothschen Hamann-Ausgabe (im Anschluß an
Arbeiten von Fr. W. Kantzenbach) mitgeteilt wird. Nicht alles
bei Bezzel läßt sich auf solche Einflüsse zurückführen. Vielmehr
muß man doch in seiner Rezeption der .Kondeszendenz' eine
eigenständige theologische Leistung sehen. Verf. hätte im Eifer
des Spurensuchens die unstreitige, unableitbare Originalität seines
Helden durchaus stärker betonen können.

Es entspricht der Lage um 1900, wenn nun die Bezzelsche
Zentralerkenntnis von der .Kondeszendenz' vor allem auf die
damals besonders strittigen Probleme der Bibelauffassung angewendet
, wenn sie ,als hermeneutisches Prinzip' durchexerziert
wird. „Er hat es sich gefallen lassen, auf kleinstem Raum das
Größte zu vereinen. Wollen wir uns weigern, mit der größten
Hingabe alles dessen, was uns noch übrig ist, dieses Größte aus
dem Kleinsten zu erforschen? Darum stellen wir unverbrüchlich,
furchtlos, selbst nicht die Gefahr scheuend, darum eingebildet
(lies: ungebildet?) gescholten zu werden, den Zusammenhang
zwischen dem Alten und dem Neuen Testament her an der Hand
dessen, der die suchende Liebe in der armseligen alttestamcntli-
chen Schrift hochpreist, weil sie es ist, die von ihm zeugt" (Zitat
aus Bezzels theologischer Grundschrift ,Der Knecht Gottes',
Einsegnungsunterricht von 1906, gedruckt Nürnberg 1921, S. 12,
bei Seitz S. 180). Die eindrucksvolle und doch auch reichlich
manirierte Diktion Bezzels kommt schon in dem einen, eben
zitierten Satz zum Vorschein. Verf. hält mit seiner Kritik an