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Ausgabe:

1961 Nr. 6

Spalte:

435-436

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Stupperich, Robert

Titel/Untertitel:

Kirchenordnungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland 1961

Rezensent:

Rose, Karl

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435

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 6

436

R e y n e n, Hans: 2vväyeai>ai Joh. 18,2.

Biblische Zeitschrift 5, 1961 S. 86—90.
Romaniuk, Kasimierz: De Themate Ebed Jahve in Soteriologia

Sancti Pauli.

The Catholic Biblical Quarterly XXIII, 1961 S. 14-25.

S c h e 1 k 1 e, Karl Hermann: Das Evangelium veritatis als kanongeschichtliches
Zeugnis.
Biblische Zeitschrift 5, 1961 S. 90—91.

Schierse, Franz Joseph: Weihnachtliche Christusverkündigung. Zum
Veretändnis der Kindheitsgeschichten.
Bibel und Leben 1, 1960 S. 217—222.

Schnackenburg, Rudolf: Das „Reich Gottes" im Neuen Testament
.

Bibel und Leben 1, 1960 S. 143—156.
Schürmann, Heinz: Das Gebet des Herrn. Ein Übertragungsversuch.

Bibel und Leben 1, 1960 S. 261—265.
Sint, J. A.: Am Rande der vier Evangelien. Zu den Apokryphen des

Neuen Testaments.

Bibel und Leben 1, i960 S. 186—192.
Sloyan, Gerard S.: „Primitive" and „Pauline" Concepts of the
Eucharist.

The Catholic Biblical Quarterly XXIII, 1961 S. 1-13.
Spicq, G: La parabole de la veuve obstinee et du juge inerte, aux

decisions impromptues (Lc 18, 1—8).

Revue Biblique 68, 1961 S. 68—90.
Stanley, David M.: Pauline Allusions to the Sayings of Jesus.

The Catholic Biblical Quarterly XXIII, 1961 S. 26-39.
Suggs, M. Jack: Concerning the Date of Paul's Macedonian Ministry.

Novum Testamentum 4, 1960 S. 60—68.
Teeple, Howard M.: Qumran and the Origin of the Fourth Gospel.

Novum Testamentum 4, 1960 S. 6—25.
U n n i k, W. C. van: The "Book of Acts" — the Confirmation of the

Gospel.

Novum Testamentum 4, 1960 S. 26—59.
Walker, Norman: The Reckoning of Hours in the Fourth Gospel.

Novum Testamentum 4, 1960 S. 69—73.
Zimmermann, Heinrich: Die Sammelberichte der Apostelgeschichte.

Biblische Zeitschrift 5, 1961 S. 71—82.

KIRCHENGESCHICHTE: ALLGEMEINES

Stupperich, Robert: Kirchenordnungen der Evangelisch - Lutherischen
Kirche in Rußland, eingel. u. hrsg. Ulm: „Unser Weg" Verlag
1959. 253 S., 2 Ktn. 8° = Quellenhefte z. ostdeutschen u. osteuropäischen
Kirchengeschichte, hrsg. von R. Stupperich, H. 1/2.

Die vorliegende Sammlung der Urkunden über die Verfassung
und Ordnung der ev.-luth. Kirche in Rußland enthält Kirchenordnungen
sowohl der Einzelgemeinden als auch der Gesamtkirche
aus der Zeit von 1678—1924. Die Arbeit stützt sich auf
Forschungsarbeiten der evangelischen PastOTen A. W. Fechner in
Moskau und Hermann Dalton in St. Petersburg und des russischen
Historikers Dimitrij Zwetajew, die sich im 19. Jhdt. mit der Erforschung
der Geschichte des Luthertums in Rußland befaßten,
sowie auf Urkunden, welche die Handschriftenabteilung der Akademie
der Wissenschaften in Leningrad, ausländische und deutsche
Bibliotheken und kirchliche Ämter dem Verfasser zugänglich gemacht
haben.

Die Sammlung enthält folgende Urkunden: 1. Kirchenordnung
(1678), 2. Revidiertes Instrumentum Pacis Ecclesiasticum
(1717), 3. Gesetz für ev.-luth. Kirche in Rußland (1832), 4. Entwurf
einer Kirchengemeinde- und Synodalordnung (1907), 5. Temporäre
Bestimmungen über Selbstverwaltung der ev.-luth. Gemeinden
(1920), 6. Verfassung der ev.-luth. Kirche (1924).

Diese Kirchenordnungen hatten zwar zur Vorlage Kirchenordnungen
der deutschen Landeskirchen von Pommern und Thüringen
, Hamburg und Danzig u. v. a., aber sie weisen auch ihre
Sonderzüge auf, die durch die besondere Lage der ev.-luth.
Kirche und Gemeinden in Rußland bedingt waren.

Zur Frage der Entstehung und Entwicklung der ev.-luth.
Kirche in Rußland 6ei hier kurz folgendes bemerkt. Schon in den
20er und 30er Jahren des 16. Jhdts. drang die Reformation in das

Baltikum ein, das damals ein selbständiges Ordensland war, bis
es schließlich, nachdem es abwechselnd unter der Herrschaft Polens
und Schwedens gestanden hatte, durch Peter d. Gr. dem russischen
Reich einverleibt wurde. Nach der Errichtung des Mos-
kowitischen Zentralstaate6 und der Niederwerfung der Tataren-
reiche von Kasan und Astrachan wandte sich Iwan IV. Grosnyj in
der zweiten Hälfte des 16. Jhdts. dem Westen zu. Um Rußlands
politische Macht zu mehren, sahen sich die Zaren genötigt, technische
Hilfe im Westen zu suchen. Iwan IV. ließ deutsche Fachkräfte
anwerben und nach Moskau rufen. Das gleiche taten in zunehmendem
Maße die Zaren Boris Godunow, Michael I., Alexij [.
und Peter d. Gr. Deutsche Handwerksmeister, Techniker, Ingenieure
, Mediziner, Pädagogen, Gelehrte, Militärs in großer Zahl
folgten dem Rufe der Zaren, und so entstand in Moskau die sog.
„Nemezkaja Sloboda" (,.Deutsche Siedlung"), die zu Ende des
17. Jhdts. ca. 20 000 Einwohner zählte und in der 2 lutherische
und eine reformierte Kirche errichtet worden waren. Von hier aus
nahm die Verbreitung der deutschen evangelischen Gemeinden in
Rußland ihren Ausgang. Außerdem erfolgten in den letzten Dezennien
des 18. Jhdts. und in der ersten Hälfte des 19. Jhdts. größere
Einwanderungen, besonders der Pietisten aus Württemberg,
wodurch die deutschen Kolonien im Gebiet von Odessa, auf dem
Kaukasus, an der Wolga und im Räume von Taschkent entstanden.

Die im Anhang des Heftes beigefügten Landkarten vermitteln
ein eindrucksvolles Bild von der Größe und Weite der Zerstreuung
der evangelischen Kirche, Kirchspiele und Gemeinden in
Rußland: sie erstreckt sich vom Baltikum und Schwarzen Meer
bis nach Mittelasien und Ostsibirien, Barnaul, Irkutsk, Chabarowsk
und Petropawlowsk.

Im Laufe der Zeit — vom 16. Jhdt. bis 20. Jhdt. — gestaltet
die ev.-luth. Kirche ihr Leben in drei verschiedenen politischen
Perioden:

1. der alten moskowitischen, 2. der petrinischen, 3. der
sowjetischen Periode. In diesem historischen Rahmen müssen auch
die Kirchen- und Gottesdienstordnungen gesehen und verstanden
werden. Die veröffentlichten Urkunden stellen daher ein wichtiges
Material dar, nicht allein für Kirchenrechtler, sondern auch
für Kirchenhistoriker und ebenso für den praktischen Theologen,
denn sie bieten einen guten Einblick in das innere und äußere
Leben der evangelischen Kirche in der gewaltigen Diaspora Rußlands
.

Diese Diaspora erlebt die gleichen innerkirchlichen Spannungen
, die in der evangelischen Kirche in Deutschland ausgetragen
werden. Ihr äußeres Leben aber wird durch das Verhältnis
von Staat und Kirche in Rußland und durch die Sonderstellung
der russischen orthodoxen Kirche bestimmt, die in der alten Zeit
das Recht hatte, jeden Übertritt aus der Orthodoxie in eine andere
Konfession administrativ und strafrechtlich zu verfolgen
und bei Mischehen die kirchliche — die orthodoxe — Zugehörigkeit
und die Erziehung der Kinder streng zu überwachen.

Der historischen Entwicklung der ev.-luth. Kirche in Rußland
folgend, gehen die Kirchenordnungen von der Gemeinde aus,
erst 6päter folgen Synodalordnungen. Jahrhundertelang führten
einzelne Gemeinden ein isoliertes Dasein, bis es im 19. Jhdt. zur
Bildung von Synoden und Konsistorialbezirken kam. Zuletzt
war die ev.-luth. Kirche in acht Konsistorialbezirke und vier
Kirchspiele gegliedert, die sowohl im europäischen als auch im
asiatischen Teil Rußlands lagen.

Die historische und sachkundige Einführung in die Urkundensammlung
ist eine begrüßenswerte Hilfe für jeden, der sich
mit dem Studium der Urkunden befaßt. Das Heft ist ein wichtiger
Beitrag nicht nur zur Erforschung der Geschichte des Verhältnisses
der evangelischen Kirche zur Orthodoxie, 60wie der Beziehungen
der Deutschen zu den Russen, sondern auch eine Hilfe im Hinblick
auf die ökumenischen Gespräche, die gegenwärtig zwischen
den Vertretern der evangelischen Kirche und der Orthodoxie im
Gange sind.

Berlin Karl Rose