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Ausgabe:

1961 Nr. 5

Spalte:

391-393

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Nagel, William

Titel/Untertitel:

Probleme der Konfirmation 1961

Rezensent:

Vischer, Lukas

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Seite 1, Seite 2

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391 Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 5 392

(10 Seiten). Ein weithin übercehener Gesichtspunkt wird herausgehoben
: ,,Wenn wir uns ernsthaft mit der Situation unserer Kinder
beschäftigen, dann erfahren wir auch, daß wir uns nicht nur
durch psychologische Gesichtspunkte leiten lassen dürfen. Es 6ind
Kinder einer ganz bestimmten Welt undZeit,
die durch die Erwachsenen gestaltet wird"
(162). „Nur als Stück dieses Gemeindekatechumenats, der alle
Gemeindeglieder umfaßt, 6ind auf die Dauer der Kinderkatechu-
menat, der Religionsunterricht.. . und der Konfirmandenunterricht
möglich" (163).

In der letzten Arbeit des Sammelbandes nimmt Joachim
H e u b a c h kritisch „Zur neuen Konfirmationsordnung der
VELKD" Stellung (17 Seiten). Während die vorhergehenden Beiträge
weithin informatorischen Charakter tragen und nur vorsichtig
die Perspektiven der zukünftigen Entwicklung aufweisen, liegt
in dieser Konfirmationsordnung das Ergebnis einer Besinuung auf
das Wesen der Konfirmation (vgl. das Begleitwort) und gleichzeitig
eine, wenn auch noch als provisorisch bezeichnete Ordnung
vor. Die kritischen Einwände beziehen sich auf die aus der „in
sehr geraffter Form der Geschichte" gezogenen theologischen
Folgerungen" (176) Ein schwerwiegender Einwand liegt aber in
der geäußerten Vermutung, „daß die im «Begleitwort» angeführten
Belege aus lutherischen Kirchenordnungen lediglich Legitimationsbelege
für ein vorher dem Liturgischen Ausschuß zur Erstellung
des Formulars mit auf den Weg gegebenes Konfirmationsverständnis
sind" (177). Heubachs Fragen beziehen sich auf Elemente
des Formulars, die nicht eindeutig genug den theologisch
proklamierten Standpunkt zum Ausdruck brächten. Vor allem
wird aber Kritik an der Einsegnungsformel angemeldet.

Ein Protokoll über ein Gespräch, das über die im Sammelband
veröffentlichten Referate (Hofgeismar) geführt wurde, macht
deutlich, daß in vielen und wesentlichen Punkten Übereinstimmung
bei den Beitragsverfassern herrscht, daß aber auch erhebliche
Unterschiede, insbesondere im Blick auf Folgerungen bestehen
.

„Der Konfirmandenunterricht — seine stofflichen und methodischen
Fragen" von Karl Witt dargestellt, ist zu knapp (9
Seiten) und wirkt in dieser Form nur als Anhang.

Die von Kurt Fror gegebene Zusammenfassung macht es
fast dem Leser zu leicht und bringt ihn in Versuchung, sich die
gründliche Durcharbeitung der Einzelbeiträge zu schenken, eben
weil 6ie ausgezeichnet ist. Zwei Gesichtspunkte scheinen dem
Rezensenten erwähnungswert:

1. ) „... Es ist notwendig, das gesamte Geschehen der Konfirmation
von der Begrifflichkeit: Bedingungen — Berechtigungen
zu befreien. Die Konfirmation kann dann wirklich als das verstanden
werden, was sie sein soll, als Hilfe zum Gebrauch der
Gnadenmittel (Wort und Sakrament)" (200).

2. ) „Wenn wir . .. einen Schritt weitergehen wollen, so
liegt es nahe, nach dem zentralen theologischen Verständnis der
Konfirmation zu fragen, d. h. nach dem eigentlichen Schwerpunkt
des Ganzen, von dem aus alles einzelne sinnvoll und überzeugend
geordnet werden kann" (198).

Leider hat sich Seite 60. 2. Abschnitt ein böser Druckfehler
(„Volkskommissar" . . .) eingeschlichen.

Die Intensität und Dringlichkeit der Fragestellung forderte
dieses Buch. Die Redlichkeit und Verantwortlichkeit der Beteiligten
fordert sein Studium. Man kann an „Confirmatio" nicht
mehr vorbeigehen, will man raten, entscheiden und handeln auf
dem weiten, unübersichtlichen, gefährlichen Gebiet der Konfirmation
.

Leipzig Heinz Wagner

Nagel, William: Probleme der Konfirmation. Historische Entwicklung
und Vollzug in der Praxis. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt
[1959]. 51 S. gr. 8a = Aufsätze und Vorträge zur Theologie und
Religionswissenschaft, hrsg. v. E. Schott und H. Urner, H. 9. Kart.
DM 2.40.

William Nagel steuert mit diesem Heft einen neuen Beitrag
zu der wachsenden Zahl von Abhandlungen über das Konfirmationsproblem
bei. Er nennt zunächst einige Hauptmomente aus

und versucht dann, das Wesen der Konfirmation innerhalb der
lutherischen Tradition zu bestimmen. „Von der Taufe her gesehen
soll die Konfirmation zusammen mit dem von ihr vorausgesetzten
Katechumenenunterricht den Getauften ihre Taufe vergegenwärtigen
, bewußt machen ... Der Konfirmationsakt hat sich
ausdrücklich auf die Taufe und die in ihr durch die Paten erfolgte
renuntiatio und Zusage an den dreieinigen Gott zurück-
zubeziehen, weil dadurch ein Faktum geschaffen ist, das in Geltung
steht und der Konfirmation erst ihren Sinn gibt . . . Vom
Abendmahl her muß die Konfirmation zu einer Zurüstung werden
, die einen leichtsinnigen ersten Gang zum Tisch des Herrn
verhütet. Dem entspricht die Notwendigkeit... eines Sakramentsunterrichtes
" (S. 26 f.). Wenn der Konfirmand auch gefragt werden
muß, ob er tatsächlich konfirmiert werden will, würde es
doch dem Wesen der lutherischen Konfirmation widersprechen,
ein Gelübde von ihm zu verlangen.

Nachdem der Verfasser im folgenden Kapitel einige Reformvorschläge
der letzten hundert Jahre (Höfling, Zezschwitz, von
Hofmann, Harnack, Wiehern, Stoecker) besprochen hat, legt er
einen eigenen Lösungsversuch vor. Er sieht folgendes vor: Nachdem
die Kinder durch den Unterricht gegangen sind und sich die
von der Taufe her geforderten Kenntnisse angeeignet haben,
findet vor der versammelten Gemeinde eine Konfirmation statt.
Mittelpunkt dieser Feier ist ein Fürbittegebet, in dem Gott darum
gebeten wird, daß er „seine in der Taufe diesen Kindern zugesagte
Gnade an ihnen kräftig werden lasse, ihnen zu lebendigem
Glauben verhelfe und in dessen Kraft das in der Unterweisung
Aufgenommene zum Leben zu erwecken" (S. 37). Mit dieser
Feier werden die „passiven Gemeinderechte" erworben (Recht der
Trauung, Recht, für die Kinder die Taufe zu verlangen, Teilnahme
an Gemeindeversammlungen). Die Zulassung zum Abendmahl
ist aber damit noch nicht verbunden. Die Konfirmierten
müssen sich vielmehr von sich aus melden und werden durch
eine zweite Feier in die Abendmahlsgemeinschaft aufgenommen.
Voraussetzung dazu ist, daß sie während einer gewissen Zeit an
einem Jugendkatechumenat teilgenommen und ein Beichtgespräch
mit einem Seelsorger gehabt haben.

Man sieht sofort, wo das Wesentliche dieses Reformvorschlages
liegt. Es ist die Trennung von Konfirmation als Taufgedächtnisfeier
und Konfirmation als Admi6sion zum Abendmahl
. Diese Lösung ist nicht ohne historisches Vorbild. Die
pommersche Kirchenordnung von 1563 und die Agende von
1569 sehen eine ähnliche Lösung vor, und es scheint, daß die
Konfirmation in Pommern lange Zeit auf diese Weise gehalten
worden ist. Zugleich kommt der Vorschlag den Bedürfnissen der
heutigen Situation weitgehend entgegen. Er stellt einen Schritt
in der Richtung der Freiwilligkeitskirche dar und hebt doch die
Volkskirche nicht auf. Abendmahlszucht und Volkskirche können
bei dieser Ordnung nebeneinander bestehen.

Die Lösung kann also ohne Zweifel manche praktische Vorzüge
für sich geltend machen. Ist aber mit diesem Vorschlag wirklich
auch die gesamte Problematik der Konfirmation erfaßt? Diese
Frage läßt 6ich nach der Lektüre des Heftes nicht ganz unterdrücken
; denn man hat an mehr als einer Stelle den Eindruck,
die Fragestellung müßte weiter gefaßt werden. Der Verfasser beschränkt
sich bewußt darauf, das Problem der Konfirmation im
Rahmen der lutherischen Tradition zu behandeln. Es ist z. B. bezeichnend
, daß er die Geschichte der Alten Kirche und des Mittelalters
nur kurz streift. Die Grundlage der weiteren Überlegungen
bildet eine Darstellung der Reformationszeit. Die Problematik,
die der Kirche von den ersten Jahrhunderten her mitgegeben ist,
tritt darum kaum in Erscheinung.

Der Verfasser ist der Auffassung, daß die Konfirmation
eine „kirchliche Amtshandlung" wie die Trauung und die Bestattung
sei. Sie ist nicht von Christus selbst eingesetzt und besitzt
keine promissio divina. Sie kann darum kein Sakrament sein.
Sie ist „eine freie Schöpfung der Gemeinde" (S. 18). Das heißt
also, daß die Kirche frei ist, die Konfirmation im Gehorsam gegen
ihren Herrn immer wieder neu zu konzipieren und zu ordnen.
Das ist in gewisser Hinsicht ohne Zweifel richtig. Nur aus dieser
Überzeugung können wir uns das Recht nehmen, über Reformen
und Neuordnungen zu diskutieren. Diese Einsicht enthebt uns

der Geschichte der Konfirmation, vor allem seit der Reformation, | aber nicht der Verpflichtung, uns mit der confirmatio der ersten