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Ausgabe: | 1961 Nr. 5 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Allgemeines |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 5
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ten eindeutigen Aussage, nicht Freiheit zu haltlosen und ungeklärten
Privatmeinungen, sondern zum bewußten Einstimmen in
den Chor der bekennenden Kirche.
Doch stünde das Wort der Offenbarung all unserem Bekennen
„dialektisch gegenüber", darum könne kein Dogma es einfangen
, kein Glaube heute festlegen, was morgen zu bekennen
sei (nach S. 15). So dürfe der Glaube selbst dort noch, wo das
Dogma einen tiefen Graben aufgerissen habe, das Band der Einheit
festhalten. Das Bekenntnis der Väter sei nicht einfach nachzusprechen
, sondern im Lauschen auf ihre Stimme das Wort zu
finden, das uns heute helfen könne. Als das unserer Generation
aufgegebene Thema bezeichnet Locher die Anthropologie.
Lochers Worte sind in die Schweizer und speziell in die Ber-
ner Situation hineingesprodien. Sie möchten uns helfen, „zwischen
Dogmatismus und Dogmenächtung neu zu lernen, was
heute Bekennen heißt" (Vorwort). Sie fassen die communis
opinio im Räume der durch Karl Barth geprägten Theologie zusammen
. Sie werden sicher manche versteiften Fronten auflockern.
An vielen Punkten bedürfen sie jedoch einer sorgfältigen Prüfung.
Einige Fragen seien genannt:
1. ) Wie verbindet 6ich die fides qua creditur mit der fides
quae creditur? Wohl findet alles Dogma seine Zuspitzung in der
personalen Glaubensbegegnung, aber kann ich es auf diesen
Punkt zurückführen? Ist nur das Inhalt des Bekenntnisses, was
ich in der Gottesbegegnung erfahre?
2. ) Was meint die Aussage: „Alles Dogma ist nur ein Mittel
zum Zweck." Es dient der „Verwirklichung von Wahrheitserkenntnis
und Gemeinschaft" (S. 17)? Zerstört die Anwendung
der Kategorie: Mittel - Zweck nicht notwendig die doxologische
Struktur des Dogmas und damit letztlich das Dogma selber? Gilt
der Kantische Satz, daß der Mensch niemals „nur" als ein Mittel
angesehen werden dürfe, nicht ebenso für das Dogma?
3. ) Führt die einseitige Aussage, daß uns das Wort der
Offenbarung immer „dialektisch gegenüber"-bleibe (S. 15), nicht
zu Fehlschlüssen? Sicher darf das Dogma nicht den Herrn einfangen
wollen wie die Häscher in Gethsemane, aber wir dürfen
und sollen an der Verheißung festhalten, daß uns der Geist in
alle Wahrheit leiten werde. Ist eine rechtverstandene theologia
perennis nicht begründet in der Identität des dreieinigen Gottes
mit sich 6elbst? Bleibt diese Identität als eine Idee jenseits der
kirchlichen Bekenntnisse oder wird sie für uns konkret in dem
mit den Vätern in der Kirche gemeinsam gesprochenen Bekenntnis
?
4. ) Wie fügen sich die beiden Forderungen: das Dogma soll
den einen unwandelbaren Gott und sein in Christus vollzogenes
Heilshandeln bekennen, wie: das Dogma soll Antwort geben auf
die Fragen der jeweiligen Gegenwart, ineinander? Ist in der bei
Locher wiedergegebenen Position Barths nicht dem Historismus
und der Forderung nach jeweiliger Aktualität noch zu viel Raum
gegeben? Luther war der Meinung, das von ihm Bezeugte gelte
nicht allein für 6eine Zeit, sondern für alle Christen bis an das
Ende der Tage, hatte er doch bekannt nicht allein im Hinblick auf
die geistlichen Anfechtungen seiner Generation, sondern zugleich
im Aufblick zu dem Herrn als dem ewigen Richter, hatte er doch
gesprochen angesichts des Ortes, da alle Zeit aufhört. Diese
Dimension des Dogmas ist leider bei Locher nicht herausgearbeitet
.
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ETHIK
Logstrup, Knud E.: Die ethische Forderung. Übers, aus dem Dänischen
von R. Logstrup. Tübingen: Laupp 1959. VII, 245 S. 8e.
DM 15.50; Lw. DM 19.50.
„Die ethische Forderung besteht aus zwei Elementen:
a) Ihren Inhalt erhält sie von der empirisch konstatierbaren Tatsache
her, daß das Leben der Menschen ineinander verstrickt ist.
Denn das, worauf die Forderung ausgeht, ist die Fürsorge für den
Teil vom Leben des anderen, den diese Verstrickung an mich
preisgibt, b) Die Forderung ist einseitig an mich gerichtet und
schließt einen Anspruch meinerseits auf Gegenseitigkeit aus. Ihre
Einseitigkeit erhält sie von dem Verständnis her, daß mein Leben
ein ständiges Geschenk ist, und ich somit niemals berechtigt sein
kann, eine Gegenforderung zu stellen für das, was ich tue. Daß
das Leben ein Geschenk ist, läßt sich nicht empirisch konstatieren
— nur glauben oder bestreiten" (S. 137). Mit diesen wenigen Zeilen
ist der Inhalt dieses hochinteressanten, originellen und starkpulsierenden
Buches wiedergegeben. Die ethische Forderung, identisch
mit der Forderung Jesu, entspringt der Tatsache, daß wir
Menschen zusammengehören, daß der eine sich für den anderen,
ohne jeglichen Anspruch auf Gegenseitigkeit für sich, einzusetzen
hat und daß das Leben als ein Geschenk betrachtet werden muß.
Der Verf. weiß auf äußerst fesselnde Weise ins Unendliche gehende
Kettenreaktionen aus der Sprengung des Zusammenhanges
zwischen Tatsache (Verstrickung) und Forderung (Ich für
Dich) hervorzurufen, Kettenreaktionen, die das ganze Liebesgebot
der Bibel, die Spannung zwischen Radikalität der Forderung
und Relativität der jeweiligen sozialen und konventionellen
Normen, das Verhältnis zwischen natürlicher Liebe (Eros) und
charitativer Liebe (Agape), die Dialektik zwischen dem Geschenk-
Charakter der Forderung und dem natürlichen Widerstand gegen
deren einseitig fordernden Charakter an den einzelnen, die heiklen
Reibungen und Spitzen der Problematik, Forderung und
Pflichtenkollision, die Begegnung zwischen Wissenschaft und
Ethik (Determinismus-Frage), zwischen Poesie und Ethik bis
hinein in die christologischen Probleme der Vollmacht Jesu und
der Botschaft der Vergebung, umfassen. Es ist erstaunlich, was in
diesem engen Raum von gut 200 Seiten enzyklopädisch aus dem
„Ursprung" des einen Momentes „Geschenk" ausgeführt wird.
Und nirgends hat man das Gefühl einer Überbürdung des Stoffes;
der Leser freut sich an der ruhigen, scharfsinnigen, logisch-überzeugenden
Art der Erörterung. Allerdings ist dieses Buch für den
Theologen eine harte Nuß zum Knacken, denn hier wird auf
äußerst gründliche Weise die jetzt oft gehörte These durchgeführt
, man soll dem weltlichen Menschen gegenüber endlich die
„religiöse Verpackung" unserer theologischen Terminologie fallen
lassen und was wir zu sagen haben, in einer allgemein verständlichen
, humanistischen Diktion vorbringen. Ganz kurz am Anfang
hören wir, daß die ethische Forderung, den anderen Menschen
ohne Anspruch auf Gegenseitigkeit in Obhut zu nehmen,
die Forderung Jesu ist, stillschweigend ist durch das ganze Buch
das Gebot der Liebe zum Nächsten mit allen damit zusammen-