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Ausgabe:

1961 Nr. 5

Spalte:

384-385

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Locher, Gottfried Wilhelm

Titel/Untertitel:

Glaube und Dogma 1961

Rezensent:

Peters, A.

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383 Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 5 384

Begründet wird das Amt nicht so sehr von seiner Stiftung
durch Christus her, vielmehr wird es aus dem Grundwesen der
Kirche her als notwendig erwiesen (36 ff.).

Vgl. die Zusammenfassung S. 279: „Die Kirche als Gottesvolk
braucht (l) das geistliche Amt als seine Führung. Als geheimnisvoller
Herrenleib braucht (!) die Kirche das Geistliche Amt als Darstellung
seines Hauptes. In der Kirche als dem Sakrament des Heils muß (l) die
erlösende Begegnung des Volkes mit Christus als Begegnung der Laiengemeinde
mit dem Geistlichen Amt sichtbar werden", usw. Dabei wird
auch der soziologischen Begründung eine relative Geltung zuerkannt,
doch wird diese christologisch-soteriologisch überhöht (232 ff.).

Eine kritische Einzelfrage: S. 99 ff. wird von einer Vielfalt
von Ämtern und Aufgaben gesprochen, „die Christus selbst seiner
Kirche unverlierbar eingestiftet hat", von denen andere unterschieden
werden, „die ohne Wesensänderung fehlen könnten"
(100). Es wird aber nicht deutlich, an w e 1 c h e alle bei ersteren
gedacht ist; vielleicht doch nur an das (Diakonats-), Priester-,
Bischofs- und Papstamt?

So wird das Amt auch nicht von Wort und Sakrament her
begründet, vielmehr treten diese erst nach der Begründung und
Festlegung des Amtes als dessen Funktionen (im II. Teile) auf.
Und Wort und Sakrament selbst, über deren Bedeutung für die
Kirche und Verhältnis zueinander an sich wertvolle Ausführungen
gemacht werden (147 ff.), werden doch weniger von dem kontin-
genten Heilsgeschehen her als vielmehr spekulativ „als Strukturelemente
der göttlichen Heilsökonomie" bis zurück zur Schöpfung
(154 ff.) begründet und auch im spekulativen Sinne ausgewertet
(s. u.). Dies ist ein Denken, das bei allem Tiefsinn und
aller systematisierenden Kraft und auch bei aller Schönheit und
Faszination reformatorischer Theologie doch im Grunde fremd ist.

Manche Kritik am Reformatorischen trifft nicht zu, so etwa die,
daß das Amt dort lediglich „als Konsequenz menschlicher Sündhaftigkeit
aus der Neigung zur Unordnung für notwendig erachtet" (30) und
„als Funktion der Gemeinde" (31) angesehen werde — mindestens für
die lutherische Kirche trifft das nicht zu —, oder daß nach Luther „die
Kirche von den Verunstaltungen menschlicher Wucherungen nur durch
die Rückkehr zum bloßen geschriebenen, biblischen Wort" befreit werden
könne (149), oder daß „die Theologie der Reformation das Symbol
der Sakramente dem Wort der Verkündigung wesentlich gleichgesetzt"
habe (165).

Bei aller meditativen Tiefe und Milde wird das Allein-
wahre-Kirche-Sein der römisch-katholischen Kirche doch erschrek-
kend ungebrochen betont (S. 80—87): Ihr religiöser Gemeinschaftsdienst
ist der „einzig vor Gott gültige", die „Andersartigkeit
des katholisch-kirchlichen Gottesdienstes ist nicht eine unter
vielen möglichen Formen des Dienstes vor Gott. Sie ist die einzige
vor Gott legitime Form" (82). Alle anderen „ähnlichen
Gemeinschaften und Einrichtungen ... mögen im Raum der
menschlichen Verwirklichung dieses oder jenes besser zu haben
6cheinen; sie mögen den Wünschen des Zeitgeistes mehr entgegenkommen
. Das Wesentliche aber haben sie nicht, sie sind
nicht von Christus" (84). Die Einzigkeit der römisch-katholischen
Kirche beruht eben in ihrem Amt.

„So ist die horizontale Kontinuität der geschichtlichen Kirche Darstellung
und Unterpfand dessen, daß in ihr jetzt Gottes Heilswille eingefangen
(!) und wirksam ist" (284), „daß man seine Verbundenheit
mit Christus als geschichtliche Ahnenreihe nachweisen kann" (285).
„Die vertikale, stets aktuelle Christusherkunft des amtlichen Wirkens
der Kirche wird dargestellt und nach Christi Stifterwillen garantiert
durch die horizontale Christusherkunft des Geistlichen Amtes. Das ist
der gewissermaßen sakramentale Sinn der apostolischen Sukzession und
des Amtes" (287 f.).

Abmilderungen bilden die Erwägungen über ein gewisses
Wirken des Geistes Gottes audi außerhalb des Amtes (92 ff.,
219 ff.) und vor allem die über „Zwei Reihen apostolischer Sukzession
" (286 ff.), indem im Blick auf die hierarchischen Ämter
zwischen „Weihe" und „Sendung" unterschieden wird: erstere
haben etwa auch die anglikanischen Bischöfe, letztere aber, die
nur durch „die rechtmäßige Autorität der Kirche" (289) erfolgen
kann, nicht. Im Blick auf die kirchliche Entscheidung von 1896/97
scheint dies ein ziemliches Zugeständnis zu sein. (Wie es mit den
orthodoxen Bischofen steht, wird nicht ausgeführt.)

Eigenartig und sicher auch für manchen katholischen Theologen
problematisch ist die Idee einer bestimmten Zweiheit, auf
die der Verf. besonderen Wert legt, die sich durch das ganze Buch

hindurch zieht und bei den verschiedensten Gegenständen immer
wiederkehrt: So spricht S. zunächst statt des traditionellen munus
triplex Christi lieber von dem „doppelten Amt Christi" (107 ff.),
indem in ihm nämlich einerseits der Anruf, die Sendung und erlösende
Tat Gottes zu den Menschen hin und andererseits die
Antwort und Reaktion des Menschen darauf zu Gott hin manifest
wird, und zu letzterem rechnet er merkwürdigerweise ausgerechnet
den Opfertod Christi, sein munus sacerdotale, während
in dem ersteren sein prophetisches und sein königliches (oder
Hirten-) Amt gründet. So manifestiert sich in Christus der heilhafte
Dialog zwischen Gott und dem Menschen; in ihm kommt
„die doppelt gerichtete Bewegung" (137 ff.), die von Gott zum
Menschen und vom Menschen zu Gott, in lebensvollem Zusammenhang
zum Ausdruck und zur heilhaften Auswirkung, wobei
bei ersterer natürlich die alleinige Initiative liegt und letztere
nur von ihr ermöglicht ist und gerragen bleibt. Und nun werden
aus dieser grundlegenden dialogischen Zweiheit alle charakteristischen
Zweiheiten im Wesen und Leben der Kirche hergeleitet,
so die von Lehr- und Hirtenamt auf der einen und vom Priesteramt
auf der anderen Seite (124 ff.) oder die von Wort und Sakrament
(162 ff.) — welche unmöglichen Konsequenzen ergeben sich
aus dieser Art der Begründung sowohl für das Verhältnis vom
Priester- zum Bischofsamt als auch für das Verhältnis der Sakramente
zum Wort! —; aber auch die Zweiheit von Amt überhaupt
und Gemeinde wird hierauf zurückgeführt (205. 207 ff.) (dabei
bemerkenswert S. 241 ff.: während das Amt mehr innerkirchliche
Aufgaben hat, will der verantwortliche Dienst der Kirche an der
Welt mehr durch die Laien wirksam werden), und schließlich wird
auch die Zweiheit von „Sendung" und „Weihe" innerhalb des
Hirten- und Lehramtes von jener Ur- und Grundzweiheit abgeleitet
(289 ff.). Zumal in den zuletzt angeführten Gedankengängen
wird die spekulative Systematisierung zweifellos weit
getrieben.

Der eigentliche Wert dieses Buches liegt in der klaren,
lebensvollen und warmherzigen Einzelinterpretation der verschiedenen
Seiten und Bezüge des Amtes innerhalb dieses
spekulativen Rahmens, auf die wir hier nicht mehr eingehen
können.

MUnster/Westf. Ernst Kinder

Locher, Gottfried W.: Glaube und Dogma. Zollikon: Evang. Verlag
[1959]. 23 S. 8° = Theologische Studien, hrsg. v. K.Barth u.
M. Geiger, H. 57. DM 2.20.

In seiner Antrittsvorlesung fragt der neue Berner Ordinarius
für systematische Theologie nach dem Dogma und dessen
Verhältnis zum Glauben. Locher möchte die zahllosen entfalteten
Dogmen zurückführen auf „das Dogma" als den einen sie alle
begründenden und zugleich richtenden neutestamentlichen Ur-
vorgang. „Das Dogma" ist ihm „das Bekenntnis zu Jesus, seiner
Botschaft und 6einer Person, ... die Antwort der Gemeinde auf
seinen vollmächtigen Anspruch" (S. 5). Die Christenheit habe
dieses Urgeschehen in seiner Bedeutsamkeit für die Gläubigen
aufgehellt und die in ihm enthaltenen Antworten auf die jeweiligen
Fragen der Zeit entfaltet. Lodier verbindet den Ansatz von
Paul Tillich mit dem Grundgedanken Barths, indem er sagt: Bei
ihrer Dogmenbildung habe die Kirche auf ein zwiefaches Ziel zu
blicken, auf die „Application des Herrschaftsanspruchs Christi"
wie auf eine „Wegweisung in den Fragen der Zeit" (S. 8).

Im Bekennen gehe es um ein Allerpersönlichstes, empfangen
wir doch aus der Glaubensbegegnung mit Gort unser Personsein,
und dennoch seien wir in unserem Bekennen eingefügt in eine
weltumspannende Gemeinschaft, beugten wir uns doch nicht vor
einem Privatgötzen, sondern vor dem Herrn Himmels und der
Erden. Hierdurch sei die Autorität des Dogmas zugleich begründet
und begrenzt. Sie bleibe stets eine „abgeleitete" Autorität, die
uns zurückverweise auf ihren Ursprung in der Christusbegegnung,
an welcher allein der Glaube unmittelbar Anteil habe. Stets
bleibe sie „Autorität des Knechtes, der nicht seine eigenen Ideen,
sondern den Auftrag seines Herrn ausführt" (S. 13). Dieser
recht verstandenen Autorität entspreche eine recht verstandene
Glaubensfreiheit. Sie sei nicht Freiheit zum Unglauben, sondern
zum freudigen Bekennen, nicht Freiheit zu unklaren Gefühlen
und Affekten, sondern zu einer von glaubender Einsicht gepräg-