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1961 Nr. 5

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

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Neuerscheinungen

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379 Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 5 380

der Mörike, G. Keller, J. Burckhardt, R. M. Rilke, die ihm folgten
" (zitiert in der Einleitung der Briefausgabe S. XII).

Mag die« Urteil zunächst überraschen: schon nach kurzer
Beschäftigung mit dem Briefwerk Hebels ist aller Zweifel an
seiner Gültigkeit behoben. Der Dichter faßt jeden Brief mit der
ihm eigenen Unbefangenheit und Freiheit ab. Seine Sprache ist
immer Ausdruck eines bis ins Letzte liebenswürdigen und liebenswerten
Wesens. Dieses Wesen in Verbindung mit seiner räumliche
Trennungen überwindenden Phantasie befähigt ihn, die
Empfänger seiner Briefe in hellster Gegenwärtigkeit vor sich zu
stellen und fast hörbare Zwiesprache mit ihnen zu halten. Dabei
sprudeln ihm Einfälle, Empfindungen, Späße, Neckereien und
entschiedene Meinungsäußerungen in unerschöpflicher Fülle in
die Feder. Heitere Laune waltet vor allem in den Jugendbriefen:
So heißt es in einem Brief an Gustave Fecht, der wahrscheinlich
in das Jahr 1791 fällt: ,,. . . Was ich aber eigentlich sagen wollte.
Am Sonntag habe ich meine erste Predigt gehalten. Hören und
Sehen verging mir, als ich mich so von einem Meere von Hauben
und Frisuren umfluthet sah. Die Leute sehn alle so kennerisch
aus, unter den Hauben und Frisuren; . .. Ich bin so stolz, daß die
Karlsruher Kenner so zimlich zufriden waren, und kaum die
Hälfte Zuhörer, höchstens 2 oder 3 mehr, einschlieffen, so stolz,
daß ich die Predigt in die ganze Welt schikken möchte" (S. 3 f.).
Und bald darauf 1792: „Am Sonntag Septuagesimä, zum Exempel
6ollte ich zum erstenmal bei Hof predigen. Ich 6ah schon im
Geiste voraus, wie sich alles in Thränen badete, wie der Sigrist
mit einem Regenschirm in der Hand, den Klingelbeutel einziehen
muste, wie der Markgrav mir ein Patent als Hofdiakonus mit
einer Zulage von 200 fl. ins Haus schikte. Und siehe in der Nacht
vom Samstag auf den Sontag bekam ich einen Anfall von Colik,
woran ein Mittagsschmaus vom Samstag die meiste Schuld
haben mochte, so daß ich noch am Sonntag früh um 7 Uhr mußte
aufkünden lassen. Pf. Preuschen erbarmte sich vätterlich. Da mich
die Vormittagschristen noch nie gehört hatten, so darf ichs dis-
mal ohne Verdacht von Eitelkeit sagen, daß die Kirche ziemlich
angefüllt war. Und siehe, da trat vor der neugierigen Versammlung
mit einer unstudirten Predigt der Pfarrer Pr. auf, den man
schon so oft, und so genug gehört hatte. Am Sontag drauf wollt
ich den Fehler gut machen, und führte die Leute zum zweitenmal
und noch ärger an. Das erstemal ärgerten 6ie sich, daß ich nicht
kam. Das zweytemal kam ich, und nun bereuten sie es, daß sie
nicht zu Haus geblieben waren. Man konnte so trocknes Fußes
durch die Kirche wie durch einen geheizten Bakofen gehen, auch
ist der Lauffer von Hof noch nicht gekommen" (S. 6. f.). Hebel,
der in jener Zeit Subdiakonus am Karlsruher Gymnasium, bald
darauf Hofdiakonus war und nur gelegentlich predigte, hatte, wie
wir aus den Briefen erfahren, Freude am Predigen — „was das Predigen
beträft so freue ich mich von einer auf die andre" (S. 7) —,
wenngleich er sich über sein eignes Tun lustig macht (an Gustave
Fecht): „Mich kommt's ohnehin immer schwerer an, weil ich
meine bessern Lörracher und Crenzacher Predigten nun bald
alle gehalten habe und also wieder von neuem srudiren muß. Es
ist gerade der Unterschied, wie wenn Sie einen alten Strumpf ausbessern
und einen neuen striken müsen" (S. 13).

Wie hier das Pfarramt so ersteht an andern Stellen das Zeitgeschehen
, Kriegs- und Lebensverhältnisse und die gesamte
Heimatlandschaft des Dichters vor den Augen des Lesers. Er begleitet
den Dichter durch ein Leben voll angespanntester Tätigkeit
und spürt, wie der Alternde immer nachdenklicher und
zurückhaltender wird, doch stets voll Verantwortung für andre
bleibt und sich jeder Angelegenheit, die an ihn herangetragen
wird, annimmt.

Bad Godesberg Hildegard E m m e 1

Hermodsso n, Lars: Dat Boec van den Houte. Eine mittelniederländische
Dichtung von der Herkunft des Kreuzes Christi. Mit einer
Einleitung neu hrsg. Uppsala: Lundequistska Bokhandeln; Wiesbaden
: Harrassowitz [1959]. 164 S., 1 Taf. gr. 8° = Uppsala Universi-
tets Arsskrift 1959, 1. Schw. Kr. 15.—.

Lars Hermodssons Neuausgabe der bedeutendsten mittelniederländischen
Fassung der im Hoch- und Spätmittelalter weitverbreiteten
Kreuzholzlegende, Dat Boec van den Houte oder
richtiger Van den diie gaerden, folgt nicht mehr der Hulthem-

gesdiriebenen Groninger Hs. (S), von der ein „leicht normalisierter
Abdruck" geboten wird mit ausgewählten Lesarten der
zahlreichen übrigen mittelniederländischen Textzeugen. Von dem
Versuch eines kritischen Textes wurde trotz vieler textkritischer
Hinweise mit Recht Abstand genommen. Dem Kenner wird der
Abstand der von H. sprachlich als Utreditsch-Geldersd. charakterisierten
Hs. S zum Original, das nach den Reimen vermutlich
im Westflämischen entstanden ist — wohl zwischen 1290 u. 13 30,
vielleidit im Schatten Maerlants -, auch so deutlich. Die übrige
Überlieferung, die nach bewährter Tradition der schwedischen
Schule sauber zusammengestellt und sorgfältig beschrieben ist,
überspannt das gesamte mittelniederländische Sprachgebiet und hat
sogar Ausläufer im Mittelniederdeutschen. Auch die Sprache der
Schreiber zu fassen, so weit das bei der verwickelten Überlieferungslage
literarischer Hss., zumal des späteren Mittelalters
überhaupt möglich ist, wurde nicht gescheut. H. muß zugeben,
daß die „klassische Methode", ein Stemma der Überlieferung
herauszuarbeiten, auch in seinem Fall über Vermutungen nicht
hinausführt. Dankenswert ist die leider nur auswahlweise Analyse
des Stils, im Bereiche mittelniederländischcr Denkmäler
noch stark vernachlässigt, die zugleich dazu dient, bisherige Thesen
über den unbekannt bleibenden Verfasser und Beziehungen
zu verwandten mittelniederländischen Denkmälern zu revidieren.
Bei dem Versuch, die interessanten Motivverflechtungen der
Dichtung historisch aufzuhellen, wird das Fehlen eines umfassenden
Motiv-Indexes der Legende schmerzlich spürbar. H. fordert
eine neue Untersuchung der Entstehungsgeschichte der
Kreuzholzlegende überhaupt, die wohl in den byzantinischen
Kulturkreis führt. Von dort her wäre dann mit weitem Blick
das Anwachsen der Motive, Angleichen fremder Motive, verschiedenartige
Motivverknüpfungen zu verfolgen, wozu H. schon
manches selbst beisteuert, die dann zu den bedeutendsten hoch-
und spätmittelalterlichen Fassungen der Legende im Latein und
in den Volkssprachen geführt haben. Nicht erwähnt ist von H.
die viele Motive der Kreuzholzlegende einflechtende, nach Vogt»
Beitr. z. Gesch. d. dt. Sprache u. Literatur 4 (1877), 48 ff., weitverbreitete
Dichtung .Sibyllen Weissagung', von der auch niederrheinische
Fassungen bestanden, veröffentlicht von O. Schade,
Geistl. Gedichte des XIV. u. XV. Jhdts. vom Niderrhein, 18 54.
S. 291-332.

Leipzig Gabriele Schieb.

C o n n, Harvie M.: Literature and Criticism.

Westminster Theological Journal 23, 1960 S. 16—32.
O h 1 y, Hans: Eine Anti-Theologie — Zur Frage des Verhältnisses des

Werkes von Bert Brecht zur Theologie.

Junge Kirche 21, 1960 S. 585—590.
Plachte, Kurt: Die antike Schicksalstragödie und das Mysterium

Christi.

Pastoralblätter 100, 1960 S. 697—705.
Schoeps, Hans-Joachim: Franz Kafka und der Mensch unserer Tage.
Universitas 16, 1960 S. 163—171.

NATURWISSENSCHAFT UND GLAUBE

Weizsäcker, Carl Friedrich von: Christlicher Glaube und Naturwissenschaft
. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt [1959]. 38 S. gr. 8°
= Evangelische Stimmen zur Zeit, hreg. v. E. O. Petras. H. 2. Kart.
DM 1.—.

Höchst bemerkenswert! Während in der breiten Öffentlichkeit
heute laut die Losung schallt: Religion und Naturwissenschaft
unvereinbar, stellt sich ein angesehener Führer der heutigen
Physik, der Philosoph unter den Physikern der öffentlichen
Erörterung der im Titel angegebenen Frage zur Verfügung, indem
er die Aufforderung eines Kreises nachdenkender Christen angenommen
und sein Thema verständnisvoll und wohltuend
durchgeführt hat. Er behandelt dabei allerdings nur Einzelfragen,
die wir nur als Randprobleme, gewissermaßen gemeinsame
Grenzabgehungen, bezeichnen können, vor allem die dem heutigen
Physiker naheliegenden Fragen nach der Entstehung der
Welt (Kosmologie) und ihrem Alter, sowie die nach ihrer Endlichkeit
oder Unendlichkeit. Der eigentliche Kampfplatz, auf
dem die Naturwissenschaft mit der Theologie seit nunmehr 100
Jahren zusammengestoßen ist, liegt nicht auf dem physikalischen,

sehen (H), sondern der als beste Überlieferung erkannten 1339 | sondern auf dem biologischen Gebiet, einschließlich der Stellung