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1961 Nr. 5

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Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 5

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dert ist, kann es nicht zu einer angemessenen Darstellung des „Abendmahlsglaubens
" Luthers kommen (und die beabsichtigt der Verf. doch
wohl, wie der Untertitel des Buches zeigt!). Jede Isolierung eines, sei
es auch noch so wichtigen Teilaspektes ist unstatthaft (und auch in be-
zug auf das gegenwärtige Abendmahlsgcspräch nutzlos).

Die Behauptung, Luther habe die Realpräsenz des Leibes und Blutes
Christi „räumlich (in der Hostie)" geglaubt (18), ist in dieser Form
falsch. So schwierig es auch sein mag, die Realpräsenz in den Elementen
gegen die Auffassung von der inclusio localis abzugrenzen, 60 ist doch daran
festzuhalten, daß die Ablehnung dieser inclusio localis des Leibes und
Blutes Christi in den Elementen von Luther mit allem Nachdruck vertreten
wird. Vgl. die Marburger Unionsformel von 1529 (H. v. Schubert
, Die Anfänge d. ev. Bekenntnisbildung bis 1529/30, 1928, 41):
„non autem ... localiter"; Wittenberger Konkordie von 1 536 (CR III,
75): „nec sentiunt fieri localem inclusionem in pane". Es muß sorgfältiger
, als es der Verf. tut, zwischen der unio sacramentalis der Elemente
mit dem präsenten Christus und der inclusio localis Christi in den
Elementen unterschieden werden.

Im Anschluß an diese speziell Luther gewidmeten Kapitel
wird im 5. Kapitel („Melanchthons Abweichen von Luther",
44—51) kurz die Eigenart des melanchthonischen Abendmahlsverständnisses
dargelegt. Seit den 1530er Jahren bestehen „entscheidende
Unterschiede" zwischen Luther und Melanchthon (44).
Sie liegen darin, daß Melanchthon in bezug auf die Transsubstan-
tiarionslehre von Luther abrückt, daß er die Konsekration als
überflüssig empfindet und sie sogar bekämpft. Deutliches Zeichen
ist dafür sein Verhalten im Falle Wolferinus (45 ff.; 32ff.). Nicht
mehr die Frage nach der substantialen, materialen Seite der Realpräsenz
steht im Mittelpunkt seines Interesses, sondern das Geschehen
selbst nimmt den zentralen Platz ein (48). So ist der
Gegensatz zwischen ihm und Luther deutlich; besonders in der
Konsekrationslehrc ist der theologische Unterschied „unüberbrückbar
" (51).

Diese Darstellung und Beurteilung der Abendmahlstheologie
Melanchthons, die die Ergebnisse und Ansichten der bisherigen Forschung
wiedergibt, kann nicht unwidersprochen bleiben. Wenn man schon die
melanchthonische Variation der lutherisdien Abendmahlslehre, die in
der Betonung des actio-Charakters liegt, als „Abweichen von Luther"
betrachten will, so läßt sich diese nicht erst in den 1530er Jahren nachweisen
, sondern bereits in der Mitte der 1520er (Suppl. Mel. VI/l, 274
[2.1. 1525]; vielleicht sogar schon 1520/21: vgl. CR I, 145; XXI, 221).
Diese Tatsache aber läßt es fraglich erscheinen, ob die (im Zusammenhang
mit der patristischen Argumentation stehende) Betonung des
actio-Momentes und des Ereignis-Charakters (man darf Melanchthon
hier nicht den modernen aktualistisch-punktualistischen „Ereignis"-Begriff
unterschieben 1), die ja die substantiale Gegenwart des Leibes und Blutes
Christi nicht aufgibt, überhaupt als Abweichung angesehen werden
kann. Die Differenz zu Luther ist mehr eine Differenz des theologisdien
Aspektes als ein wirklicher sachlicher Unterediied: Luther redet über
die Gegenwart Christi im Abendmahl von der res sacramenti und der
Konsekration her, Melanchthon von dem Totalzusammhang und -er-
eignis des Abendmahles als solchem. Auf keinen Fall hat dieser unterschiedliche
Ausgangspunkt damit etwas zu tun, daß „es für Melanchthon
nicht mehr so wie für Luther das erste Anliegen [ist], dem Wort
der Schrift gehorsam zu sein" (47 f.). (Vgl. hierzu Peter Fraenkel, Ten
Questions concerning Melanchthon, the Fathers and the Eucharist. Referat
auf dem IL Internationalen Kongreß für Lutherforsdiung, Münster,
8.—13. August 1960.)

Im 6. Kapitel (52—56) wird die berühmte und viel behandelte
letzte Unterredung Luthers mit Melanchthon über das
Abendmahl untersucht. Das Problem, um das es hier geht, ist,
ob Luther in diesem Gespräch seine bisherige Abendmahlsanschauung
widerrufen oder doch zumindest stark modifiziert hat. Der
Verf. entscheidet diese Frage zutreffend dahin, daß „eine grundsätzliche
Revision . . . nicht anzunehmen sei" (53).

Der Verf. bezieht dieses Gespräch auf den Fall Besserer. Doch dürfte
die von Joh. Haußleiter (NKZ 9, 1898, 831 ff.; 10. 1899, 455 ff.; vgl.
E. Bizer, Stud. z. Gesch. d. Abendm.Streites im 16. Jhdt., 1940, 244.
Anm.) herausgestellte Beziehung auf Bucer die zutreffende sein.

Das 7., abschließende Kapitel („Luthers Konsekrationslehre
in dogmengeschichtlicher Würdigung", 57—61) stellt Luthers und
Melanchthons Lehre von der Konsekration in den dogmen-
gcschichtlichen Zusammenhang. Luther knüpft, über die Scholastik
hinweg, an die alte abendländische Tradition eines Ambrosius
und Augustin an (5 8). Demgegenüber ist Melanchthons Bestreitung
der Konsekration dogmengeschichtlich „ein völliges
Novum" (59) und ein „Abfall von Luthers Lehre" (61). Das
zeitweilige Vordringen der melanchthonischen Auffassung wird

für den Bereich der lutherischen Kirche durch die Konkordien-
formel aufgehalten. In neuerer Zeit dagegen ist Luthers Konsekrationslehre
mehr und mehr in den Hintergrund gerückt, und
damit ist auch der Befehl Christi verleugnet worden (61). Gegenüber
dieser Fehlentwicklung will der Verf. zu Luther und damit
(!) zu dem ursprünglichen Befehl Christi zurückrufen.

Den Beschluß der Arbeit bildet ein Anhang mit weiteren
Quellenauszügen (62—82), einem kurzen Literaturverzeichnis
(83; hier vermißt man wesentliche neuere Literatur) sowie einem
Register (84).

Da sich diese Arbeit als Beitrag zum gegenwärtigen Abendmahlsgespräch
versteht, ist zu fragen, ob sie diese selbstgcsetzte Aufgabe erfüllen
kann. Dieses ist aus zwei Gründen zu verneinen. Einmal ist ihre
Darstellung Luthers, in den Interpretationsergebnissen keineswegs Neues
bietend und nicht über die bisherige Forschung hinausführend, einseitig
und darum verzeichnend, wie oben gezeigt. Sie bringt also nicht den
ganzen und wahren Luther zum Sprechen und kann darum auch nicht als
gültiger von Luther ausgehender Beitrag zum gegenwärtigen Gespräch
angesehen werden. Der zweite Grund, warum diese Arbeit ihre Aufgabe
nicht erfüllen kann, ist, daß die Aufgabe der Überprüfung der lutherischen
Auffassung am Zeugnis des NT nicht klar gesehen, geschweige
denn bejaht und erfüllt wird. (Offenbar ist für den Verf. das Zeugnis
des NT mit der Lehre Luthers vollinhaltlich identisch, so daß die Rückfrage
nach dem nt.lidien Befund gar nicht mehr ernsthaft gestellt zu
werden braucht; vgl. die Schlußsätze [61]!) Von einem lutherischen Beitrag
zur gegenwärtigen Abendmahlsdiskussion ist zu fordern, daß er
zum ersten die lutherisdien Aussagen in ihrem ganzen Umfang und nach
ihrer eigentlichen Intention darstellt und sie in Beziehung zur gegenwärtigen
Fragestellung setzt und daß er sie zum zweiten mit dem Zeugnis
des NT kritisch konfrontiert. Jedes andere Verfahren ist nicht als
wirklicher Gesprächsbeitrag anzusehen. (Auch ist die nicht immer sehr
sachliche und unvoreingenommene Charakterisierung der gegenwärtigen
Diskussion, die offensichtlich von kirchlichen und kirchenpolitischen
Ressentiments [vgl. 60 f.; bes. 60, Anm. 128] bestimmt ist, für ein Ge-
spräch nicht wirklich förderlich.)

Der positive Wert dieser Veröffentlichung ist darin zu sehen,
daß sie das Material zu Luthers Konsekrationslehre umfassend,
klar geordnet und übersichtlich bereitstellt und daß sie damit
deutlich macht, daß das Abendmahl bei Luther nicht in der Wort-
fides-Relation auf-, bzw. untergeht, sondern daß sich diese Relation
ohne die res sacramenti, und das heißt: ohne die Konsekration
, auflöst und verschwindet.

Münster/Westfalen Klaus Haan d 1 e r

F i o r i t o, M. A.: Para un estudio actual de los ejercicios de S. Ignacio.
Ciencia y Fe XVI, 1960 S. 189—207.

LITERATURGESCHICHTE
UND CHRISTLICHE DICHTUNG

Hebel, Johann Peter: Briefe der Jahre 1784—1809, n. 1810—1826.

I. u. II. Bd. der Gesamtausgabe. Hrsg. u. erläutert v. W. Zentner.
Karlsruhe: C. F. Müller Verlag 1957. XLIII, 948 S., 17 Abb. 8°. Lw.
DM 21.-.

Die 2. Auflage der Gesamtausgabe von Johann Peter Hebels
Briefen ist gegenüber der bisher vorliegenden von 1939 wesentlich
erweitert. Sie wendet sich sowohl im Brieftext als auch in
den sehr sorgfältigen Erläuterungen ausdrücklich an die Hebelfreunde
. Ihr Herausgeber, Wilhelm Zentner, durch lebenslängliche
Beschäftigung mit dem Werk Hebels verbunden, hat sich
seiner Aufgabe mit ganzer Liebe und Hingabe gewidmet, 60 daß
die beiden schönen Bände eine würdige Bereicherung jeder
Bibliothek bedeuten.

Wenn Hebels Dichtung bis zum heutigen Tag in unmittelbarer
Frische lebendig ist und man ihrem klaren natürlichen
Stil unantastbare Meisterschaft zuerkennt, so wurde der Wert
seines Briefwerks bisher nur von einzelnen in seinem Wert gewürdigt
. Um so erfreulicher wäre es, wenn durch die neue Auflage
auch auf dieses Briefwerk Licht fiele. Mit Recht betont der
Basler Hebelforscher Wilhelm Altwegg: „Wie Alemannische Gedichte
und Hausfreundgeschichten zum Krongut deutscher
Dichtung und Erzählkunst gehören, so steht mit seinen Briefen
Hebel, ob auch keine der Geschichten des deutschen Briefes ihn
nennt, als ein Ebenbürtiger in der stolzen Reihe der großen
und echten Briefschreiber, der Lessing und Goethe etwa vor ihm.