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Ausgabe:

1961 Nr. 5

Spalte:

374-378

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Diestelmann, Jürgen

Titel/Untertitel:

Konsekration 1961

Rezensent:

Haendler, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 5

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wohl man sich klar darüber sein muß, daß nicht durchweg das
Kirchenbauproblem, sondern häufig nur die Kirchenbaukonjektur
den Anreiz geben mag. Aber auch die breitere Öffentlichkeit
— gleichgültig ob kirchlich oder unkirchlich gesonnen — fühlt sich
durch den neuen Kirchenbau entweder innerlich berührt oder auch
nur ästhetisch angesprochen. Infolgedessen sind in den letzten
Jahren erstaunlich viele Bücher über Kirchenbau herausgebracht
worden, die sich großen Zuspruchs erfreuen. Doch gewinnt man
den Eindruck, daß unsere Theologenschaft an diesen Aufsehen
erregenden Vorgängen keinen allzu aktiven Anteil nimmt. Wohl
erfreuen sich die Tagungen für evangelischen Kirchenbau wachsender
Beteiligung, aber das erfreuliche Symptom darf über eine
latente Passivität nicht hinwegtäuschen.

Es wird das immer besonders deutlich, wenn Pfarrer, vor
die Aufgabe eines Kirchenbaus gestellt, 6ich als gänzlich unvorbereitet
erweisen. Ein solches Vorhaben setzt voraus die ungefähre
Kenntnis der bisherigen Entwicklung des Kirchenbaus und
darüber hinaus ein schon etwas genaueres Wissen um die Problematik
, die insbesondere dem evangelischen Kirchenbau seit der
Reformation anhaftet. Daß es unseren Pfarrern an diesen notwendigen
Voraussetzungen leider fehlt, hat seine Ursache in der
Geburtsstunde des Protestantismus. Jener Protest, der sich damals
auch gegen aufwändige Veräußerlichung des Kirchenbaus
richten mußte, entartete vorübergehend zum Bildersturm. Wohl
hat Luther diesen Sturm zu stillen vermocht, doch der Exzeß war
eben doch der schwärmerische Ausdruck einer Kunstverachtung,
die bis auf den heutigen Tag im evangelischen Bereich spürbar
geblieben und nur bis zur Gleichgültigkeit gegenüber den bildenden
Künsten abgeschwächt worden ist. Die Folgen davon sind
am schwachen Gesamtergebnis protestantischer Kirchenbautätigkeit
deutlich abzulesen.

Dahingestellt bleibe, ob solche Gleichgültigkeit als unabänderlicher
Wesenszug des Protestantismus hingenommen werden
muß oder aber, ob nur versäumt worden ist, Vorurteile aus dem
Weg zu räumen und schlummernde oder gar unterdrückte Gestaltungskräfte
zu wecken bzw. freizumachen. Jedenfalls scheint
es an der Zeit zu sein, daß unsere Theologen Stellung dazu nehmen
. Denn darüber kann kein Zweifel sein: der Erfolg aller Bemühungen
um eine liturgische Erneuerung wird weithin davon
abhängig sein, ob es gelingen wird, für die Neuordnung des
Gottesdienstes nicht nur die musica sacra zu bemühen, sondern
dafür auch den entsprechenden Kirchenraum und Kirchenbau zu
schaffen.

Schmerzlich macht 6ich bemerkbar, daß Theologie-Studenten
keine ausreichende Gelegenheit geboten wird, ja, daß es ihnen
nicht zur Pflicht gemacht wird, sich mit dem Kirchenbau der
jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart zu befassen. Solange
das nicht geschieht, werden Pfarrer als Bauherren auch weiterhin
in die beschämende Zwangslage geraten, entweder einseitige
Belehrungen vom jeweiligen Architekten entgegenzunehmen oder
in gebotener Eile ziemlich wahllos Bücher zu Rate zu ziehen
oder, was das Schlimmste ist, ohne fundierte Kenntnisse mit
eigenen, meist recht seltsamen Bauideen aufzuwarten.

Wenn nun schon in solchen Fällen schneller und guter Rat
teuer sein mag, dann dürfte das vorliegende Buch bestens geeignet
sein, den gesuchten Rück- und Uberblick zu vermitteln.
Doch auch der Sach- und Fachkundige, wenn ihm auch keine
neuen Erkenntnisse zuteil werden mögen, wird dankbar sein für
manche präzise Formulierung. Insbesondere die prägnanten Analysen
bedeutsamer und gut ausgewählter Kirchenbauten der
Vergangenheit sind für alle Leser ein Gewinn, weil ein Abriß der
Entwicklung, angefangen von der Aachener Pfalzkapelle bis zur
barocken Wies-Kirche, in konzentrierter Kürze geboten wird.
Indem der Autor sich hierbei darauf beschränkt, Wesen und
Eigenart von Kirchenbauten jeweils allein aus dem Grundriß zu
deuten, lehrt er manchen Leser, die Sprache der Grundrisse zu
verstehen. Diese nützliche Vorbereitung macht es dem Leser
möglich, anschließend den Entwicklungswegen des evangelischen
und katholischen Kirchenbaus von der Reformation bis zur
Gegenwart in großen Schritten nachzugehen.

Der gegenwärtige Kirchenbau ist das Hauptanliegen des
Buches. Hier nun greift der Autor die wichtigsten deutschen
..Kirchenreviere" heraus, die Bereiche evangelischer Landeskirchen
und katholischer Diözesen gleichermaßen umfassen: Köln-
Düsseldorf, München-Oberbayern, Stuttgart, Frankfurt, Berlin
u. a. m. Indem auf diese Weise stets Kirchenbauten beider Konfessionen
in ständigem Wechsel betrachtet und bewertet werden,
kommt zur Geltung, wie stark der gegenseitige Einfluß ist. So ist
dem katholischen Kirchenbau mitunter ein protestantisch - puritanischer
Zug zur Einfachheit eigen, während wiederum der
evangelische Kirchenbau zuweilen aus der liturgischen Neuordnung
katholischer Kirchenbauten Nutzen zieht.

Ein wichtiges Kapitel ist den „Außenseitern" gewidmet;
gemeint sind jene Architekten und Künstler von internationalem
Ruf, von denen am wenigsten erwartet werden konnte, daß sie
sich jemals in den Dienst der Kirche stellen würden: z. B.
Le Corbusier, Matisse Leger. Daß ein „ungläubiges Genie" dem
gläubigen „Künstler" ohne Talent um der großen Sache willen
vorzuziehen sei, ist eine Streitfrage, die oft katholischerseits mit
souveräner Aufgeschlossenheit bejaht wird, während evangelischer-
seits die eingangs erörterte Geringschätzung der Kunst einen absoluten
Kunstmaßstab nicht recht zur Geltung kommen läßt.

Was die in Abbildungen gebotenen Beispiele neuer und
neuster Kirchenbauten betrifft, so vermag der Rezensent einige
Bedenken nicht zu unterdrücken, zumal der Autor annimmt, „daß
die Zukunft die strenge Auswahl rechtfertigen wird". Daß eine
Auswahl getroffen worden ist, kann nur begrüßt werden, denn es
gibt Publikationen genug, die einer ratlosen Leserschaft unbekümmert
rechten und schlechten Kirchenbau kommentarlos als
Bestandsaufnahme anbieten. In solchen Fällen verbirgt sich
hinter dem Deckmantel wissenschaftlicher Objektivität meist das
Unvermögen, zu sichten und zu werten. Hingegen der Autor unseres
Buches ist Kunstkritiker von Beruf und zeigt sich über die
bald dreißigjährige Diskussion zum Kirchenbauproblem bestens
informiert. Gerade deshalb wundert man sich, daß z. B. die
Münchner Matthäuskirche, die neue Kathedrale von Coventry,
die Vatikan-Kirche der Brüsseler Weltausstellung Yor dem Maßstab
einer „strengen Auswahl" haben bestehen können. Das
gleiche Bedenken muß gegen manche abgebildete Glas- und
Wandmalerei angemeldet werden, die im Vergleich zu den Leger-
Fenstern von Audincourt nicht bestehen kann. Dem Rezensenten
ist gewiß nicht entgangen, daß der Autor im Text zu mancher
Abbildung kritische Bemerkungen macht, aber damit wird leider
die Gefahr nicht gebannt, daß unkundige Leser, die doch dem
Buch in großer Zahl zu wünschen sind, zunächst als Betrachter
der Bilder womöglich in die Irre gehen.

Kassel Stephan H i r z e 1

Djuric, V. J.: Über den „Cin" von Chilandar.

Byzantinische Zeitschrift 52, 1960 S. 333—351.
Palla s, D. I.: Une petite recherdie dans le diaconion de la basilique B

de Philippes.

Byzantinische Zeitschrift 52, 1960 S. 328—332.
Sedlmay r, Hans: Michelangelo — ein Zugang zu seiner Kunst.
Universitas 16, 1960 S. 137—150.

LITURGIEWISSEN SCHAFT

Diestclmann, Jürgen: Konsekration. Luthers Abendmahlsglaube
in dogmatisch-liturgischer Sicht. An Hand von Quellenauszügen dargestellt
. Berlin: Luth. Verlagshaus 1960. 84 S„ 1 Abb. 8° = Luthertum
. Eine Sdiriftenreihe, hrsg. v. W. Zimmermann u. a., 22.

Die vorliegende Untersuchung versteht sich als Äußerung
zum gegenwärtigen Abendmahlsgespräch, wie es etwa im deutschen
Raum in den „Arnoldshainer Thesen" einen wesentlichen
Punkt erreicht hat. Gegenüber diesen Thesen, durch die nach Meinung
des Verfs. „nicht nur Luther, nicht nur eine grundlegende
Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche und nicht nur die abendländische
vorscholastische Tradition verleugnet [wird], sondern
Christi eigenes Wort selbst" (61), will diese Arbeit „einen klärenden
Beitrag für die derzeitige Diskussion in der Abendmahlstheologie
liefern" (9), indem sie einen für Luther wesentlichen
Aspekt seiner Abendmahlslehre herausgreift, nämlich die Konsekration
, und hier den dogmatischen Gehalt und einige sich dar-
I aus ergebende liturgisch-gottesdienstliche Konsequenzen dar-