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Ausgabe:

1961 Nr. 5

Spalte:

372-374

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Biedrzynski, Richard

Titel/Untertitel:

Kirchen unserer Zeit 1961

Rezensent:

Hirzel, Stephan

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 5

372

GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST

Meer, F. van der, u. Christine Mohrmann: Bildatlas der frühchristlichen
Welt. Deutsche Ausgabe hrsg. und übers, von Heinrich
Kraft. Gütersloh: Gerd Mohn [1959]. 216 S. m. 614 Abb. u. 42
Ktn. 2°. Lw. DM 48.-.

In Geschichtsatlanten und historischen Kartenwerken werden
gewöhnlich die Karten mit den Texten und Erläuterungen 60
verbunden, daß dadurch Geschichtsphasen und Kulturen zur selbständigen
historischen Aussagen werden. Meistens geschieht dies
durch Aufteilung in Epochen, Gebiete, Stätten usw. Der „Große
Historische Weltatlas" des Bayerischen Schulbuchverlages ist dafür
ein Musterbeispiel. Zuweilen werden auch die geschichtlichen
Gegebenheiten auf einem einzigen großen Kartenblatt zusammengefaßt
, so z. B. in „Lands of the Bibel today" with historical
notes, compiled and drawn in the Cartographic Section of the
National Geographie Society for the National Geographie Magazin
, Washington, Dec. 1956, einem Blatt, welches den östlichen
Mittelmeerraum umfaßt und wegen seiner Klarheit und Genauigkeit
zu den wissenschaftlichen Reisekarten gerechnet werden kann.

Über solche Werke hinaus erfreuen sich in jüngster Zeit
jene Atlanten einer steigenden Beliebtheit, die zu den Karten
und Texten auch noch Bilder von Landschaften und Kulturzeugnissen
in photographischen Aufnahmen bieten. Auf dieser Verbindung
, welche geschichtliche Ereignisse, Lebenswege einzelner
Persönlichkeiten und den landschaftlichen und kulturellen Hintergrund
veranschaulicht, beruhen der praktische Wert und die ver-
legerischen Erfolge der sogenannten „Bildatlanten", von denen
aus bibliographischen Gründen die bekanntesten genannt seien,
zumal darin besonders klar wird, wie sehr Religions-, Kirchen-
und Kunstgeschichte zusammengehören:

(1) The Westminster Historical Atlas to the Bibel, Philadelphia 1946;

(2) Atlante Storico della Bibbia, a cura dei Padrei Paulin Lemaire e
Donato Baldi, Studium Biblicum Franciscanum di Gerusalemme
(Marietti ed.) 1955;

(3) Luc. H. Grollenberg O. P., Atlas van de Bijbel, Amsterdam-Brüssel,
(Elsevier), 1955, der als

(4) Bilderatlas zur Bibel, von Herrn. Eising ins Deutsche übersetzt,
im Gütersloher Verlagshaus bereits in 3. Auflage erschien;

(5) Atlas of the Classical World, ed. A. A. M. van der Heyden and
H. H. Scullard, London - Edinburgh (Thomas Nelson), 1959, der auch
in theologischen Bibliotheken nicht fehlen sollte.

Der hier besprochene Bildatlas ist ursprünglich in holländischer
Sprache (F. van der Meer — Christine Mohrmann, Atlas
van de ouddiristlijke Wereld, Amsterdam [Elsevier]) und alsbald
auch in englischer Sprache (Atlas of the Early Christian World,
translated and edited by Mary F. Hedlund and H. H. Rowley,
London [Nelson] 195 8) erschienen. Bei der nun vorliegenden
deutschen Ausgabe sind zunächst die gute Übersetzung und die
Bearbeitung durch den Kieler Kirchenhistoriker Prof. H. Kraft
dankbar zu würdigen. Er selbst schreibt in seinem Vorwort: „Es
gehört zu den Zielen historischer Darstellungskunst, die Quellen
nicht nur zu erklären, sondern sie in einer Art vorzuführen,
nach der sie sich weithin selbst auslegen. Dieses Ziel ist hier ...
in einmaliger Weise erreicht. Der Leser erhält. . . ein Bild, das
geeignet ist, vom Teilhaben an unserer Kultur weiterzuführen zu
ihrem Verständnis."

Der Text, der die Landkarten, Bilder und Schriftdokumente
verbindet, ist in drei Kapitel gegliedert: I. Die Kirche der Märtyrer
, 30—313, II. Die Reichskirche, 313-600, III. Die Kirchenväter
und die altchristliche Literatur. Jedoch wird keine eigentliche
Kirchengeschichte gegeben, denn gemäß dem Anliegen der
Verfasser und Herausgeber, F. G. L. van der Meer, Professor der
Christlichen Archäologie und Kunstgeschichte in Nymwegen, und
Christine Mohrmann, Professor für Alte Sprachen in Nymwegen
und Amsterdam, soll die Welt des frühen Christentums von
innen heraus, von ihren Monumenten und Dokumenten her zum
Verständnis gebracht werden.

Mit Recht stehen die Karten am Anfang. Josef Nadler sagte
einmal über eine Literaturkarte: „Sie ist nicht Begleiterin des
Textes, nicht Illustration, nicht graphischer Begriff, sondern sie
ist im wahrsten Sinne Methode, sie ist Erkenntnismittel, ja sie

ist Prämisse des Textes". Die 42 sechsfarbigen Karten zeigen das
Römische Imperium in Europa, Afrika und Asien mit seinen
Provinzen und Präfekturen und die Ausbreitung der christlichen
Gemeinden in den ersten sechs Jahrhunderten; 6ie weisen auf
Fundstätten, bedeutende Baudenkmäler, Bistümer und klösterliche
Niederlassungen, Wirkungsbereiche der Kirchenväter und
Zentren bildender Kunst. So wird das geistige und künstlerische
Schaffen der frühen Christenheit örtlich und zeitlich klar eingeordnet
und in seinem Zusammenhang mit der Umwelt überschaubar
, Städte und Länder werden kirchenhistorisch lebendig.
Eine Karte zeigt z. B. die Wirkungsstätten altchristlicher Schriftsteller
und zählt die Namen und wichtigsten Lebensdaten jeweils
neben den betreffenden Orten auf, eine andere veranschaulicht
im besonderen den Wirkungsbereich Augustins.

Die optische Einprägsamkeit solcher kartographischer Übersichten
wird noch erhöht durch den Bilderteil des Werkes, der
eine gute Auswahl sowohl von Schöpfungen der bildenden Kunst
als auch von Inschriften und Handschriften vermittelt. Auf
Grund jahrelanger und mühsamer Vorarbeit — das kunstgeschichtliche
Material stammt zum Teil aus nicht weniger als
80 Museen — erfolgt hier eine wirklich umfassende Zusammenstellung
kulturgeschichtlichen Tatsachen- und Anschauungsmaterials
, wobei durch den klar geschriebenen und durch Zitate ergänzten
Text und das sorgfältige Detail der Bilderläuterungen
jedes Objekt in den richtigen Sinnzusarimenhang gerückt wird.
Auf Wiedergabe von Grundrissen und Rekonstruktionen, die
mehr den archäologischen Fachmann interessieren würden, haben
die Herausgeber absichtlich verzichtet; auch ging es ihnen bei
der Bildauswahl mehr um Anschaulichkeit als um photographische
Sdiönheit (wiewohl z. B. die Zusammenstellung der Taufkapellen
und Piszinen ausgesprochen schön ist!). Natürlich kann vieles nur
in Stichproben gegeben werden; und hier liegen freilich gewisse
Grenzen. Man könnte z. B. fragen, warum Elfcnbeinpyxiden
fehlen, warum dagegen zwischen die Abbildungen von Werken
der justinianischen Zeit eine sasanidische Silberschale mit der
Bilderläuterung „Der Feind, Chosroes II. auf der Jagd" geschoben
wurde, oder warum fünf lehrreiche Abbildungen aus Grado gebracht
werden, während eine Gesamt-Innenansicht von S. Apollinaris
in Classe fehlt. Jedoch sind dies verschwindend geringe
Mängel angesichts der großartigen Gesamtheit der — zum Teil
erstmalig hier veröffentlichten — Illustrationen. Sogar das östlichste
Denkmal der alten Christenheit, der nestorianische Stein
in Singanfu in China mit Inschrift aus dem 7. Jhdt., fehlt nicht.

Die Erläuterungen sind knapp und verständlich, die Anordnung
übersichtlich und die Auffindung jedes Namens, Ortes und
Bildes infolge der gründlichen Register — das geographische allein
enthält annähernd 5000 Ortsnamen — denkbar einfach. Ein Hinweis
jedoch für Bearbeiter solcher Atlanten: die Beschriftungen
auf den Karten sind zwar gut leserlich, aber für die Projektion
in Diapositiven leider etwas zu klein. —

Jedenfalls wird dieser „Bildatlas" dem betrachtenden Theologen
und Lehrer eine größere Hilfe sein als manches Kompendium
und Handbuch. Und wo anders wird auch der Lehrer und
Student durch das Material selbst so 6ehr zum geistigen Mit- und
Nachvollzug angeregt wie hier? Vor allem hierin liegt der große
pädagogische Wert des Bildatlas. Zugleich aber dient 6olche
Zusammenschau, wie er sie vermittelt, der Erkenntnis des spezifischen
Wesens der christlichen Kunst, des Aufblühens eines neuen
Geistes unter der zunächst noch ganz antiken Form. Hier wird,
wie Freiherr von Campenhausen sagt, „das Phänomen der alten
Kirche in seiner ganzen Breite sichtbar gemacht".

Rom E. Adalbert Voretzsch

Biedrzynski, Richard: Kirchen unserer Zeit. Aufnahmen von Helga
Schmidt-Glassner. München: Hirmer Verlag [1958]. 127 S.
m. 73 Abb., 12 Farbtaf., 148 Schwarz-weiß-Taf. 4°. Lw. DM 38.—.

In dieser Zeitschrift, weil sie von Theologen gelesen wird,
auf das Buch aufmerksam zu machen, erscheint dem Rezensenten
nützlich und wichtig genug. Man sagt, in den 16 Jahren seit
Kriegsende seien bei uns zulande neue Kirchen in so großer
Zahl wie nie zuvor in einem annähernd gleichen Zeitabschnitt
entstanden. Daß die Architektenschaft für diesen Vorgang lebhaftes
Interesse zeigt, dafür zeugen ihre Fachzeitschriften, wie-