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1961 Nr. 5

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Ökumenik, Konfessionskunde

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 5

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sehen sozialen Umbruch, seinen menschenwimmelnden Städten,
seiner zunehmenden Industriealisierung, seiner weitoffenen
Grenze, seinen tausenden von Einwanderern... Der Ausgangspunkt
für das Verständnis des dienenden Volkes ist christolo-
gisch ... Die Botschaft der Kirche ist eine Person: Jesus Christus.
Durch sein dienendes Volk setzt er seinen rettenden Dienst fort,
ist er durch den Geist in seiner Vollmacht gegenwärtig, richtet
er alle menschlichen Normen und Maßstäbe, zerschlägt er alle
falsche Sicherheit... ,Die Kirche muß heraus aus der Stagnation
, wir müssen wieder hinaus in die freie Luft der intellektuellen
Diskussion mit der Welt; wir müssen es wagen, die Leute
zu schockieren, wenn wir sie beeindrucken wollen' " (S. 75 ff.).
Mit diesen letzten Worten des deutschen Märtyrer-Theologen
Bonhoeffer schloß das erste Hauptreferat des Systematikers aus
Princeton. Der Geist deutscher Theologie zeigte seine Lebendigkeit
in nahezu allen Vorträgen und Beratungen.

Münster/Westf. Paul Jacobs

Lortz, Joseph: Einheit der Christenheit. Unfehlbarkeit und lebendige
Aussage. Trier: Paulinus-Verlag 1959. 72 S. gr. 8°. Kart. DM 3.80.

Die in dieser Schrift zusammengestellten Aufsätze, zuerst
erschienen in der Trierer Theologischen Zeitschrift 1959,
Heft 1. 2. 4., 6ind ein aufschlußreicher Beleg für den Ernst, mit
dem sich katholische Theologen wie Lortz um den Begriff der
Einheit der Christenheit als Voraussetzung jeder praktischen
Verwirklichung dieser Einheit bemühen. Nach einigen grundsätzlichen
Bemerkungen zur kontroverstheologischen Methode
und zum Selbstverständnis der Reformation (nach Rückert) beschäftigt
sich ein I. Teil mit dem katholischen Begriff der Einheit
des Christentums, ein II. Teil mit der neueren evangelischen
Kritik (Lackmann, Schnell, von Loewenich, Mühihaupt) an diesem
katholischen Begriff. Ein wesentliches Anliegen der vorliegenden
Abhandlung ist der Versuch, den Begriff der einen
und unantastbaren christlichen Wahrheit so zu fassen, daß „die
lebendige, ja auch bedrohende Vielfalt" der biblischen Aussagen
darin Raum hat. „Eine einseitig intellektualistische Auffassung
der christlichen Wahrheit würde der Fülle des lebendigen
religiös-prophetischen Bibeltextes nicht gerecht... Die
Korrektheit der Formel ist noch nicht Wahrheit". Im Anschluß
an Henry Newmann spricht Lortz ausführlich von den „Spannungen
", die der christlichen Wahrheit innewohnen, und den
Unvollkommenheitcn ihrer Verwirklichung. „Auch die Einheit
der Wahrheit wurde in der Kirche auf unvollkommenen
Wegen erreicht und erhalten". Es ist notwendig, den (überall
vorausgesetzten) Begriff der Unfehlbarkeit des kirchlichen Lehramtes
60 zu fassen, daß die lebendige und „flexible" Aussage
dabei gewahrt wird. — In der Analyse der reformatorischen
Stellungnahme behauptet Lortz im Gegensatz zu Rückert (Protestantismus
als „gebrochene Teilnahme an der einen unsichtbaren
Kirche Christi, in der Konfessionen verschiedener Lehre
nebeneinander stehen" S. 13) die grundsätzliche dogmatische Intoleranz
der Reformation, so daß „nicht einmal ein Ansatzpunkt
zu einer relativistischen Deutung (der Wahrheit) in ihr gefunden
werden kann" (S. 43). Von hier aus stellt Lortz fest, daß der gemeinsame
reformatorische Besitz größer und stärker ist, als die
(katholische) Polemik das zumeist zugegeben hat (S. 44), und
findet auch positive Worte über die „evangelisch-anglikanisch -
ökumenische Bewegung" als einen kirchengeschichtlichen Vorgang
ersten Ranges.

Es scheint mir für das Gespräch zwischen den Konfessionen
bedeutsam, daß hier ein Begriff der Wahrheit und (darauf gegründeten
) Einheit vorgetragen wird, der bemüht ist, die großen,
intellektuell nicht aufzulösenden Spannungen innerhalb der
biblisch-prophetischen Aussagen in sich aufzunehmen. Aber — so
werden wir fragen müssen — wo liegt die Grenze zwischen diesen
„Spannungen" und jenen „Widersprüchen", die dem Protestantismus
zur Last gelegt werden, und die seine Einheit angeblich
in Frage stellen? Was im Grunde hindert den Verfasser, auch für
den Protestantismus gelten zu lassen, was er in anderem Zusammenhang
sagt: „Wir vergessen nicht einen Augenblick jene
alles grundlegende innere Einheit im Herrn, derer nämlich, die im
Glauben und Liebe Ihm verbunden sind; wir vergessen nicht, wie
diese durch Ihn bewirkte innere Verbundenheit fähig ist, auch

die äußeren Unterschiede und Unterschiede des Glaubens aus
einer letzten Tiefe zu überbrücken und sich zu dokumentieren"
(S. 58). Wird dieses nicht doch dann, wenn nicht vergessen, so
doch in seiner Tragweite nicht wirklich ernst genommen, wenn
man der Meinung ist, daß es eben doch möglich sei, das Wesentliche
der Wahrheit in der Form einer „fertigen" Wahrheit verbindlich
auszusprechen, und wenn hinter all dem ein selbst der
Spannung entzogenes Amt steht, das in seinem innersten Kern
dem Irrtum und der Sünde (!) entnommen ist? Mir scheint, daß
hier ein bestimmter Wahrheitsbegriff den Verfasser hindert, aus
seiner Einsicht in den spannungsreichen Charakter der Offenbarung
die unausweichlichen Konsequenzen für den Begriff der
Einheit der Kirche zu ziehen.

Aus der Reihe der Anmerkungen, die in der Fortsetzung des
hier geführten Gesprächs zu machen wären, seien wenigstens zwei
ausdrücklich genannt: Die Behauptung, von der „Absage des
Protestantismus an die seit über tausend Jahren bestehende Form
der Kirche" (S. 14) wird durch die unermüdliche Wiederholung
nicht wahrer, da ja viel eher von der Absage des kirchlichen Lehramtes
an das „katholische" Anliegen der Reformation gesprochen
werden müßte. Und die von niemand bestrittene Tatsache,
daß spiritualistische Ansätze zu Luthers Wesen gehören, rechtfertigt
keinesfalls die Behauptung, daß das Reformatorische 6ich
als ein „spiritualistisches Denken gegenüber dem gemäßigten
Realismus katholischer Denkart" kennzeichne.

Aber abschließend muß gesagt werden, daß die Anerkennung
von den in der biblischen Wahrheit selbst enthaltenen
Spannungen und ihrer Fülle in der Tat ein fruchtbarer Ansatz
zur Überwindung eines einlinigen intellektualistischen Begriffs
der Wahrheit ist; die Konsequenzen dieser Erkenntnis für das
Verständnis der Einheit der Kirche sind hier aus den angedeuteten
Gründen nicht wirklich gezogen.

Rimsting/Chiemsee Wilhelm S t ä h 1 i n

Svenskt kyrkoliv i Finland. 38. Jahrg. Helsingfors 1959.
Förbundet för svenskt församlingsarbete. 163 S., 40 Abb. 8°.

Auch dieser Jahrgang reiht sich würdig an die bisher hier
angezeigten an. Der Deutsche betrachtet nicht nur Papier und
Ausstattung mit einem gewissen Neid; ein inhaltreiches Weihnachtsgeschenk
wird jährlich einer Seelenzahl von etwa 400 000
geboten. Församlingsbladet, das umfangreiche Gemeindeblatt,
ging zu 22 000 schwedischen Heimen in Finnland.

Aufmerksamkeit verdient die Antrittsvorlesung von Prof.
Helge Nyman in Abo: Die Theologie des kirchlichen Innenraumes.
Ein geschichtlicher Überblick sowie Luthers Erneuerung des
Gottesdienstes fordern, das Kirchen-Innere neu zu ordnen. Aber
alle liturgischen Änderungen brauchen ihre Zeit. Leider geht
Verf. nicht auf Luthers Predigt zur Weihe der Schloßkirche in
Torgau ein.

Wilhelm Schalin berichtet an Hand von fortschreitenden
Erneuerungsarbeiten aus der 700jährigen Geschichte des Domes
von Borgä. — Seite 105 bringt ein Bild von der feierlichen
Wiedereröffnung der deutschen Kirche in Helsingfors im Sept.
1959, die im Mai 1958 durch Brand zerstört war. — Die westfälische
Kantorei unter Prof. W. Ehmann wirkte mit bei den
ersten Kirchenmusiktagen der Akademie (Universität) Abo. —
Diese Akademie traf ein schwerer Verlust: im Alter von 55 Jahren
starb der Prof. der Kirchengeschichte Wolfgang Amadeus Schmidt.

Leipzig Friedrich Os ta r h i) d

Bratsiotis, Panagiotis: Die Theologen-Bruderschaft „ZOfi".

Zeitschrift f. Religions- u. Geistesgeschichte XII, 1960 S. 371—384.
— Das Alte Testament in der Griechisch-Orthodoxen Kirche.

Trierer Theologische Zeitschrift 70, 1961 S. 29—41.
Giampiccoli, F.: Ecumenismo Cattolico e Concilio Vaticano II.

Protestantesimo XV, 1960 S. 218—221.
Johansen, Alf: Bulgarian Orthodox Theology.

Internationale Kirchliche Zeitschrift 50, 1960 S. 239—247.
S c h a e d e r. Hildegard: . Moskau — das Dritte Rom" heute?

Junge Kirche 21, 1961 S. 11—20.
Schott, E.: Zur Grundlegung der Konfessionskunde.

Neue Zeitschrift für Systematische Theologie 2. 1960 S. 364—386.
Subilia, Vittorio: II Protestantesimo nel giudizio del Cattolicesimo.

Protestantesimo XV. 1960 S. 208—218.