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1961 Nr. 5

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Kirchengeschichte: Neuzeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 5

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noch zugefügt werden, daß der Neustoizismus noch viel bestimmender
in jener Zeit gewesen ist, als dort deutlich wird. Das mag
hier genügen.

Doch soll diese Grundsatzüberlegung, ob die Urteilskatego-
rien, welche die Verfasserin anwendet und die sie selbst nicht
absolut setzen möchte, — dazu ist sie zu umsichtig —, keineswegs
das verdunkeln, daß hier zur Frömmigkeitsgeschichte eine Arbeit
vorliegt, die eine reiche und durchaus zutreffende Fülle wichtiger
Einzelbeobachtungen vorlegt, so daß diese Untersuchung bei
einer Behandlung dieses Zeitraumes nicht mehr zu übersehen ist.
Wir wünschen uns vielmehr noch eine ganze Anzahl gleich umfassender
und großangelegter Forschungen zur Geschichte der
Frömmigkeit. An Anregungen, hier speziellen Einzelthemen nachzugehen
, fehlt es auch in der besprochenen Arbeit nicht.

München Erich B e y reu t h e r

B i e m e r, Günter: Die doppelte Suffizienz der Glaubensquellen und
ihre Bedeutung nach Kardinal Newman.

Tübinger Theologische Quartalschrift 140, 1960 S. 385—409.
Conzemius, Viktor: „Römische Briefe vom Konzil".

Tübinger Theologische Quartalschrift 140, 1960 S. 427—462.
Mattmüller, Markus: Religiöser Sozialismus. Parteizugehörigkeit

und christliches Gewissen im Denken und Leben von Leonhard Ragaz.

Zeitschrift für evangelische Ethik 1960 S. 321—341.
N i e m ö 11 e r, Wilhelm: Von der Dahlemer Synode bis zur Gründung

der ersten Vorläufigen Kirchenleitung.

Evangelische Theologie 21, 1961 S. 68—92.
Philipp, W.: Das System Eduard Zellers und die Existenzmetaphysik.

Neue Zeitschrift für Systematische Theologie 2, 1960 S. 285—300.
Preus, R.: The Justification of a Sinner before God a« Taught in

Later Lutheran Orthodoxy.

Scottish Journal of Theology 13, 1960 S. 262—277.
Vogel, Heinrich: Die Bergpredigt von Jasnaja Poljana.

Kirche in der Zeit 16, 1961 S. 52—54.
Weißenberge r, Paulus: Lorcher Handschriften in Neresheim.

Tübinger Theologische Quartalschrift 140, 1960 S. 304—320.

KIRCHEN- L//VD KONFESSIONSKUNDE

L ü p s e n, Focko, Dr.: Sao Paulo Dokumente. Berichte und Reden auf
der 18. Generalversammlung des reformierten Weltbundes in Sao
Paulo 1959 hrsg. Witten/Ruhr: Luther-Verlag [1959]. 157 S. 8°.
Kart. DM 6.80.

Der Herr ein Knecht, wir seine Knechte! So lautete das
Generalthema von Sao Paulo. Eine für die Theologie wie für
den Auftrag der Christen unserer Tage in gleicher Weise hellsichtige
Aussage. Wer die Lage von Theologie und Kirche in
der Welt kennt, wird diesem Thema eine besondere Aktualität
zubilligen müssen. Die Theniasteller haben ihr Ohr an das gelegt
, was die Welt von den Kirchen erwartet und was in der Tat
auch immer eine zentrale und heute vordergründige Aufgabe
der Kirche ist: die dienende Liebe in jedem Bezug. Darüber hinaus
stellt das Thema ein wesentliches Anliegen des reformierten
Bekenntnisses seit Calvins Tagen dar: Die reformierte Kirche
hat, sofern sie ihrem Bekenntnis getreu ist, von ihrem geschichtlichen
Auftrag her zu den großen Fragen der Welt an die Kirche
und zu der großen Aufgabe der Kirche an die Welt Entscheidendes
zu sagen. In diesem Sinne haben die vielen Hundert Delegierten
aller Zungen in Sao Paulo Gemeinschaft gefunden, sich
beraten und Beschlüsse gefaßt. Die vorliegende Dokumentensammlung
gibt davon ein objektives, beredtes Zeugnis. Es fand
bereits in den Kundgebungen des Kongresses selbst ein weltweites
Echo, das zur besonnenen, aber entschlossenen Tat aufruft
. So heißt es in der Botschaft, die der Kongreß ergehen
ließ: „Als Abgesandte von 78 Kirchen aus 53 Ländern sind wir
zur Generalversammlung des Reformierten Weltbundes in Sao
Paulo zusammengekommen und haben in unserem gemeinsamen
Glauben und Erbe eine beglückende und uns innerlich reich
machende Gemeinschaft und Freundschaft gefunden. Solchen
Schatz möchten wir mit allen Gliedern unserer Kirche teilen . ..
Der gehorsame Dienst, den Gottes Volk dem Herrn, der unser
aller Diener ist, zu leisten hat, wurde uns besonders an zwei
Stellen deutlich: einmal in der ökumenischen Verantwortung der
Kirche: Im Lichte der Versöhnung betrachtet, sind alle Formen,

Ordnungen, Überlieferungen und Lehren der Kirche gerufen,
sich erneuern zu lassen... zum anderen in unserem Tagewerk:
In unseren gegenwärtigen Spannungen und Spaltungen sind wir
aufgerufen, zu verkündigen und die Leute spüren zu lassen, daß
Jesus Christus uns das volle und echte Menschsein wiedergebracht
hat" (7/8).

Das Moment einer echten und tiefen Brüderlichkeit beherrschte
den Geist der Konferenz 6owohl hinsichtlich früherer
Kriegsgegnerschaft wie hinsichtlich des Rassenproblems. Beschlüsse
wurden nur gefaßt, wenn allgemeine Übereinstimmung
erzielt worden war. Glieder des Exekutivkommitees wurden
nur gewählt, wenn die Farbigen wie die Weißen gleichermaßen
zustimmen konnten. Die Gemeinschaft des Weltbundes überbrückte
die Unterschiede der Rassen wie der Politik. Es waren
Abgeordnete aus Polen, Rumänien und der Tschechoslowakei
nach Sao Paulo gekommen. Vertreter aus der DDR und Ungarn
waren nicht anwesend.

Die Tagung nahm Berichte über die Lage der Kirche in aller
Welt entgegen, auch über die Bedrängnis der Evangelischen in
Spanien und Kolumbien. Der spanische Delegierte erzählte in
bewegten und zu Herzen gehenden Worten von Glaubensmut
und Sieg des Evangeliums in Spanien. Er bat die Konferenz, der
spanischen Brüder zu gedenken, aber nicht darum zu beten, daß
die Last von ihnen genommen werde, sondern daß die Brüder ihre
Prüfung bestehen, damit das Evangelium weiter zum Sieg
gelange.

Und der Abgeordnete aus Kolumbien berichtete von den
ersten Anzeichen eines Sieges. Die Verfolgung ist bereits als gescheitert
anzusehen. Bibeln werden verbreitet, Bibelstunden gehalten
, und zwar beides nun auch von der katholischen Kirche.
So hat das Martyrium in Kolumbien zu einer gewissen inneren
Reformation in der katholischen Kirche Kolumbiens geführt. —
Das alles steht hinter den Dokumenten, auch wenn es keinen
literarischen Niederschlag in ihnen gefunden hat.

Der Inhalt der Dokumentensammlung umfaßt Berichte (I),
Vorträge (II) und die Eröffnungspredigt des bishrigen Präsidenten
. Die Berichte stellen die Arbeitsergebnisse der einzelnen
Arbeitsgruppen dar, in die sich die vielen hundert Teilnehmer
gliederten. Abgesehen von der Behandlung des Hauptthemas,
wurde besonders nach dem Dienst der Theologie, nach dem
Dienst Christi und der Gestalt der Kirche, nach dem Dienst des
Christen, besonders des Laien, und nach dem Dienst des Staates
gefragt. Dabei wurde der Arbeit der Frau spezielle Aufmerksamkeit
zugewendet, wie denn auch der Kongreß — zum ersten Mal
in der Geschichte der ökumenischen Bewegung! — eine Frau beauftragt
, vor dem Plenum ein Hauptreferat zu halten und —
wiederum zum ersten Mal in der Geschichte der ökumenischen
Bewegung — eine Frau zum Vizepräsidenten wählte. —

Wir zitieren aus der Fülle und dem Reichtum der Vorträge
einige charakteristische Sätze: Thomson aus Canada: „Luther
beginnt seine Schrift ,Von der Freiheit eines Christenmenschen'
so: ,Daß wir gründlich mögen erkennen . . . ein Christenmensch
ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand Untertan, ein
Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann
Untertan.' Das ist kein Paradoxon; es steht vielmehr im
Herzen unseres Themas. Wir sind zum Dienen befreit" (113).
So hat dieses Lutherwort bei der Thematik des reformierten
Weltkongresses Pate gestanden und die deutsche Wiedergabe des
Englischen „The servant Lord — his servant people" sogar wörtlich
bestimmt. — De Cretzer aus Ceylon: „Paulus bekennt, daß
er ein Sklave aller Menschen ist. In meiner Heimat Ceylon können
viele von uns diesen Ausdruck vielleicht lebendiger verstehen
als manche von Ihnen. In vielen Familien unserer Mittelschicht
sind die Diener 24 Stunden am Tag dienstbereit... All
dies klingt in dem Wort an, mit dem Paulus seinen Christusdienst
beschreibt. Aber wir täten gut daran zu bedenken, daß
Paulus diesen Ausdruck mit der gleichen Freude gebraucht, mit
der etwa ein junger Mann der geliebten Frau versichert, er werde
6ein Leben lang ihr ,Sklave' sein" (87 f.). — Und McCord aus
USA: „Die Kirche unserer Zeit ist introvertiert; sie hat ein esoterisches
theologisches Vokabular für Eingeweihte entwickelt
und das Gespräch mit der Welt abgebrochen. .. Was hat z. B.
die Kirche unserem Gastlande zu sagen, Brasilien mit seinem ra-