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Ausgabe: | 1961 Nr. 5 |
Spalte: | 354-355 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie |
Autor/Hrsg.: | Beck, Hans-Georg |
Titel/Untertitel: | Kirche und theologische Literatur im byzantinischen Reich 1961 |
Rezensent: | Ivánka, Endre |
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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 5
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besonders positiv in Erscheinung; viele der in diesem Zusammenhang
getroffenen Feststellungen scheinen mir indes sehr stark von
Mausbach, Dinkler — mit dem Verf. sich aber sehr kritisch auseinanderzusetzen
sucht (S. 144, A. 17) —und anderen vorbereitet zu
sein, so daß es Schaffner nur vorbehalten blieb, das Fazit zu ziehen.
Und ob er dies überall in hinreichendem Maße getan hat, bleibt zu
erörtern. Mir erscheint es erforderlich, daß einmal — jedenfalls bleibt
dies ein Desiderat —, um die Eigenleistung Augustins noch deutlicher
hervortreten zu lassen, eine genauere Konfrontierung mit
den zeitgenössischen Kirchenschriftstellern vorgenommen wird
und daß zum anderen die von Origenes herkommende Linie genauer
verfolgt wird. Wichtig wäre auch eine Parallelisierung
Augustins mit der „Demutslehre" der christlichen Biographie, die
vom Wertesy stem wie vom Psychologisch - Charakterologischen
her — also eigentlich doppelbödig — immer wieder auf die Humili-
tas hingewiesen wird. Kennzeichnenderweise erwähnt Schaffner
Augustins Biographen Possidius nicht einmal, obwohl von hier
aus doch auch die Möglichkeit bestanden hätte, zwischen Lehre
und Leben Augustins zu vergleichen. Und dies wäre auch bei dem
behandelten Thema erforderlich, denn warum sollte man die
Spannung zwischen Augustins in ihren Forderungen und Feststellungen
„optimalen" Demutslehre und seiner oft intoleranten
und sogar haßerfüllten Haltung (hierzu etwa S. L. Greenslade
und C. Schneider) verschweigen? Gewiß verführt die systematische
Behandlung der Demutslehre besonders angesichts der
Verstreutheit des Materials über viele Einzelwerke zu strenger
Auswahl — aber warum sollte man gerade die Stellen — vor
allem aus den Briefen — auslassen, die Spannungen und Widersprüche
innerhalb der Lehre oder zwischen Lehre und „Anwendung
" zeigen? Eine an beliebiger Stelle eingeblendete Abhandlung
über die „Bewährung" der Augustinischen Demutslehre in
der Alltagspraxis wäre dem Gegenstand auf jeden Fall zugute
gekommen. Es hätte sich dann auch der soziale Bezug der Demut,
den Verf. gerade nur andeutet (etwa S. 51 f. und 216), vor allem
an Formulierungen wie der von den „divites humiles" (Sermo
14,4), die m. E. voller hintergründiger (im letzten menschlich
durchaus verständlicher) Dialektik steckt, stärker und profilierter
herausheben lassen. Von hier aus ist leicht ein Übergang zur
Besitzlehre geschaffen, die das eigentliche Thema natürlich nur
ganz am Rande berührt.
Die fundierte Arbeit Schaffners läßt also durchaus Fragen offen
oder wirft neue auf, die nun mindestens zu beantworten sind. Hoffentlich
können sie künftig auch in der Reihe Cassiciacum Berücksichtigung
finden. Einige Worte nur zu Einzelheiten: Die häufige oder generelle
Gleichsetzung superbia = Stolz stellt eine zu große Abschwächung dar
(vgl. S. 75). Da S. 116 immerhin auf eine Analyse des Kindesalters
hinkommt, wäre wenigstens ein Hinweis auf die viel kritischere Aussage
in den Confessiones (bes. I, 7) möglich gewesen. Da Schaffner sonst
ziemlich breit ist, hätten wünschenswerte Parallelen den Rahmen des
Ganzen bestimmt nicht gesprengt. S. 168 halte ich die „negative"
Gleichsetzung von coneupiscentia und ignorantia nicht für berechtigt;
erstere ist innerhalb des Augustinischen Systems doch ungleich wichtiger
(vom „Aufstand der Triebe gegen das Geistige (sie!) im Menschen
" zu sprechen, wie es in demselben Zusammenhang geschieht,
erscheint in der Formulierung unglücklich).
Halle/Saale Hans-Joachim D ies ne r
A u g u s t i n : Bekenntnisse. Übertr. und eingeleitet von H. H e f e 1 e.
Berlin: Union-Verlag [1959]. 467 S. 8°. Lw. DM 9.80.
Die „klassische" Übersetzung von Augustins Confessiones
durch Herman Hefele, die der Union-Verlag — äußerlich sehr
ansprechend — in einer Lizenz-Ausgabe vorlegt, wird gewiß auch
heute noch ihre Freunde und Liebhaber finden. Denn die sprachliche
Schönheit dieser Verdeutschung, die immer wieder gerühmt
worden ist, kann auch jetzt noch befriedigen, wenn sie auch
oft auf Kosten der Genauigkeit geht, so daß der Inhalt hinter
der Form zurücktritt. Neuere Übersetzungen wie die von H.
Schiel haben diesem Mangel inzwischen wesentlich abgeholfen
(was nicht übersehen werden darf). Trotzdem ist Hefeies Übersetzung
noch lesenswert und lohnend, und die eigenwillige und
geistvolle Einleitung regt an vielen Stellen immer wieder zur Beschäftigung
mit Augustin, zur Analyse seines Lebens und seines
Werkes, an. Natürlich hat die Einzelforschung viele Hinweise
und Behauptungen Hefeies inzwischen berichtigen können, ist
dafür aber auch der einheitlichen Konzeption Hefeies (die aus
Einleitung wie Übersetzung hervortritt) verlustig gegangen —
unvermeidliches Schicksal wohl jeder späten Forschergeneration.
Übrigens ist mancher Hinweis Hefeies auch weiterverfolgt
worden oder lohnt auch jetzt noch das Nachdenken, so wenn
er von der Verschmelzung des Unvereinbaren bei Augustin
(S. 10) spricht (C. Schneider betont jetzt „eine sich widersprechende
Addition vieler Welten" bei Augustin) oder seinen
politisch gefaßten Glaubensbegriff (S. 13), seinen „Willen zur
Ordnung, von dem die civitas dei lebt", hervorhebt.
Halle/Saale Hans-Joachim D i e s n e r
Beck, Hans-Georg, Prof.: Kirche und theologische Literatur im byzantinischen
Reich. München: Beck 1959. XVI, 83 5 S. gr. 8° = Byzantinisches
Handbuch im Rahmen des Handbuchs der Altertumswissenschaft
, XII, 2, 1. DM 75.— ; Lw. DM 82.—.
Schon in der zweiten Auflage der berühmten „Geschichte der
byzantinischen Literatur" von Karl Krumbacher (1896, die erste
war 1890 erschienen) war der theologische Teil einem eigenen
Bearbeiter, Albert Ehrhard, zugewiesen worden, der auf 180
Seiten in meisterhafter Weise diesen so wichtigen Teil des byzantinischen
Geisteslebens behandelte, der in der ersten Auflage
noch, wie Krumbacher im Vorwort sagte: „in fremden Gemächern
untergebracht" worden war, d. h. je nach den Autoren auf andere
Literaturgebiete verteilt. Freilich war die geistliche Dichtung
auch hier noch, von der eigentlichen Theologie getrennt, im
Zusammenhange der „Poetischen Literatur" behandelt worden.
Für seine Zeit war Ehrhards Überblick über die theologische
Literatur der Byzantiner — ein in dieser Weise bis dahin noch
nie versuchtes Unternehmen — eine ganz einzigartige Leistung,
und die relative Vollständigkeit, mit der die einschlägigen Forschungen
erfaßt wurden (nicht ohne Krumbachers Hilfe), ist bewundernswürdig
. Aber wieviel ist nicht auf diesem Gebiete seither
erforscht, ediert, analysiert und untersucht worden! Auf
wenigen Gebieten der byzantinischen Literatur ist eine Neusichtung
und Neubehandlung des inzwischen Erarbeiteten so notwendig
wie gerade auf dem Theologischen.
Es ist deshalb begreiflich, daß nunmehr, bei der völligen
Aufspaltung des Krumbacherschen Werkes in ein „Byzantinisches
Handbuch im Rahmen des Handbuches der Altertumswissenschaft"
in mehreren Bänden (einer davon ist z. B. Ostrogorsky's „Geschichte
des byzantinischen Staates") uns auch die Theologie als
eigener Band von 835 Seiten entgegentritt. Die Neubearbeitung
des Ehrhardschen Abschnittes (die seinen Umfang auf mehr als
das Vierfache erweitert hat) ist dem für diese Aufgabe gewiß
Berufensten übertragen worden, dem gegenwärtigen Ordinarius
für Byzantinologie an der Münchner Universität, Hans Georg
Beck, dem langjährigen Assistenten und Mitarbeiter Franz Döl-
gers in der Redigierung der Byzantinischen Zeitschrift. Hier, wo
es auf möglichst vollständige Erfassung und universale Beherrschung
des fast unübersehbaren Stoffes ankam, konnte niemand
geeigneter sein als derjenige, in dessen Händen seit Jahrzehnten
die Fäden der mit größter Sorgfalt geführten Bibliographie der
Byzantinistik zusammenliefen. Aber das neue Werk ist keineswegs
nur eine zeitgemäße Erweiterung des Ehrhardschen. Denn
neben den Teil (er heißt hier: IV. Hauptteil), der in der Art des
Ehrhardschen Werkes, nach Disziplinen verteilt (Dogmatik, Predigt
, Hagiographie, Exegese, Askese und Mystik, Liturgie, geistliche
Dichtung), die einzelnen Schriftsteller und Werke behandelt
(nur daß dies bei Ehrhard Disziplin für Disziplin für den ganzen
Zeitraum geschieht, während Beck jeweils Epoche für Epoche den
Kreis der Disziplinen neu durchläuft, so daß die Einheit der Zeitproblematik
und der Zeitstimmung viel besser zum Ausdruck
kommt), sind drei weitere „Hauptteile" getreten. Der III. Hauptteil
gibt (ungefähr dem kurzen Einleitungskapitel: „Charakter
und allgemeine Geschichte" bei Ehrhard entsprechend) eine eingehende
, zusammenhängende Darstellung der byzantinischen
Theologie, der dogmatischen Streitigkeiten, des Ikonoklasmus,
der Polemik gegen das Lateinertum, der Hesychastenfrage sowie
der theologischen Grundlagen und der einzelnen Strömungen in
der Aszese und Mystik, die in dieser Form eine erstmalige Leistung
ist. Insbesondere die beiden letztgenannten Kapitel gehören
zum Besten, was über diese Dinge geschrieben worden ist